»Das war nicht irgendein Friseur, Meister! Er war ein junger Gott!«
»Lebt er noch?«, kontert Vigor.
Das eingeblendete Bild Dragstones zeigt ein ziemlich verstörtes Gesicht des mächtigen englischen Fürsten.
»Also … kein Gott!«, brummelt der Meister. »Wenn schon die Bisse von den Ältesten nichts mehr bewirken, dann … dann ist das Ende nah!«
»Das Ende?«
Niemand kann alle gleichzeitig sehen … vor allem nicht das eigene Gesicht. Aber jeder kann sich vorstellen, wie die anderen Mitglieder der unsterblichen Familie empfinden.
»Wie kann das sein?« Der Graf ist es, der jetzt die eine Frage stellt, die sie wohl alle bewegt. »Jahrhunderte haben wir gelebt und bis auf ein paar dumme Ausnahmen hat es nie einen von uns gegeben, der auch nur das geringste Zeichen von Schwäche gezeigt hätte.«
»Die Kräfte der Finsternis schwinden, mein Freund!«, erklärt der Meister. »Schaut her … ich habe die Meldungen gesammelt und in diesen kurzen Überblick für euch kommentarlos zusammengeschnitten.«
Ein Film spielt nun ab, der die Schlagzeilen der letzten Monate auf den Monitor bringt, mit denen sie sich alle beschäftigt haben … voller Unverständnis, Unglauben und … Entsetzen.
Die Erkrankung des Herzogs von Nohs.
Der Autounfall mit nachfolgendem Koma der Gräfin von Fera.
Das lange Leiden des Grafen von Tuh.
Die vielen anderen Familienmitglieder, die in den letzten Wochen und Monaten gelitten und ihnen allen angezeigt haben, dass ihrer aller Unantastbarkeit zu wanken begonnen hat.
Sehr viel später geht bereits die Sonne über dem angrenzenden Gewerbepark auf und die ersten Schwertransporter, Kleinlaster und Pkws beginnen die Straßen zu beleben.
Resi hat die Vorhänge im großen Wohnzimmer geöffnet, die Computeranlage ausgeschaltet und wieder in die Schrankwand zurück geschoben.
Auf dem schweren Eichentisch, auf den der Graf beim Ausruhen immer gerne seine Füße gelegt hat, lässt sie die ausgedruckte E-Mail des Meisters liegen, die ihnen allen erklärt hat, warum die Unsterblichen diese Welt zu verlassen haben.
Das eingescannte Dokument trägt ein unleserliches Datum … aber die Jahreszahl ist sehr gut zu erkennen: 1345
› Ich, Vigor Dracul, weise Euch, vom Blute der Draculea, einen Weg in die ewige Freiheit. Ich weise Euch einen Weg aus der Abhängigkeit von Tag und Nacht, von Gut und Böse, von Sein und Nichtsein, von Tod und Leben.
666 Jahre Zeit will ich Euch geben, vom heutigen Tag an, da einer aus unserer Mitte sich gegen sein Erbe versündigt und eine niedere Magd aus dem Dorf zu sich geholt hat, anstatt bei Seinesgleichen oder zumindest Ebenbürtigen zu bleiben.
Ihr werdet mit aller Macht ausgestattet sein, Sterblichkeit zu überwinden und Vergänglichkeit zu spotten. Doch dürft Ihr nie vergessen, dass es ein finales Ziel zu beachten gibt. Innerhalb der vorgegebenen Zeit soll einer von Euch erreichen, dass der Sieg über die Vergänglichkeit nicht auf Kosten der Vergänglichkeit selbst errungen werden darf.
Von heute an soll dies der Fluch sein, der auf Euch lastet und zugleich soll es die Erlösung bedeuten, diesen Fluch zu brechen.
Erlösung von Tod und Leben, von Sein und Nichtsein, von Gut und Böse, von Tag und Nacht … und von Vergangenem und Vergessenem.
Sei es denn nun so, dass die Zeiten sich nach Euch richten und enden, wenn ihr das Ziel verfehlt oder aus den Augen verloren habt. Die ewige Uhr wird das Ende ebenso anzeigen wie den Neubeginn.
In Asche oder im Lichte – so sei die Erfüllung dieser Prophezeiung! ‹
»Jo mei … jetzt muss ich mir doch wieder eine andere Herrschaft suchen«, sagt sie bei sich, kehrt die Aschehaufen auf dem Boden vor der Schrankwand zusammen und ordnet die Sessel zurück zur Sitzgruppe vor dem Kamin.
© a. zeram, München 2011
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.