Historische Begegnungen

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Die alten Helden der Schweizer Geschichte haben abgedankt. Die «Historischen Begegnungen» präsentieren Vorkämpferinnen und Widersacher, welche die Entwicklung der Schweiz massgeblich geprägt haben: Frauen und Männer, die sich bekämpft oder ergänzt haben. Und deren Leistungen zu Unrecht vergessen wurden:

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Historische Begegnungen - изображение 1 INHALT Zehn historische Begegnungen Auf Augenhöhe Agnes von Ungarn und Rudolf - фото 2

INHALT

Zehn historische Begegnungen

Auf Augenhöhe Agnes von Ungarn und Rudolf Brun

VON BRUNO MEIER

Der Reformator gegen den Radikalen Ulrich Zwingli und Conrad Grebel

VON PETER KAMBER

Landesvermessung in Zeiten politischen Umbruchs Franz Ludwig Pfyffer von Wyher und Jacques-Barthélemy Micheli du Crest

VON ANDREAS BÜRGI

Ein Auf und Ab in Ehe und Gewerbe Ulrich und Salome Bräker

VON REA BRÄNDLE

Der Spalter und der Einiger Constantin Siegwart-Müller und Henri Dufour

VON THOMAS BUOMBERGER

Helfen und Heilen – Homöopathie versus Schulmedizin Emilie Paravicini-Blumer und Fridolin Schuler

VON ELISABETH JORIS

Zwei «Halbnomaden» an den grossen Tunnelbaustellen Ferdinand Rothpletz und Maria Scala

VON EVA SCHUMACHER

Heisse Tage in Winterthur Hans Sulzer und Ferdinand Aeschbacher

VON ADRIAN KNOEPFLI

Die feinfühlige Adjutantin Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser

VON REGULA BOCHSLER

Abraham c’est moi Ludwig Abraham und Gustav Zumsteg

VON MARTIN WIDMER

AUTORINNEN UND AUTOREN

Zehn historische Begegnungen

Die alten Helden der Schweizer Geschichte haben abgedankt. Gibt es neue Hauptpersonen, Vorkämpferinnen und Schlüsselfiguren, welche bei der Entwicklung der Schweiz eine wichtige Rolle gespielt haben? Als Herausgeberin und Herausgeber haben wir zehn historische Begegnungen ausgewählt und richten damit das Scheinwerferlicht auf zehn Zusammentreffen bekannter und unbekannter Frauen und Männer, die sich bekämpften oder ergänzten, eine gemeinsame Vision oder gegensätzliche Ziele verfolgten. Die zehn Essays führen an Orte, wo sich die Wege von zwei wichtigen Personen an einem zentralen Punkt der Geschichte kreuzten.

Am Anfang steht die Begegnung vom 9. Oktober 1351, als sich die Königin Agnes von Ungarn und der Zürcher Bürgermeister Rudolf Brun in Königsfelden bei Brugg trafen. Diese Begegnung auf Augenhöhe war für die Entwicklung der frühen Eidgenossenschaft wichtiger als alle bluttriefenden Schlachten und hehren Schwüre, die noch immer in Fernsehserien und Schulbüchern abgehandelt werden. Ein Leben lang stritten Salome und Ulrich Bräker und kämpften ums Überleben. Er schrieb, und sie, das ist kaum bekannt, führte das Geschäft. Diese Geschichte aus dem Toggenburg im 18. Jahrhundert illustriert, wie prekär die Existenz- und Aufstiegsmöglichkeiten im Bereich der textilen Heimarbeit waren. Das Essay zum Migrosgründer Gottlieb Duttweiler und seiner bis heute fast gänzlich unbekannten wissenschaftlichen Mitarbeiterin Elsa Gasser spielt in Zürich zum Zeitpunkt, als die Massenkonsumgesellschaft in der Schweiz noch ganz am Anfang stand. Wer weiss, dass die Ökonomin Elsa Gasser die Selbstbedienungsläden in der Schweiz eingeführt und das Kulturprozent erfunden hat?

Die zehn Essays erzählen Schweizer Geschichte auf eine neue Art: Sie führen an unbekannte Orte, paaren prominente mit auf den ersten Blick historisch unwichtigen Figuren und stellen zehn Themen in den Vordergrund. Die Autorinnen und Autoren streben nicht nach wissenschaftlicher Vollständigkeit, viel lieber verbinden sie anhand einer historischen Begegnung Konsum- und Wirtschaftsgeschichte, verweben Textil- und Kulturgeschichte oder paaren Medizin- und Geschlechtergeschichte. Mittels einer erzählerischen Gegenüberstellung versuchen wir den Spannungsraum zwischen Protagonistinnen und Protagonisten auszuleuchten, der gesellschaftliche Prozesse erfahrbar macht.

Die Form des Essays erlaubt es den Schreibenden und Lesenden, in eine neue historische Dimension vorzustossen: eine Dimension, die Räume, Gefühle und Vorstellungen erschliesst und die allein mit Quellen aus Archiven nicht zu belegen ist. Denn das Zusammentreffen der Vorkämpfer und Vorkämpferinnen in den zehn historischen Begegnungen ist nicht lückenlos aufgezeichnet, weder bei der Begegnung auf Augenhöhe zwischen dem Zürcher Bürgermeister und der Königin von Ungarn im 14. Jahrhundert noch bei der täglichen Zusammenarbeit zwischen Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser auf der Chefetage der Migros im 20. Jahrhundert. Daher existieren auch keine Bilder dieser von uns als Herausgeberin und Herausgeber vorgenommenen Paarungen. Eine Ausnahme bildet das Ehepaar Salome und Ulrich Bräker, von dem es eine Farbtafel aus dem Jahr 1793 gibt. Wie Ulrich Zwingli mit seinem radikalen Gegenspieler Conrad Grebel zusammentrifft, ist in keinem Gemälde festgehalten. Ebenso wenig gibt es ein Bild davon, wie der Schulmediziner Fridolin Schuler die Homöopathin Emilie Paravincini-Blumer in ihrer Stube eindringlich davor warnt, ihre Praxistätigkeit in Glarus weiterzuführen. Auch von der dramatischen Zuspitzung der Lage im Mai und Juni 1937 in Winterthur gibt es keine Fotos, die den Industriellen Hans Sulzer gemeinsam mit dem Gewerkschafter Ferdinand Aeschbacher zeigen. Daher beauftragten wir den Illustrator Michael Raaflaub, die Begegnungen in Szene zu setzen.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Vergnügen auf dem Gang durch diese Schweizer Geschichte voller Begegnungen.

Elisabeth Joris

Bruno Meier

Martin Widmer

Auf Augenhöhe

Agnes von Ungarn

UND

Rudolf Brun

Die verwitwte Königin und der Bürgermeister Bruno Meier 15 Oktober 1342 Der - фото 3

Die verwitwte Königin und der Bürgermeister

Bruno Meier

15. Oktober 1342: Der Zürcher Bürgermeister Rudolf Brun reitet nach Brugg, eine halbe Tagesstrecke von seiner Heimatstadt gelegen. Freiherr Heinrich von Tengen will in der Anwesenheit einer Reihe illustrer Zeugen, zu denen auch Brun gehört, ein Eheversprechen für seine Tochter Herzlauda gegenüber Walter von Hallwyl leisten. Walter ist der Sohn des Johannes von Hallwyl, wichtigster Vertreter der Habsburger in den sogenannten Vorlanden und rechte Hand von Herzog Albrecht II. und seiner Schwester Agnes. Nach Brugg geladen sind zusammen mit Brun eine Reihe bedeutender Adliger, so zum Beispiel die Schultheissen von Schaffhausen und Winterthur sowie Johannes Mülner und Heinrich Biber, Vertreter wichtiger Zürcher Familien, die in engen Beziehungen zu den Habsburgern stehen.

Der Weg von Zürich nach Brugg führt Brun am Kloster Wettingen vorbei, wo Johann von Habsburg-Laufenburg, Herr in Rapperswil und Lehensmann von Herzog Albrecht II. von Österreich, begraben liegt. Um diesen scharte sich, als Rudolf Brun nach dem Umsturz von 1336 starker Mann in Zürich geworden war, die Opposition. Am 21. September 1337 fiel der Rapperswiler vor der Burg Grinau am Zürichsee im Kampf gegen die Zürcher.

Vielleicht macht Brun auch in Baden dem habsburgischen Landvogt Burkart von Ellerbach seine Aufwartung. In Gebenstorf setzt er mit der Fähre über die Reuss nach Windisch über, wie bereits König Albrecht I. am 1. Mai 1308, bevor dieser von seinem Neffen Johann und dessen Gefolgschaft umgebracht wurde. Am Ort des Königsmords, am Weg und in Sichtweite zur Stadt Brugg, gebaut auf den Ruinen des römischen Legionslagers Vindonissa, steht das Kloster Königsfelden. Vor wenigen Jahren erst fertig erbaut, ist es mit seinen frisch eingesetzten, leuchtend farbigen Chorfenstern bereits weitherum bekannt. In Königsfelden residiert auch Agnes, die Schwester Herzog Albrechts II. und verwitwete Königin von Ungarn. Man kann sich vorstellen, dass Rudolf Brun und Agnes von Ungarn einander bei dieser Gelegenheit begegneten.

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