Elisa Scheer - Missgriffe

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Auf dem Weg in den Urlaub wird Lea gekidnappt. Das Gefängnis zeichnet sich aber durch gutes Essen und einen ausgesprochen erotischen Entführer aus. Halb versöhnt und schwer verliebt beschließt Lea nach ihrer überraschenden Freilassung, dem Entführer gegen seine Feinde beizustehen – Helfersyndrom? Damit geraten sie beide ins Visier eines gefährlichen Gegners – und Lea erbt obendrein noch eine Familie…

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Alles frei erfunden!

Imprint

Missgriffe. Kriminalroman

Elisa Scheer

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2015 Elisa Scheer

ISBN 978-3-7375-6156-3

Alltag

„Geiler Bildschirmschoner“, fand Christian und schielte über meine Schulter.

„Gut, was?“ Ich war selbst ziemlich begeistert. „Hab ich im Internet gefunden.“ Auf meinem Monitor rannten laute kleine grau gekleidete Manager im Kreis herum und warfen Aktenkoffer in die Luft. Sobald alle Koffer in der Mitte gelandet waren, begannen die Kerlchen zu strippen, und sobald alle mit ihren kleinen Pimmelchen wedelten, wurde der Schirm schwarz und alles begann von vorne. „Sollten wir den den Seminarteilnehmern anbieten, was meinst du? Oder sind die dann beleidigt?“ Christian verzog sich kichernd. „Meinst du, den gibt´s auch mit strippenden Tippsen?“

„Weiß ich nicht, du blöder Macho.“

„He!“, entrüstete er sich. „Du geilst dich hier an nackten Kerlen auf, und ich darf nicht? Ist doch wieder typisch Weiber.“

„Pass auf, du Trottel“, begann ich in milde aufklärendem Ton, „keiner hat was gegen strippende Damen, aber wieso Tippsen? Wieso nicht Managerinnen?“

„Weil ich realistisch bin“, schoss er zurück und wich dem Textmarker aus, den ich ihm an den Kopf werfen wollte.

Sabine linste hinter ihrem Monitor hervor. „Müsst ihr immer so ekelhaft sein? Helft mir lieber mal, dieser Zeitfressertest ist unmöglich!“

„Was soll denn daran schwer sein, du sollst doch bloß das Layout verbessern!“, maulte ich und wollte Christian dazu bewegen, ihr zu helfen. „Nein“, jammerte sie, „Lea soll mir das erklären. Männer sind immer so ungeduldig.“

„Haben sie dir das in deinem Frauencomputerkurs beigebracht?“, fragte ich ärgerlich und rollte neben sie. Unser Dreierarbeitsplatz war wirklich genial, geschnitten wie ein Bagel. In der Mitte liefen alle Kabel, und rundherum hatten wir wirklich reichlich Platz und konnten zusammenarbeiten, ohne irgendwelche Anschlüsse zu überfahren. Hier bastelten wir das Material für die Seminare und die Handbücher, mit denen LifeManagement den Leuten für horrende Gebühren das Leben erleichtern wollte. Zeitmanagement, Anlagestrategien, gute Vorsätze, Sport und Gesundheit für Vielbeschäftigte , Dresscodes, Karriereguides, So bewerbe ich mich erfolgreich – es gab schon fast dreißig Bände, und sie verkauften sich wie verrückt, genauso wie die Seminare.

Wenn die Klienten gesehen hätten, wie chaotisch es in unserem Büro zuging, hätten sie wohl nicht geglaubt, von uns irgendetwas lernen zu können, aber das Dauergeblödel und Sabines eigenartige Mischung aus Frauenbewegtheit und Opferrolle blieb glücklicherweise unter uns. Auch der exzessive Junk Food-Konsum entsprach nicht dem, was der erfolgreiche Manager – sorry, Sabine: die erfolgreiche ManagerIn – essen sollte, um Gesundheit und Arbeitskraft dem Arbeitgeber bis zum Rentenbeginn (bis dahin sicher mit fünfundsiebzig Jahren) zu erhalten. Christian holte sich sein Mittagessen bei McDonald´s, Sabine hatte immer Bäckertüten dabei, in denen allerlei zuckerglasierter Kram festklebte, und ich futterte Müsliriegel, denen man mit Zucker und Schokoglasur den letzten Rest Gesundheit ausgetrieben hatte. Aber lecker waren die Dinger, das ließ sich nicht bestreiten.

Mir war das auch nur mäßig peinlich, schließlich lag mein Fachgebiet im Zeitmanagement und nicht in den Ernährungswissenschaften.

Ich führte Sabine das zittrige Händchen, während sie die Symbole aus der Tabelle heraussuchte, mit deren Hilfe die Leser/Klienten die Punkte für nie - selten – häufig zusammenzählen konnten. „Sabine, du kannst doch Textverarbeitung, oder? Und das Layout war schon fast fertig, also warum machst du so ein Theater?“

„Weil ihr mich immer ablenkt“, jammerte sie. „Müsst ihr eigentlich immer über Sex reden?“

„Tun wir doch gar nicht“, widersprach ich erstaunt. „Wir ferkeln doch nur zum Spaß ein bisschen herum.“

„Das ist aber frauenfeindlich!“

„Sabine! Ich mach doch immer männerfeindliche Witze, wie kann das frauenfeindlich sein?“

„Du verstehst das nicht.“

„Nee, wirklich nicht. Und dich ärgert doch keiner mit so was, wir ärgern uns ja bloß gegenseitig. Jetzt mach das Ding mal fertig, das muss nachher in den neuen Reader eingepasst werden. Und vergiss das Speichern nicht wieder!“, fügte ich, durch Erfahrung gewitzt, hinzu.

„Gott, bist du gemein!“

Christian zog, von Sabine ungesehen, ein Mäuschengesicht und verdrehte dann die Augen zum Himmel. Ich lachte kurz auf und hustete dann unüberzeugend. Arme Sabine, sie hatte kein Talent zum Blödeln und benahm sich immer, als könnte die Maus sie beißen.

„Wer macht denn das Zeitmanagement-Seminar am Wochenende?“, fragte Christian und biss von seinem BigMäc ab. „Keine Ahnung, ich jedenfalls nicht“, antwortete ich sofort. „Ich hab ab morgen Urlaub, schon vergessen?“

„Und, was machst du?“

„Wie immer. Italien, Sand, Strand, Pasta...“

„Bademeister...“

„Nee, höchstens die Gehilfen. Richtige Bademeister sind meist zu alt. Ausgedörrt wie zu lange gegrillte Hendln, was soll ich damit?“

„Mensch, das möchte ich jetzt auch, am Strand liegen und schnuckeligen Italienerinnen auf den Hintern glotzen.“

„Die haben keine Ferien mehr“, höhnte ich, „du würdest dich mit Tourihintern begnügen müssen. Und stell dir vor, du legst da eine flach, und dann wohnt sie in Leisenberg. Oberpeinlich, was?“

Christian schauderte. „Und du? Was, wenn dein Bademeistergehilfe da bloß Ferienjob macht und ansonsten hier studiert?“

„Arschkarte“, gab ich zu, „aber unwahrscheinlich. Ich weiß, was Bademeistergehilfen in der Nachsaison verdienen, da lohnt sich die Anreise gar nicht.“

Christian knurrte und widmete sich wieder den Tabellen auf seinem Bildschirm. Ich bastelte meinen Seminartext weiter und begann vom Urlaub zu träumen. Eine Woche Jesolo, das hörte sich vielleicht wenig originell an, aber ich liebte den Ort. Nicht den ursprünglichen Ort natürlich, sondern Lido di Jesolo, lang gezogen und nur aus Hotels, Restaurants und Geschäften bestehend. Da war ich als Kind schon gerne gewesen und hatte jedes Jahr Wiedersehen gefeiert, mit dem Laden, der die seltsamen Schwimmflügel verkaufte, mit dem Bacio-Eis an der Ecke, dem Zeitungsladen mit den grellbunten Kitschromanen, dem Mordsbetrieb ab acht Uhr abends und den immer gleich ausgerichteten Liegestühlen am Strand. Als man die Piazza Aurora umgebaut hatte, war ich eine Saison lang richtig beleidigt, aber dann hatte ich mich damit abgefunden und genoss sogar die Konzerte in dem Mini-Amphitheater.

Und sobald ich zu ordentlich Geld gekommen war, hatte ich mir ein kleines Appartement in der Nähe der Piazza Garibaldi gekauft und mit einem Hotel am Strand vereinbart, dass ich zu einem Sonderpreis jederzeit ein Letto und einen Schirm mieten konnte.

Morgen um zehn ging der Flieger nach Venedig, am Flughafen warteten jede Menge Leihwagen – um zwei konnte ich schon am Strand liegen, bewaffnet mit einem Stapel Romane aus der Stadtbücherei. Herrliche Aussichten – nur noch einen Nachmittag lang Seminarmaterial überarbeiten.

„Pst! Würdest du wirklich einfach so – mit einem Bademeister – du weißt schon?“ Sabine war richtig aufgeregt.

Ich schüttelte den Kopf. „Weißt du, wenn einer mal wirklich niedlich wäre, dann vielleicht, aber so toll sind die nicht. Ich will mich einfach nur erholen. Das sind doch alles bloß Sprüche, genau wie bei Christian. Oder glaubst du, der hat wirklich solchen Schlag bei den Mädels? Der doch nicht!“

In vorübergehender Solidarität betrachteten wir Christian: blond, ein Paar Pfund zuviel, wie immer in einem geschmacklos geblümten Hemd, die Zungenspitze vor lauter Stress zwischen die Lippen gepresst, Schweißperlen auf der Stirn. Guter Kumpel, aber so sexy wie – wie – wie eine Aktentasche. Obwohl, eine richtig schöne Aktentasche, seidig schwarzes Leder, schimmernde Verschlüsse aus gebürstetem Stahl – nein, da kam der arme Christian nicht mit. Gut, so sexy wie der Tacker auf dem Schreibtisch. Aus blassgrünem Plastik.

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