1 ...7 8 9 11 12 13 ...36 Es musste so sein. Mathematik war sicher überall im weiten Universum gleich. Daher die Botschaft in dieser merkwürdigen Form. So brauchte man keine Worte, man brauchte nur Symbole, um Mathematik zu betreiben!
Tim fieberte vor innerer Anspannung. Schnell ordnete er auch die zweite Restmenge zu Paaren an: (0 5) ( 1 3) (7 7) (4 1) und sah dann die Lösung vor sich:
Verschiebe den Punkt aus (0 1) nach ((0 5), den von (3 7) nach (1 3), den von (7 4) nach (7 7) und zuletzt den von (1 3) nach (4 1).
Das klärte zunächst noch nicht alles, denn irgendwie erschien Tim das ganze Verfahren sehr umständlich, irgendwie gekünstelt. Erst am Ende des Überlegungsprozesses konnte anhand des Ergebnisses entschieden werden, ob das Verfahren Sinn machte oder nicht.
Er starrte auf die neue Karte. Eine andere Konstellation war entstanden, und Tim sah sie staunend an. Er kannte sie, wenn er das Bild ein wenig verzerrte!
Es war das Haar der Berenike!
Wer würde ihm das glauben? Und was bedeuteten die Verzerrungen, die er vornehmen musste?
Tim ging zum Computer und suchte das Programm, das ihm die Sternkonstellationen zu jedem beliebigen Zeitpunkt erzeugen konnte. Er legte das Zentrum fest: Haar der Berenike. Heute sah es etwas anders aus als seine kleine Zeichnung es wiedergab.
In Tausenderschritten ließ er die Zeit zurücklaufen. Ganz langsam verformte sich die Darstellung auf dem Bildschirm. Jahrtausend für Jahrtausend ging er zurück.
Stopp!
Das passte! Ja, es war die Darstellung auf seiner Skizze.
Tim atmete tief durch: Er war 21000 Jahre zurückgegangen!
21000 Jahre! Sollte damals eine intelligente Lebensform schon geplant haben, was heute auf dem Mond passierte? Vorstellbar! Das Universum war so alt, dass diese 21000 Jahre keine nennenswerte Zeitspanne waren. Damals waren gerade die letzten Neandertaler verschwunden. Vom Mond aus konnten die, die es schon soweit geschafft hatten, auch die Erde erreichen. Was fanden sie dort vor?
Den Homo sapiens, der sich gerade anschickte, die Erde zu erobern! Sie fanden eine intelligente Lebensform vor, die vielleicht eines Tages selbst den Mond erreichen würde. Die Botschaft war also sinnvoll! Vielleicht konnten sie schon damals feststellen, dass diese Lebensform einen Zahlenbegriff erarbeitete, gewisse logische Strukturen befolgte.
Was also bedeute jetzt die gesamte Botschaft? Etwa dieses:
Hier auf dem Mond waren wir vor 21ooo Jahren, und wir kommen aus der Richtung, die wir in diesem kleinen Zahlenspiel versteckt haben! Wenn ihr euch so entwickelt, wie wir es denken, dann werdet ihr eines Tages dieses Rätsel lösen und wissen, dass ihr im Universum nicht alleine seid!
Tim musste zuerst einmal kaltes Wasser trinken und sich wieder das Gesicht abwaschen. Dann rechnete er alles noch mehrmals durch, versuchte andere Zahlenspiele und Kombinationen.
Nur diese eine war sinnvoll!
Er brauchte eine unabhängige Bestätigung, das war klar. Aber wer sollte das erledigen? Für ihn war das Rätsel des Bildes und der Zahlen gelöst. Falls er daneben lag, wollte er sich nicht blamieren. Vielleicht würden sie ihn sogar wegen geistiger Umnachtung aus dem NASA-Training ausschließen, wer weiß?
Wenn er es gefunden hatte, warum dann kein anderer? Es gab doch diese mathematischen Genies, die etwas anschauten und sofort …
Ja, die gab es, besonders eine, die er im Astronautenforum kennengelernt hatte: Ling aus China, genauer gesagt aus Delingha in Zentralchina. Den Kontakt aufrecht zu erhalten war nicht immer ganz einfach gewesen. Ständig dieses Misstrauen und das Herumschnüffeln! Doch nun war alles anders geworden. Ein Ereignis hatte einen Wandel erzwungen!
Das unerklärliche Phänomen auf dem Mond hatte es geschafft und wenn auch jeder das eine oder andere Geheimnis für sich behielt, klappte die Zusammenarbeit in den letzten Tagen schon ganz gut.
„Wenn sich aus dieser Entdeckung eine Bedrohung für die gesamte Erde ergibt, dann müssen wir auch gemeinsam dagegen vorgehen“, hatte das Zentralkomitee in China argumentiert. „Wenn sich daraus Entdeckungen ergeben, die wirtschaftlichen Nutzen bringen, müssen wir ihn mit allen anderen Nationen teilen. Entsprechend werden die Kosten der Mission geteilt.“
So kam es, dass gerade die jungen Astronauten in den großen Nationen sich in geschützten Chatrooms trafen, da insbesondere die chinesischen Astronauten nicht ausreisen durften.
So hatte Tim Ling kennengelernt, und beide fanden sich auf Anhieb sympathisch.
„Ich werde meinen Boss informieren, dass ich mit Ling das Problem der Zahlen und des Bildes angehen will“, beschloss er und griff zum Telefon.
Sein Direktor hörte sich alles in Ruhe an und fand es ganz gut, dass Tim einen neuen Ansatz versuchen wollte. Doch nicht ins Blaue hinein. Er wusste, Tim ist gut, aber Kontrolle der Sache war schon immer besser!
„Noch etwas, was du wissen solltest, Tim“, beendete der Direktor das Gespräch. „Du kannst diese Informationen auch im Intranet nachlesen. Die Gravitationsstörungen auf dem Mond werden langsam schwächer. Wenn es so weiter geht, wird im Mare Tranquillitatis spätestens in drei oder vier Wochen wieder alles normal sein. Die Regierungen der USA und Chinas erwägen, eine Mission dorthin zu starten, um nach Erklärungen zu suchen. Wenn du mit Ling dem Problem der Zahlen auf den Grund gehen kannst, wäre es möglich, dass ich dich für diese Mission vorschlage!“
Tims Herz blieb fast stehen. Eine Mission zum Mond! Die erste Landung seit den Apollo-Flügen vor fast einem Jahrhundert. Und er konnte mit von der Partie sein!
Gut, dass er nicht alles geoffenbart hatte, was er wusste. Nun konnte er sich empfehlen! Vielleicht hatte Ling auch eine Idee, was es mit den beiden Primzahlen auf sich haben könnte, die er gefunden hatte.
Tim meldete sich im Chatroom an und suchte nach Ling. Eigentlich musste sie trotz der Zeitverschiebung schon zu erreichen sein. Sie hatten zuletzt ausgemacht, dass der Computer ein Signal senden würde, wenn Tim online war. Am Bord hing eine Nachricht, dass sie in zwei Stunden den Chat betreten würde. Tim nutzte die Zeit, alles noch einmal durchzudenken und durchzurechnen. Doch das Geheimnis der beiden Primzahlen konnte er nicht lüften. Jedes andere Such- und Ordnungssystem führte zu wirren Ergebnissen.
Was hatte Meister Ockham aus England gesagt: „Wenn du die Wahl zwischen mehreren konkurrierenden Ideen hast, dann entschiede dich für die, die am einfachsten zu verwirklichen ist!“
So oder so ähnlich, da war Tim sich sicher. Also musste er sich auf die ersten Ergebnisse verlassen.
Dann meldete sich Ling!
Mike Salbowski schaute aus dem Fenster. Er sah die Hochhäuser, die sich fast kreisförmig um diesen Turm erstreckten, in dem er regierte. Er war nicht Regierungschef, nein, Mike war viel mächtiger als irgendein Regierungschef. Er war der Chef der Space and Land Corporation AG, eines riesigen Mischkonzerns, der überall auf der Welt mitmischte. Die CALCAG, wie sie einfach immer nur genannt wurde, handelte mit Lebensmitteln, Rohstoffen, Waffen, Baustoffen, Medikamenten und sogar mit Raumfahrzeugen und vielem anderen mehr. Sie besaß mehr Patente als Mitarbeiter, und das wollte schon etwas heißen. Der Jahresumsatz der CALCAG war höher als der einer großen Industrienation. Ihr Erfolgsrezept war einfach: Gewinnbringende andere Unternehmen entweder eingliedern, gewaltsam übernehmen oder zugrunde richten. So kam es im Laufe der Zeit, dass fast jeder Zweig des täglichen Lebens auf der Erde war von ihr betroffen war.
Diese Machtstellung zu brechen war kaum mehr möglich. Selbst die UNO, die einmal gegen die Manipulationen der CALCAG vorging, war an dem Vorhaben gescheitert. Plötzlich fielen in großen und wichtigen Werken die Maschinen aus, der Energiefluss stoppte, das Lager- und Bevorratungssystem brach zusammen, große Geldmengen überschwemmten einzelne Länder, und jeder wusste, wer dahintersteckte. Doch ohne die Zusammenarbeit mit der CALCAG war nichts zu machen.
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