1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 Das letzte hatte er gemurmelt und fuhr erschrocken hoch: „Katja, das hast du jetzt nicht gehört!“
„Wieso, was hast du denn gesagt? Du redest doch nie über deine Fälle, oder? Komm, trink aus und komm ins Bett.“
Er lächelte breit. „Was für schöne Worte…!“
Am nächsten Morgen hatte Andi alle Fakten noch besser auf der großen Tafel verteilt (schön, dass das – zumindest manches – mit leichten Wischbewegungen zu arrangieren war) und stand nun ratlos davor.
Wer hatte ein Motiv, Ludwig von Raben (wie sehr Cornelia, diese verwahrloste Person, auf dem von beharrt hatte! Kurz vor der Pennerexistenz, aber adelig – naja, wer´s brauchte…) umzubringen?
Eigentlich wohl alle.
Ohne ihn gab es nur noch drei Bewohner dieses riesigen vergammelten Hauses. Vielleicht konnten die sich ja auch auf einen Verkauf einigen. Obwohl, wer würde die Hütte schon haben wollen…
Es würde nur noch nach Katzen stinken und nicht mehr nach alten Kippen. Der große Bruder hatte nur noch zwei Versager durchzufüttern. Obwohl, diese Paula hatte doch einen vernünftigen Abschluss und sogar einen Job, die blieb wohl nur aus Neid dort wohnen. Die Catlady würde nie wieder etwas finden, das so billig war und einen so großen Garten hatte. Den Bruder geliebt hatten sie beide nicht. Außerdem hatte er sie beklaut, aber das war ihnen bis gestern wohl gar nicht aufgefallen.
Ludwig als Junkie… Ärger um Drogenkosten? Drogenbeschaffung?
Hatte der eine Freundin gehabt? Gab es da vielleicht Ärger? Wer konnte das wissen? Die desinteressierte Familie ja wohl nicht. Die beiden Gäste wären bessere Zeuginnen, überlegte er, leider aber wussten die praktisch nichts.
Er starrte noch frustriert auf die Tafel, fand aber keine Verbesserungsmöglichkeiten mehr, als die Tür aufging.
„Morgen!“
Er erwiderte den Gruß von Katrin und Liz.
„Wie geht´s der Allergie?“
„Schon besser. Normalerweise bin ich gar nicht so empfindlich, aber die Kombination aus acht Katzen und keinem Staubsauger ist schon ziemlich tödlich.“
„Ui, Katzen? Ich liebe Katzen!“
„Diese nicht, Liz“, antwortete Andi sofort. „Räudig und so unfreundlich wie ihre Besitzerin.“
„Aber Andi!“, tadelte Katrin sofort. „Besitzerin? Kann man ein Mitgeschöpf denn besitzen? Sind Katzen nicht sowieso die besseren Menschen?“
„Oh… danke für die Warnung, ich hätte ja bei der Catlady sonst komplett verschissen.“
„Und nichts könnte dir gleichgültiger sein, stimmt´s?“
Ani lachte. „Ich fürchte, da hast du Recht. Mir waren die Angehörigen eines Mordopfers – wenn es denn Mord war – noch selten so unsympathisch.“
„Kannst du laut sagen“, schnaubte Katrin, die die Mitschriften, die sie gestern noch auf den Bürorechner gespielt hatte, gerade ausformulierte und die Tippfehler ausbesserte. „Ich dachte echt, ich hau einer der beiden gleich eine rein. Ich wusste nur nicht, welcher zuerst. Na, und der Bruder… ein Weichei erster Güte. Konnte der den beiden nicht mal eins aufs Maul geben?“
Liz Zimmerl gluckste. „Katrin, welch derbe Sprache!“
„Pass auf, wenn Andi das nächste Mal hinmuss, gehst du mit. Du liebst ja Katzen, vielleicht kommst du sogar mit den beiden Quadratschnepfen zurecht.“
„Gute Idee“, fand Andi, „dann kannst du nochmal die beiden Rauchs befragen, Katrin. Vielleicht ist aus denen ja noch mehr herauszuholen, wenn sie nicht dauernd unterbrochen und angeschnauzt werden.“
„Mach ich. Obwohl, ich glaube nicht, dass die beiden sich die Butter vom Brot nehmen lassen. Die hatten irgendwann einfach keine Lust mehr, mit diesen dämlichen – ja, schon gut.“
„Gut, du gehst zu den beiden… ach, um die Zeit werden die wohl arbeiten, probier´s am Arbeitsplatz. Sophie Rauch arbeitet bei Restorff Consulting in der Fuggergasse, die jüngere, Friederike, studiert noch und dürfte an der Uni schwer zu erreichen sein. Obwohl, jetzt sind Semesterferien… vielleicht Bibliothek – oder sie ist zu Hause…“
Katrin bedankte sich leicht ironisch.
„Ja, klar, das weißt du alles selbst, sorry. Ich schau, dass ich noch Patrick kriege, der soll die alle mal im Netz durchfieseln.“
„Anne und Joe werden sich freuen“, merkte Liz halblaut an. „Wo wohnen diese Rabens jetzt gleich wieder genau?“
Sie trat an die Tafel. „Gibt´s da keine Karte?“
Andi rief die Karte auf. „Hier. Knapp oberhalb der Leiß. Nein… etwas weiter östlich, denke ich.“
„Kurz vor der Autobahn?“
„Nein, das eigentlich auch nicht. Man fährt da einen ganz schönen Umweg, wenn man diesen besseren Feldweg neben der Autobahn nimmt, aber anders kommt man da nicht rüber.“
„Da fehlt eindeutig eine Brücke“, fand Liz, die Karte kritisch beäugend.
„Quatsch“, wandte Katrin ein, „wozu denn? Da wohnt doch keine Sau, bloß diese eine Familie. Warum sollte man für die noch Steuergelder verschwenden.“
„Echt? Sonst ist da nichts?“
Andi nickte. „Nur Pampa. Ein großes verwildertes Grundstück und ein großes vergammeltes Haus.“
„In dem es stinkt. Nach Katzenklo und einem überquellenden Aschenbecher.“
„Na, den haben wir ja der KTU geschenkt“, begütigte Andi.
„Das wollte ich dich eh fragen – wozu? Die DNA von Ludwig können wir doch auch aus der Leiche gewinnen?“
„Schon – aber vielleicht finden wir noch andere DNA – es könnte doch sein, dass Ludwig mal ein paar Kifferkumpel eingeladen hat. Die wiederum könnten uns möglicherweise weiterhelfen.“
„Danke“, sagte Katrin artig und wandte sich wieder ihrem Rechner zu.
Andi sah auf die Uhr. „Halb neun. Das Katzenweib könnte vor Ort sein, die arbeitet doch so gut wie nichts. Die kalte Paula finden wir bei der Versicherung und der Bruder müsste ja wohl ein Büro bei den Germanisten haben. Ein Privatdozent ist schließlich nichts ganz so Popliges. Und diese Junkies nehmen wir uns als Letztes vor, die schlafen bestimmt länger. Also, Liz, machen wir uns auf den Weg!“
*
Im Rabenhaus machte überhaupt niemand auf.
„Vielleicht steckt die Gute ja im Kratzbaum “, überlegte Andi ohne viel Überzeugungskraft und klingelte noch einmal, dieses Mal länger. Man hörte in der Ferne ein blechernes Glöckchen anschlagen.
„Alles sehr neuzeitlich“, kommentierte Liz und sah an der grauen Fassade nach oben. „Fenster sind offen, dann muss doch jemand da sein?“
„Glaubst du, die machen die Fenster zu, wenn sie weggehen? Die haben doch nicht mal gemerkt, dass der Junkie Ludwig sie beklaut hat!“
„Ach, so reich?“
„Nö, so unordentlich“, äffte Andi sie nach. „Ob sie reich sind, weiß ich gar nicht. Das soll Patrick ja mal rauskriegen.“
Er klingelte noch einmal, aber dieses Mal ließ er den Finger auf dem Knopf, bis das Glöckchen im Inneren vor lauter Dauerklingeln kollabierte.
„Jetzt hast es hing‘macht“, feixte Liz.
„So volkstümlich? Die sollen froh sein, wenn ich hier nicht mehr kaputtmache. Ach -!“
Aus dem Fenster ganz oben schaute ein zerzauster Kopf heraus. „Was soll denn der Lärm mitten in der Nacht?“
„Kripo!“, rief Andi nach oben. „Machen Sie auf, Frau von Raben!“
„Was, jetzt?“
„Ja, jetzt!“
Mit einem Grunzlaut verschwand der Kopf vom Fenster. Es dauerte etwas, dann hörte man es drinnen trampeln und die Tür wurde schließlich geöffnet. Eine rote, eine schwarze und eine graubraun getigerte Katze schossen an Andi und Liz vorbei nach draußen.
„Süß“, sagte Liz und erntete eine Grimasse, die wohl ein Lächeln darstellen sollte.
„Liz Zimmerl“, stellte sie sich der Grimasse vor. „Meinen Kollegen Reuchlin kennen Sie ja schon von gestern. Herzliches Beileid auch von mir.“
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