„Mein Gott, Sam ist doch dick genug, dem kann ein bisschen Sport nicht schaden“, höhnte Paula prompt. „Dir übrigens auch nicht.“
„Und da wollten Sie sich an ihm rächen, Frau Raben?“
„ Von Raben“, verbesserte Conny sofort.
„So viel Zeit muss sein“, konnte Sophie sich nicht verkneifen. Reuchlin gluckste und starrte Conny schnell wieder böse an.
„Na?“
„Rächen? Wieso rächen?“
„Ihn bestrafen“, schlug Katrin Kramer vor.
„Vielleicht seine Muntermacher ein bisschen präparieren?“, ergänzte Reuchlin.
Conny sah sehr überzeugend verständnislos drein. Zugegeben, Pillen mit irgendwelchen Giften zu versehen, würde ihre Fähigkeiten bestimmt übersteigen, überlegte Sophie sich. Aber vielleicht hatte sich der Kerl sich ja noch anderen Kram reingepfiffen, der leichter mit irgendetwas Unbekömmlichem zu versetzen war?
Reuchlin wandte seinen Blick von Conny ab, als zwei Weißgekleidete hereinkamen und ihm einiges zeigten. Er studierte den Kram in den diversen Beweismitteltütchen und sagte dann: „Sie hatten Recht, Frau von Raben.“
„Sag ich doch!“ – mal wieder im Chor. In Rechthaberei vereint , feixte Sophie in sich hinein.
„Er hat tatsächlich geklaut. Oder gehörte das alles hier ihm?“
Die Tütchen, die er auf dem unordentlichen Sofatisch aufreihte, enthielten ein geschmackloses Goldkreuz, zwei silberne Bilderrahmen, eine Handvoll kleiner dreieckiger hellrosa Tabletten mit einem eingekerbten X in der Mitte, ein Häufchen Tabak – oder Stärkeres -, eine altmodische, aber massiv wirkende Herrenarmbanduhr und eine Handvoll verkrumpelter Geldscheine – Fünfer, Zehner, Zwanziger, nichts Größeres.
„Papas Uhr!“, staunte Raben. „Die gehört mir – aber ich habe gar nicht gemerkt, dass sie fehlt.“
„Warum nicht?“
„Sie geht nicht. Ich müsste sie mal richten lassen, aber das vergesse ich dauernd.“
„Ist sie wertvoll?“
„Ich denke schon. Genau weiß ich es nicht. Morgen bringe ich sie hin und frage den Uhrmacher, was er meint.“
Er streckte die Hand aus, aber Reuchlin schüttelte den Kopf. „Sie könnte ein Beweismittel sein.“
„Schade drum. Naja, ich habe irgendwo ein Foto, das genügt als Erinnerung an Papas Uhr doch eigentlich auch.“
Reuchlin starrte ihn an. „Wie meinen Sie das?“
„Wieso, Sie haben doch eben gesagt, sie ist beschlagnahmt? Dann verabschiede ich mich doch besser gleich von ihr.“
„Aber das ist doch nicht von Dauer!“
„Wieso? Wenn der Fall gelöst ist, kommt sie in die Asservatenkammer, oder?“
„Und eines Tages trägt sie dann der Verwalter der Asservatenkammer selbst, was?“, warf Sophie ein. „Herr von Raben, es ist Ihrer unwürdig, alles zu glauben, was man in schlechten amerikanischen Serien über korrupte Bu- Cops sehen kann.“
„Wenn wir die Beweismittel nicht mehr brauchen, bekommen Sie sie natürlich zurück. Eine Quittung bekommen Sie auch dafür. Allerdings können Sie den Uhrmacher auch mit dem Foto um eine Einschätzung bitten.“
„Das Kreuz ist meins!“, quiekte Conny und griff nach der Tüte.
„Finger weg“, warnte Katrin Kramer. „Haben Sie eben nicht zugehört?“
„Wozu?“
Ja, wozu. Ging ja schließlich nicht um dich, stimmt´s? , kommentierte Sophie im Stillen.
Kramer wog das Tütchen in der Hand. „Ziemlich leicht. Massives Gold ist das keinesfalls.“ Sie schaute sich den Inhalt von nahem an. „Nicht mal massives Messing. Ganz ehrlich, ein guter Juwelendieb wäre aus Ihrem Bruder auch nicht mehr geworden. Kein Blick für echte Werte.“
„Was soll das heißen?“, fragte Conny.
Paula quiekte hämisch. „Dass es Plunder ist! Kein Wunder, Tante Adelheid war doch immer so geizig.“
„Tante Adelheid?“ Reuchlin griff nach jedem Strohhalm.
„Connys Firmpatin. Bereits verstorben“, gab Raben Auskunft. Er klang etwas schleppend, offenbar wurde er müde. Sophie konnte ihm das nachvollziehen, sie hatte jetzt wirklich keine Lust mehr. Und Fritzi blinzelte nur noch.
Reuchlin sah auf die Uhr. „Zehn durch… Wir warten ab, was die Obduktion ergibt, und die Untersuchung dieser rosa Kameraden hier, dann sehen wir weiter. Hat jemand von Ihnen vor, zu verreisen?“
Kopfschütteln.
„Gut so. Wir kommen wieder auf Sie zu. Katrin?“
Kramer klappte ihre Tablethülle zu und stand auf. „Schönen Abend noch. Äh – naja.“
Sophie gab Fritzi einen Rippenstoß. Die schoss hoch. „Endlich…! Herr Doktor, vielleicht zeigen Sie mir die alten Ausgaben lieber mal in der Uni?“ Sie sah sich beziehungsreich um.
„Tschüss dann – und herzliches Beileid, soweit das angebracht ist.“
„Ebenso“, blieb Sophie nur hinzuzufügen, dann folgten sie Reuchlin und Kramer nach draußen.
*
Kaum saßen sie im Auto, sagte Fritzi: „Ich brauch jetzt einen Schnaps. Du nicht, auf all diese Verrückten?“
„Brauchen schon – aber ich muss ja noch fahren. Okay, nehmen wir das Florian?“
Im Florian schnaufte Fritzi, sobald sie den Enzian gekippt und danach einen großen Schluck Weißbier genommen hatte. „Der arme Hund. Das ist doch eine Familie aus der Hölle!“
„Kannst du laut sagen. Aber ganz ehrlich, der ist schon auch selbst schuld daran – warum lässt er sich das gefallen? Warum wirft er die beiden Schnepfen nicht raus?“
„Schon, aber vielleicht kann er das nicht. Die haben das vielleicht alle geerbt und dann kann er sie ja nicht loswerden.“
„Dann soll er schauen, dass er selbst da rauskommt. So kann man doch nicht wohnen!“
„Wieso, das Haus ist doch eigentlich toll. Putzen müsste man es halt mal und renovieren. Das Riesending finde ich echt imposant. Wenn es gescheit hergerichtet wäre…“
„Ja, wenn… glaubst du, die übrigen drei kriegen das auf die Reihe?“
„Vier“, berichtigte Fritzi. „Da ist doch noch eine Schwester, Teresa - die Hamburger frisst?“
„Kann sein.“ Sophie trank einen Schluck Wasser. „Aber die sind doch alle komplett gestört, findest du nicht?“
„Aber sowas von! Diese Paula ist ja wohl eiskalt, und Conny genauso ichbezogen. Gut, oder katzenbezogen. Wüste Viecher.“
Sophie gluckste. „Diese arme Kramer, die hat sich ganz schön was zurechtgeniest. Alle drei irgendwie süchtig – selbstsüchtig, katzensüchtig, drogensüchtig. Was hat Raben wohl für ein Problem?“
„Harmoniesüchtig vielleicht?“
„Klingt passend, aber ich glaube, so einfach ist es nicht. Na, das kriegen wir heute Abend auch nicht mehr raus. Und in dieses fiese Haus kommen wir ja wohl im Leben nicht mehr. Nicht, wenn´s nach mir geht.“
„Och“, machte Fritzi. „Man soll nie nie sagen, nicht?“
*
Andi Reuchlin und Katrin Kramer waren nur noch kurz ins Präsidium gefahren und hatten ihre kläglichen Ergebnisse dokumentiert, dann hatte sich Katrin mit tränenden Augen nach Hause verzogen, um ein Antihistaminikum einzuwerfen, und Andi hatte beschlossen, dass er Trost brauchte, und seine Freundin überfallen.
Sie hatte freudig ihre Korrekturen im Stich gelassen, ihn in die Arme geschlossen, ihn aufs Sofa gedrückt und ihm ein Bier eingeschenkt. „Hier, das brauchst du jetzt!“
Nach einem großen Schluck seufzte er grabesschwer auf.
Katja rutschte neben ihn. „So schlimm?“
„Noch schlimmer! Ein Toter - und seine Familie. Die können nicht bei der Sache bleiben, beschimpfen sich aufs Übelste und wohnen alle noch zu Hause!“
Katja gluckste. „Komm, das kennst du doch schon! Denk mal an meine Familie! Hast du damals auch gedacht Diese entsetzlichen Herzbergers ?“
„Quatsch. Nur Raphael und Nick waren schrecklich, der Rest war relativ zivilisiert. Außerdem hat eure Mutter euch doch so stark ans Haus gebunden. Bei denen jetzt gibt´s gar keine Eltern mehr, die gönnen sich bloß gegenseitig das kostenlose Wohnen nicht. Unangenehme Leute. Wieso hat einer die nicht alle umgelegt, sondern bloß den Junkie?“
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