1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Conny Raben schnaufte und drehte sich um, um ins Wohnzimmer zu trotten.
„Könnte mal einen frischen Schlafanzug rauskramen“, murmelte Liz knapp außer Hörweite, als sie ihr folgten. „Das Ding müffelt bis hierher.“
„Ich dachte, du wolltest den guten Cop geben?“, tuschelte Andi zurück.
„Nur wenn sie mich auch hören kann.“ Liz fixierte das pummelige Hinterteil in angeschmuddeltem grauem Baumwollstoff mit Abneigung und sah sich, sobald sie das Wohnzimmer betreten hatte, kritisch um. Dann musterte sie Conny Raben streng, was auf diese leider gar keinen Eindruck machte.
„Wir haben noch einige Fragen“, begann sie dann und zog das Dienst-Tablet heraus.
„Ach was.“ Conny zog ein verknautschtes Sofakissen zu sich heran, legte es auf ihren Schoß und begann, mit den verfilzten Troddeln zu spielen. „Was denn noch? Ludwig war drogensüchtig und hat geklaut, aber wir hatten uns längst mit ihm abgefunden, also wozu hätten wir ihm was tun sollen?“
„Hatte Ihr Bruder eine Freundin?“
„Ludwig? Glaub ich nicht. So ein Zauberschatz war er nun wirklich nicht. Mitgebracht hat er jedenfalls nie jemanden. Oder wir haben es nicht gemerkt. Hier ist ziemlich viel Platz.“
„Das scheint mir auch so“, kommentierte Liz höflich. „Haben Sie denn einen Freund?“
„Das ist ja wohl meine Sache!“
„Wenn es um einen Mord geht, interessieren wir uns für alles – notgedrungen. Also?“
„Nö. Wann denn auch? Ich muss schließlich arbeiten, um die Katzen zu ernähren. Sonst fühlt sich hier ja keiner verantwortlich!“
„Ach ja – im Kratzbaum , nicht? Vollzeit?“
„Was – wieso? Naja, nicht ganz.“
„Nun, dann bliebe Ihnen doch sicher noch Zeit, mit den Katzen zu spielen und eventuell einen Freund zu haben – hat Ihre Schwester eine Beziehung?“
„Die - ?“ Im Ton abgrundtiefer Verachtung. „Sicher nicht!“
„Sie mögen Ihre Schwester nicht besonders?“ Liz gelang es, Teilnahme in ihre Stimme zu legen. Dafür konnte Reuchlin, der rund um das Zimmer wanderte und nach Indizien – wofür auch immer – suchte, sie nur bewundern.
„Paula kann man nicht mögen. Die ist eiskalt. Kennt nur ihren Vorteil. Wehe, einer kriegt was, dann will sie sofort mindestens das Gleiche, wenn nicht das Doppelte. Die verdient total klotzig, aber sie wohnt immer noch hier, weil sie es uns nicht gönnt, dass wir hier umsonst wohnen. Immerhin ist das doch unser Elternhaus!“
Liz nickte und notierte sich das, dann sah sie wieder voller Interesse auf. „Ihre Eltern leben nicht mehr?“
„Nein. Seit zehn Jahren. Seitdem ist Benedikt hier für alles zuständig.“
„Für alles? Ich meine, erziehen muss er Sie alle ja nun schon länger nicht mehr, oder?“
„Trotzdem. Naja, er kümmert sich ums Haus, warum auch nicht? Ich hab mit den Katzen genug zu tun, sonst kümmert sich ja keiner.“
„Ach, die Katzen gehören sozusagen zur ganzen Familie?“ Liz schaute betont harmlos drein.
„Quatsch, nur zu mir natürlich. Ich liebe meine Katzen, die sind meine wahre Familie. Jede hat ihren ganz eigenen Charakter. Viel eigenständiger als Menschen – und sie leben auch schön friedlich zusammen. Nicht so aggressiv wie blöde Zweibeiner…“
Durch die offene Flurtür trat der dicke graue Kater ein, vom Garten kam ein weißer mit getigerten Flecken und einem eingerissenen Ohr. Sie musterten sich kurz, gingen in Lauerstellung und sprangen dann aufeinander los. Unter wüstem Gekreische rauften sie, bis der weiße Kater murrend davonhinkte.
„Ja, wie Sie sagen“, kommentierte Liz. „Der Graue ist wohl der Chef hier?“
„Sam? Ja, Nick ist selbst schuld, wenn er das nicht akzeptieren kann. Unter Katzen gibt es ganz klare Strukturen.“
Der Frau war nicht beizukommen, die würde es noch als kätzische Überlegenheit verkaufen, wenn sich zwei gegenseitig umbrachten!
„Also muss sich Ihr Bruder um alles kümmern“, griff Andi das Gespräch wieder auf, weil Liz offenbar wegen der Katzen etwas den Faden verloren hatte.
„Aber dieses Haus hier gehört doch Ihnen gemeinsam?“, übernahm Liz wieder.
„Ja doch, warum? Wäre ja auch noch schöner, wenn nicht – schließlich ist es unser Elternhaus!“
„Ich meine nur – warum muss sich Ihr Bruder dann um alles alleine kümmern?“
„Warum nicht? Ich mach hier doch nichts, solange Paula, die faule Kuh, sich um nichts kümmert! Seh ich gar nicht ein.“
Andi seufzte – hatten sie sie jetzt wieder auf dieses Gleis gesetzt? „Die Frage, wer hier was tut oder nicht tut, ist jetzt wohl zweitrangig. Was glauben Sie, wer Ihren Bruder umgebracht hat?“
„Keine Ahnung. Von uns war´s bestimmt keiner, wozu auch. Irgendwelche Junkies… vielleicht hat er seinen Dealer nicht bezahlt oder so was.“
„Der kriegt sein Geld ja auch nicht, wenn er ihn umbringt. Und erschlagen wurde Ihr Bruder schließlich nicht.“
„Mei… ich weiß es auch nicht.“
Andi Reuchlin gab Liz ein Zeichen, die bedankte sich artig und verabschiedete sich.
„Totalausfall“ murrte sie draußen. „Außer, dass die alle tierisch neidisch aufeinander sind, hab ich nichts erfahren. Jetzt die andere Schwester?“
„Versuchen wir´s. Diese Versicherung ist in der MiniCity. Wahrscheinlich regt sich Paula Raben bloß furchtbar auf, dass wir sie vor der Firma blamieren, und weiß auch nichts, aber nachfragen sollten wir schon noch mal.“
Die Union hatte ihre Eingangshalle interessant gestaltet, mit moderner Kunst und Hinweisen auf Vortragsreihen; Reuchlin und Zimmerl sahen sich um, während die Dame am Empfang eruierte, in welcher Abteilung Paula Raben arbeitete.
„Auf jeden Fall nicht in einem Team“, murmelte Andi und merkte sich einen Vortrag vor, der ihn interessierte, „die Frau ist völlig empathiefrei. Der reinste Nerd.“
„Eher Autistin“, vermutete Liz, „wenn deine Beschreibung zutrifft. Ich bin schon gespannt.“
„Hören Sie? Frau von Raben arbeitet in der Analyse – das ist im dritten Stock, Zimmer 304. Dort hinten ist der Aufzug.“
Andi und Liz bedankten sich und fuhren nach oben.
„Dreinullvier“, murmelte Liz, „hier!“
Andi stieß die Tür auf. „Frau von Raben?“
Hinter einer Reihe PCs spähte Paula von Raben hervor. „Ja – ach du Schande, was wollen Sie denn hier?“
„Wir haben noch Fragen. Das können Sie sich doch wohl denken! Können wir uns hier irgendwo in Ruhe unterhalten?“
Sie sah Andi unentschlossen an. „Na, im Moment ist niemand hier… schießen Sie los. Ich möchte nicht, dass meine Kollegen das mitkriegen.“
„Wieso? Sie können doch nichts für Ihre Familie?“, erkundigte sich Liz freundlich-besorgt. Andi überlegte, ob er sich ärgern sollte, dass er immer der böse Cop sein musste – aber eigentlich hatte er damit angefangen, weil er die Raben angeraunzt hatte.
„Na, peinlich sind die schon, ein Junkie, eine Catlady, diese Bruchbude…“
„Wenn Ihnen das so peinlich ist, könnten Sie doch ausziehen? Sie verdienen hier doch bestimmt genug, um sich die Miete einer vernünftigen Wohnung leisten zu können?“
„Klar könnte ich – aber ich habe doch das Recht, dort zu wohnen!“ Sie seufzte. „Die anderen leider auch…“
„Na, einer ist ja jetzt schon weg“, tröstete Liz mit falscher Munterkeit.
„Ja, stimmt… halt, nein, soll das heißen, Sie denken, dass ich -?“
„Weiß man´s?“
„Ich war doch gar nicht da! Ich war in der Arbeit, da können Sie jeden hier fragen!“
Andi sah sich interessiert um. „Jeden? Wen?“
„Sonst sind hier noch zwei Kollegen. Auch Statistiker.“
„Aber wenn die öfter mal nicht da sind, ist dieses Alibi auch nicht so besonders“, kritisierte Andi.
„Gestern waren die aber da.“
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