Im März 2000 kam es zu einer weiteren Auseinandersetzung. Frau M. betrat, nachdem sie die hinter uns wohnende Nachbarin aufgesucht hatte und deren Grundstück wieder verließ, unseren Grundstücksanteil, um zur Straße zu gelangen. Als sie mich sah, kehrte sie um und stellte sich provokant auf unser Grundstück abseits des Durchganges, verschränkte die Arme und begann mich auszulachen. Mit ihrem bösen Blick und einer schrillen Lachattacke provozierte sie eine Reaktion. Ich forderte sie in ruhigem Ton auf, sofort mein Grundstück zu verlassen, womit ich vonseiten der Frau M. nur Spott erntete. Ich wiederholte meine Forderung, sie aber erwiderte, dass es ihr egal sei und sie sich keinesfalls bewegen werde. Daraufhin begann ich, sie mit einem Besenstil aus dem Grundstück zu schieben, wobei sie sich heftig wehrte, indem sie nach mir zu schlagen begann. Dabei traf sie mich am Kinn. Ich musste nun beide Hände benutzen und sie mit Kraft auf die Straße schieben. Dort stehend brüllte und fluchte Frau M. vor sich hin und ging anschließend eilig in ihr Haus. Nur wenige Augenblicke später trat Herr M. heraus, begab sich in seinen Vorgarten und brüllte und lachte dort lautstark vor sich hin. Seine Frau, die ebenfalls wieder heraustrat, lamentierte dabei laut, als ob ihr ein körperlicher Schaden entstanden sei. Mit dieser auch später praktizierten trickreichen Methode, laut über mich oder meine Familie zu sprechen, sollte bei allen nahen Nachbarn der Eindruck erweckt werden, dass Familie M. ein Unrecht geschehen sei. Beide amüsierten sich noch minutenlang, bis sie sich einig wurden, die Tatsache der eigenen Provokation zu verdrehen und eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Das Ermittlungsverfahren wurde später eingestellt, da Frau M. bei einer weiteren Vernehmung der Polizei selbst angab, dass es keinen Anlass gebe, an der Anzeige festzuhalten, da sie nicht grob angefasst worden sei. Ich stellte fest, dass die unsinnige Anschuldigung der Frau M. letztlich nur der Versuch gewesen war, zu provozieren und einen nachbarschaftlichen Kriegsschauplatz zu eröffnen.
Die kurze Einsicht der Nachbarn M. ermunterte mich zu einem nochmaligen Gespräch mit Herrn M. und später auch zu einer Unterredung mit Frau M. Beide zeigten sich aufgrund meines Drängens bereit, einen Neuanfang zu wagen. Frau M. schien dabei ehrlicher in ihren Aussagen und bestätigte zudem, dass die Belästigungen und Beleidigungen gezielte Aktionen gegen uns darstellten.
Herr M. argumentierte hingegen, wie bereits in vorangegangenen Gesprächen, völlig zusammenhanglos und bediente sich wieder eines arroganten und machtvollen Tones, um von Beginn an mögliche Gegenargumente zu unterdrücken.
Trotzdem sahen wir eine gewisse Chance, dem nachbarschaftlichen Unfrieden zu begegnen, und die Hoffnung auf eine normale Nachbarschaft wurde belebt. Auch wenn wir uns zuvor geschworen hatten, niemals wieder mit den Nachbarn irgendwelche Kontakte zu schließen, sahen wir nun den Moment gekommen, endlich eine gewisse Normalität in dieser Nachbarschaft herzustellen, denn die Alternative schien uns wenig attraktiv. Unser Schmusekurs war durch das Nachbarverhalten bedingt, jedoch sahen wir für eine nachhaltige Besserung der nachbarschaftlichen Situation keine andere Möglichkeit.
Von nun an grüßten wir einander wieder normal, wenn wir uns begegneten, auch die Kinder konnten wieder ohne Vorbehalt miteinander spielen. Es waren entspannte Monate, ohne Angst und mit befreiender Unkompliziertheit. Der Schritt auf die Straße oder in unseren Garten wurde nicht mehr neugierig beäugt und von beleidigenden Kommentaren begleitet – ein eindrucksvolles Ergebnis. Wir hielten uns indes noch immer zurück und betraten das Grundstück der Nachbarn, trotz des Werbens der Familie M., nicht.
Ein kurzes Gespräch auf der Straße oder am Gartenzaun kam dagegen zustande. In einem dieser Gespräche fragte mich Frau M. nach unseren Plänen für den Sommerurlaub. Ich erzählte ihr, dass wir ans Meer fahren und dort den Urlaub verbringen würden. Daraufhin fragte sie nach dem konkreten Urlaubsort, den ich ihr ehrlich nannte. Erfreut rief sie sogleich, sie werde dort im Sommer ebenfalls Urlaub machen, ihre Mutter wohne dort und die gesamte Familie M. mache dort gern Urlaub. Ich sah sie verblüfft an und lächelte ihr dann etwas düster zu. Sie ignorierte meinen Blick, übernahm sofort die Initiative und bemerkte, es sei kein Problem, sich dort zu treffen, denn ihr Urlaubsort sei vom unsrigen nicht weit entfernt. Sie bot sogleich ein Treffen auf der Urlaubsinsel an. Ich bejahte ihre Idee freundlich, verabschiedete mich und informierte Stephanie und Maria hierüber.
Die Neuigkeit stieß bei meiner Frau auf wenig Begeisterung, Maria hingegen war voller Freude. Stephanie bemerkte zu Recht, dass sie die Nachbarn nicht wieder zu dicht an sich heranlassen möchte, schon gar nicht nach den Geschehnissen der Vergangenheit und am wenigsten im Urlaub, wo sie eigentlich ihre Ruhe haben wollte. Ich stimmte ihr zu.
Die Sommerferien begannen und wenig später machten wir uns auf den Weg zur See. Unser Hotel, direkt am Strand, aber abseits der quirligen Seebäder gelegen, versprach bei überwiegendem Sonnenschein schöne Urlaubstage. Bei herrlichem Sommerwetter saßen wir eines Nachmittags am Strand, das Meer blieb an diesem Tag besonders ruhig, und wir hofften, dass Familie M. uns vergessen hatte.
Plötzlich hörten wir die unverwechselbare Stimme der Frau M. und sahen von unserem Strandkorb aus am Ufer tatsächlich die Nachbarn näher kommen.
Maria sprang auf und rannte Penny laut rufend entgegen. Na ja, wenigstens eine freut sich, dachte ich und richtete mich mit Stephanie fast zeitgleich auf, um den Besuch zu begrüßen. „Was man nicht alles tut, um später zu Hause weniger Stress zu haben“, flüsterte ich Stephanie leise ins Ohr. Sie nickte.
Wenige Sekunden später stand Familie M. vor uns und begrüßte uns in ihrer lauten und überschwänglichen Art, sodass einige Urlauber in der Nähe ungläubig die Szenerie beobachteten.
Anschließend setzten wir uns nieder und unterhielten uns über unsere Kinder, den Urlaub und unsere Unterkunft. Frau M. betonte dabei immer wieder, wie schön sie untergebracht seien, mit einem Unterton der Kritik an der Lage unseres Hotels. Erst später erfuhr ich, dass ihre Unterkunft das Haus ihrer Mutter war, inmitten trister Plattenbauten. Wir nahmen die Meinung lächelnd hin und versuchten, die Unterhaltung auf die spielenden Kinder am Strand zu lenken. Herr M. übte sich, wie gewohnt, in leeren Phrasen und begab sich wieder in seine eigene Gedankenwelt.
Frau M. hatte zu unserem Erstaunen vorgesorgt und der Temperatur entsprechend einen Vorrat an Getränken mitgebracht. Beim Auspacken hielt sie statt Mineralwasser jedoch mehrere Flaschen Bier in den Händen, öffnete diese und trank eine Flasche nach der anderen in der Nachmittagshitze. Insbesondere Stephanie war dies sehr peinlich, denn der Auftritt der Frau M. blieb auch den Strandkorbnachbarn nicht verborgen, die uns kritisch beäugten. Bereits in der ersten Stunde gelangten zwei Bier in die Leber der Frau M. Ihr Gesicht war leicht gerötet. Herr M. gab zu jedem Diskussionspunkt seine typischen Kommentare ab, die lustig wirken sollten, stattdessen aber eher seine wirren Gedanken offenbarten.
Etwas später schlug meine Frau vor, die Kinder aus der Sonne zu holen und in Richtung unseres Hotelzimmers zu gehen. Auch wurde es Zeit, die Nachbarn M. vom Strand wegzulocken, denn wir wollten dort mit unserem Besuch nicht länger auffallen.
In unserem Hotelzimmer angekommen inspizierten die Besucher unsere Unterkunft, dabei durften Bemerkungen nicht fehlen, dass sie dies alles schon besser gesehen hätten. Um weiteren Äußerungen zu entkommen, unterbreiteten wir den Vorschlag, auf die Hofterrasse des Hotels zu gehen, da heute Livemusik gespielt werde und dabei ein gemütliches Zusammensein bei einem Glas Wein möglich sei. Das Angebot wurde gern angenommen.
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