Der gleiche Menschentypus wie Alexis Sorbas , der frei und lustvoll lebt, wird in dem Film „Sonntags nie“, in der weiblichen Entsprechung als Prostituierte dargestellt, so als gäbe es nur die Wahl für eine Frau eine „Hure“ oder eine „Heilige“ zu sein.
Tatsächlich gibt es unzählige Filme, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, wie der französische Film mit dem Titel „Die Mama und die Hure“, der amerikanische Film mit Sophia Loren „ Es begann in Neapel“, der Film „Irma la douce“ usw. usw.
Es geht in diesen Filmen immer um festgelegte Frauenrollen, die entweder einseitig oder tragisch konfliktreich, nämlich zwischen der Welt der Lust und der Welt der Moral stehen, erscheinen.
Diese Beispiele sollen zeigen, dass der Konflikt zwischen Moral und Lust, zischen Sexualtrieb und Kultur, wie Freud es nennt, immer vorhanden ist, ganz gleich, ob eine bewusste religiöse Weltanschauung hinzukommt oder nicht. Diese verstärkt den Konflikt zwischen Körper und Geist allerdings noch.
Sexualität in Form von Prostitution zu erfahren, auch wenn diese aus einer materiellen Not heraus gelebt wird, ist allerdings eine Verblendung. Die junge Frau in dem Märchen „Die verblendete Seherin“ wird allerdings für einen kurzen Moment zu einer tatsächlichen Seherin, nämlich als sie dies erkennt und anfängt zu weinen und sich zu schämen. Diese Scham besteht nicht darin gegen irgendwelche Moralvorstellungen verstoßen zu haben, sondern vielmehr darin sich schuldig an der nicht wahrhaftig gelebten Liebe gemacht zu haben, damit ist vor allem die Selbstliebe gemeint. Das geschieht auf einer unbewussten Ebene.
Daher bleibt eine tiefe Sehnsucht nach der wirklichen Liebe bestehen, nach der Urheimat, die auf der Ebene von Prostitution und von Askese und Abgeschiedenheit nicht zu finden ist.
Es geht also darum, die tatsächliche Lebensqualität von unterschiedlichen Lebensformen dahingehend zu erkennen und zu verstehen, dass die Abspaltung von z. B. Sexualität, Kindergebären auf der einen Seite und Spiritualität auf der anderen Seite problematisch ist und dass es allerdings eine seelische Weiterentwicklung bedeutet, sich dies anzusehen.
Würde Sexualität als etwas Heiliges im Sinne von Ganz-Sein verstanden, dann dürfte es keine Kindsmorde mehr geben.
Der männliche Seelenanteil zwischen der lustvoll-sinnlichen und der geistig/geistlichen Welt
Das folgende Märchen zeigt nun die Schwierigkeit des Mannes, des männlichen Seelenanteils in uns, sich entscheiden zu müssen zwischen sinnlicher Welt und geistig-geistlicher Welt.
Es war einmal ein junger Mann, der verließ sein Elternhaus, obwohl er es nicht wirklich verlassen konnte. Schwerlich konnte er seinen Weg finden.Es begegneten ihm Frauen, Männer, Kinder. Zunächst schien er die Frauen zu lieben und genoss ihren Duft, ihre Körper. Und dann begehrte er Männer, junge schöne Männer, und er wusste nicht, ob er mit einer Frau, die das Andere verkörperte zusammen sein sollte oder ob er lieber mit einem Mann leben wollte, der ihm gleich war. Da er sich nicht entscheiden konnte, zog er eines Tages seiner Wege, ließ alles, was sein bisheriges Leben ausgemacht hatte, zurück, obwohl er es nicht wirklich lassen konnte. Er zog durch die Lande, bis er schließlich eines Abends an einen Brunnen kam, vor dem zwei goldene Schlüssel lagen.Als der junge Mann diese aufheben wollte, erschien ein hoher Geistlicher und sagte: „Wenn du nun diese Schlüssel entdeckt und dich nach ihnen gebückt hast, um sie aufzuheben, dann darfst du in dieses Kloster eintreten und kannst ein Mönch sein…Und wenn du 7 Jahre lang asketisch gelebt hast, morgens in der Früh jeden Tag gebetet, mittags Choräle gesungen und abends wieder gebetet und die Heiligen Schriften gelesen hast, dann wirst du eines bestimmten Tages selbst ein hoher Geistlicher sein!“Der junge Mann war neugierig, trat in das Kloster ein, verbrachte die sieben Jahre dort, wie der hohe Geistliche es ihm gesagt hatte. Er folgt allen Anordnungen, die ihm aufgetragen wurden. Es gefiel ihm, dass er von nun an meinte zu wissen, wo er hingehöre. Es erleichterte ihn, dass er sich nicht zwischen Mann und Frau entscheiden musste. Er lebte nach festen Regeln.Als er nach sieben Jahren nun selbst eine hoher Geistlicher geworden war und er eines Tages zwei Männer in die Weihen des Klosters einführte, spürte er immer noch ein leises Verlangen, sich zu entscheiden, für den einen oder für den anderen oder für ein anderes Leben. Auch quälten ihn Gedanken, die er sich hin und wieder um seine Eltern machte. Jedoch besann er sich auf die vielen Rituale und Zeremonien im Kloster und hielt sich an die Klosterverordnungen. So meinte er nun Gott gefunden zu haben.
Vergleichen wir die beiden Märchen miteinander, so können wir feststellen, dass die Lebenswege der beiden Protagonisten in zeitlich umgekehrter Weise verlaufen.
So ist die junge Frau in dem Märchen „ Die verblendete Seherin“ zu Beginn ihre Lebens vertraut mit der Spiritualität, aber sie weiß um das Geistig-Geistliche Potential, allerdings nur in reduzierter Form. Deshalb ist sie neugierig auf etwas anderes, auf das sinnliche Leben und sie kann sich nicht entscheiden und weiß nicht, wo sie hingehört. Sie kann beide Welten nicht miteinander verbinden.
Der junge Mann in dem Märchen „Der zweifelnde Mönch“ lebt zunächst seine Sinnlichkeit aus, um dann den Weg zur Spiritualität zu finden, doch er bleibt letztendlich ein zweifelnder, der ebenfalls Spiritualität und die materielle, sinnliche Welt als getrennt ansieht.
In diesem Märchen geht es um den männlichen Seelenanteil. Der junge Mann verlässt hier sein Elternhaus, das immerhin erwähnt wird im Gegensatz zu dem der jungen Frau im Märchen „Die verblendete Seherin“.
Sie hat gar keinen Bezug mehr zu ihrem Elternhaus oder zu ihrer Herkunft an sich, was eine Bodenständigkeit vermissen lässt und so zu Unachtsamkeit dem eigenen Leben gegenüber führt und Verirrung und Verblendung mit sich bringt.
Sich auf den Weg zu machen nach der Urheimat, heißt vor allem auch nach unserer Kindheit zu fragen, auch wenn wir diese und gerade weil wir diese überwinden müssen.
Der junge Mann scheint es zu nächst einfacher zu haben als die „verblendete Seherin“, er kann seine Sexualität frei ausleben, er ist auf der Suche nach dem Etwas, nach Sexualität, nach Praktiken, nach Zuwendung, nach dem Kick… Wir erfahren nichts über irgendwelche Reglementierungen, auch nicht über Moralvorstellungen und Grenzen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es schwierig für ihn ist, sich für eine Partnerin oder auch für einen Partner zu entscheiden. Er ist bisexuell und vielleicht auch pädophil. Weil er sich nicht entscheiden kann, weiß er letztendlich auch nicht, wo er hingehört. Er sucht und sucht und schließlich findet er zwei goldene Schlüssel. Dieser Fund ermöglicht ihm Eintritt in ein anderes Leben. Es ist deshalb für ihn möglich mit Hilfe dieser Schlüssel etwas Neues in seinem Leben zu finden, weil er sein vorheriges Leben losgelassen hat, er hat sich verabschiedet, es war unerfüllt und so wurde er auf diese Weise offen für etwas Anderes, sonst hätte er die Schlüssel nicht finden können. Ein hoher Geistlicher zeigt ihm die Möglichkeit auf, als Mönch in einem Kloster zu leben und selbst ein hoher Geistlicher zu werden. Der „hohe Geistliche“ steht in dem Märchen für unsere Spiritualität. Jedoch ist diese noch nicht frei entfaltet, sondern an strenge Regeln und Rituale gebunden. Der junge Mann schafft es tatsächlich ein hoher Geistlicher zu werden und so meint er, er habe seinen Platz gefunden. Tatsächlich aber sehnt er sich nach seinen Eltern, nach dem Leben außerhalb des Klosters, mach seiner sexuellen Identität, die der junge Mann noch nicht gefunden hat. Jedoch nur die strengen Rituale und Regeln, die festen Normen lassen ihn dort bleiben und dort leben, aber wirklich angekommen in seiner Urheimat ist er nicht.
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