„Ich werde mich bemühen!“ Saskia klang entschlossen, was den beiden Brüdern ein kurzes Lachen entlockte.
„Glaub mir,“ meinte Kiran, „selbst wenn du es drauf anlegst ist nicht einmal ein wachsen in die Breite noch möglich. Dein Körper ist einfach nicht mehr in der Lage dazu sich zu verändern.“
Das Mädchen blickte ihn schmollend an „Ich versuche es trotzdem!“
Er zuckte mit den Schultern „Wie du meinst, aber wir sollten nun losgehen. Und später versuchen wir noch schnell dir ein paar neue Klamotten zu besorgen, viel Zeit bleibt nur leider nicht dafür, da wir vor Sonnenaufgang wieder zuhause sein müssen.“
„Warum?“
Kiran stieß einen Seufzer aus, was Alister erneut zum Lachen brachte „Weil die Sonne dich umbringen kann und wenn sie das nicht tut, wird es zumindest sehr schmerzhaft.“
„Ach so.“
Gemeinsam machten sich auf den Weg in die Nacht. Saskia versuchte die ganzen Geräusche zuzuordnen und ihre Sinne für die Umgebung zu schärfen, auch wenn es ihr nicht einmal annähernd gelang, wie sie feststellen musste, als Kiran und Alister stehen blieben und lauschten. Sie versuchte es ebenfalls, konnte aber nicht herausfiltern, was die beiden dazu bewegt hatte anzuhalten.
„Willst du den Anfang machen, Alister?“ fragte sein Bruder leise.
Er zuckte mit den Schultern und schlenderte langsam die Straße entlang, während Kiran die Kleine in eine kleine Seitengasse zog und sie gemeinsam sein Vorgehen beobachteten. Es war nichts ungewöhnliches an ihm. Er bewegte sich geschmeidig und leise, wirkte dabei aber nicht wie ein Raubtier, sondern einfach nur selbstbewusst und trainiert. Die angestrebte Beute war eine Frau mittleren Alters, weder besonders hübsch noch hässlich. Vielleicht die Mutter einer Familie, die schnell durch die Straße auf sie zu eilte und beinahe Mühe hatte, die schwere Tasche die sie trug ordentlich festzuhalten, sie drohte ihr aus der Hand zu rutschen. Alister tat hingegen völlig gedankenverloren und hielt dabei genau auf die Frau zu um ihr genau im richtigen Moment die Tasche mit einem Rempler aus der Hand zu reißen. Er tat erschrocken und erklärte ihr mehrfach, wie leid es ihm täte, während er sich daran machte, ihren Einkauf aufzusammeln.
Als sich ihre Blicke trafen murmelte er „Still!“ und ließ ein wenig Macht in diese Worte fließen, wodurch die Frau sofort erstarrte, der Apfel, den sie gerade aufgehoben hatte, rutschte ihr wieder aus der Hand, Alister fing ihn auf, bevor er wieder auf dem Boden aufschlug.
Er sammelte alles wieder zusammen und stellte die Tasche neben ihr ab, bevor er sich wieder ihr zu wandte. Er sog ihren Geruch in die Nase. Ihr Herzschlag hatte sich aufgrund der Angst verschnellert.
„Schließ die Augen!“ Der Verstand der Dame unterlag seinem vollständig, so dass sie sich nicht wehren konnte.
Behutsam führte er sie in eine dunkle Ecke, ehe seine Zähne langsam zu kribbeln begannen und sich schärften, stimuliert durch das pochen ihrer Adern. Beinahe zärtlich, wie einen Kuss, drangen seine nadelspitzen Eckzähne in ihre Halsschlagader ein. Er achtete sehr darauf nicht mehr zu nehmen, als ihr Körper vertragen konnte. Dafür lauschte er nach ihrem Herzschlag, der ein sehr gutes Indiz dafür war.
Er leckte die letzten Tropfen ab, die aus den kleinen Wunden drangen und flüsterte ihr zu „Nun geh nach Haus und vergiss, was geschehen ist.“
Mit seinem Blick folgte er ihr noch eine Weile, wie sie ihre Tasche aufhob und ein wenig steifbeinig weiter in Richtung ihres Zuhauses strebte. Kiran hob die geistige Verbindung mit Saskia wieder auf.
„Hast du alles mitbekommen?“ Sie nickte. „Meinst du, du bist in der Lage, es selbst einmal zu probieren?“
„Ich... ich denke nicht, es war alles so kompliziert.“
„Ich denke, du wirst es schaffen. Aber wir brauchen jemand geeignetes.“
Alister stand plötzlich wieder neben ihnen und deutete in eine Straße, die auf der anderen Straßenseite von ihrem derzeitigen Aufenthaltsort abging „Ich tippe auf einen jungen Mann.“
„Ich höre es.“ Kiran bedeutete Saskia ihm zu folgen und gemeinsam liefen sie in Richtung des Mannes.
Als sie in die Nähe kamen blieb Alister zurück und sah ihnen zu. Er hatte sie noch nicht bemerkt.
Kiran blieb vor dem Mann stehen „Entschuldigung?“ der Sitzende hob den Kopf und blickte ihn an.
Seine Augen waren gerötet, aber auch ohne ein Wort zu sagen unterwarf Kiran ihn seinem Willen und die Augen des Mannes wurden glasig, dann setzte er sich neben ihn und hob Saskia auf seinen Schoß.
„Riechst du das?“ flüsterte er.
Das Mädchen saß ganz fasziniert da und beobachtete wie er den Arm des Mannes nahm und ihr hinhielt. Sie sah das langsame pulsieren, hörte das Rauschen des Blutes in den Adern und den lauten Herzschlag. Ihre Eckzähne kribbelten, wurden spitzer. So spitz, dass sie ihre eigene Zunge ritzte, als sie mit dieser ihre Zähne prüfen wollte. Kiran hielt ihr immer noch den Arm hin. Tief sog sie seinen Geruch ein. Er kam ihr nicht mehr menschlich sondern appetitlich vor. Ein herber Unterton, gemischt mit einer Schwere, die an Wein erinnerte. Vorsichtig ließ sie die Spitzen ihrer Zähne durch seine Haut und sein Fleisch in die Adern dringen. Beinahe sofort spürte sie seinen Lebenssaft auf ihrer Zunge. Süß aber weniger blumig und fruchtig. Der ganze Geschmack kam ihr voller vor.
Sie genoss das Trinken, ehe Kiran sie langsam weg zog. „Es ist genug. Hör auf sein Herz, wenn du mehr nimmst, könntest du ihm Schaden zufügen.“
Sie lauschte und tatsächlich hatte sich sein Herzschlag und ein klein wenig verändert.
„Achte immer darauf, sonst könnte es zu ernsthaften Problemen kommen.“ dann flüsterte er dem Mann zu „Dies hier ist nie geschehen.“ nahm Saskia bei der Hand und kehrte zu seinem Bruder zurück.
„Du musst auch noch was trinken.“ meinte Alister.
Sein Bruder schaute in die Ferne und schien etwas abwesend.
„Kiran?“ Saskias Stimme drang zu ihm durch und er kehrte zu ihnen zurück.
„Kannst du dich bitte auf deine Aufgabe konzentrieren?“ Alister klang vorwurfsvoll.
„Hmm...“ er warf einen Blick auf das Mädchen „Bringst du sie bitte zu Sophie?“ bevor sein Bruder antworten konnte, war er auch schon verschwunden.
„Du warst doch heute schon bei ihr...“ murmelte Alister leise, und spürte Saskias fragenden Blick „Es hat schon seine Gründe, warum er mächtiger ist, als ich. Aber das muss er dir selber erklären und ich bin mir sicher, dass das tun wird... oder aber er vermasselt es und du erlebst es selber.“
Kiran rannte über die Dächer. Mit wenigen Sätzen hatte er sich hochkatapultiert und eilte nun, ohne ein Geräusch zu verursachen, in luftiger Höhe dahin. Er hoffte sehr, sich heute beherrschen zu können, doch umso aufgewühlter er war, umso schwerer fiel es ihm, und nicht selten konnte er den Tod seiner Beute nicht verhindern. Aber er wollte, dass Saskia den richtigen Weg lernte, sie musste beigebracht bekommen, sich unter Kontrolle zu behalten, auch wenn es alles andere als einfach war, denn er musste ihr etwas beizubringen, das er selber nicht wirklich konnte.
In der Nähe eines Parks sprang er vom Dach und landete, ohne einen Laut zu verursachen am Vorgarten eines kleinen Einfamilienhauses. Er lauschte, in der Nähe hatte er einen leisen Herzschlag vernommen, beinahe übertönt von dem Rauschen eines Brunnens. Vorsichtig huschte er zwischen die Bäume. Und je näher er dem Herzschlag kam, umso dominanter wurde das Rauschen.
Ein junger Mann saß auf dem Rand des Brunnens und schien auf jemanden zu warten. Kiran beobachtete ihn zwischen den Bäumen hervor. Er sog Luft ein und der Duft seines Blutes drang an die Nase des Vampirs. Mit einem Sprung landete er leise hinter dem Mann und flüsterte ihm ins Ohr „Bleib ruhig.“ Das Opfer erstarrte und die Augen wurden leicht glasig, das erwartungsvolle Lächeln auf seinen Lippen erstarrte. Kirans Zähne pressten sich wie von selbst gegen die Halsschlagader und er versank im Blut.
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