„Es t...“ weiter kam er nicht.
Kiran schlug seine Hand zur Seite „Verschwinde einfach, Alister!“zischte er gefährlich leise „Und Reue brauchst du schon gar nicht heucheln. Du bedauerst ihre Anwesenheit nicht im Mindesten!“
Er hasste diese Fähigkeit von ihm, aber so blieb ihm nichts Anderes übrig, als zu seinem Stuhl zurückzukehren. Abwesend nippte er an seinem Glas und pulte die Splitter heraus, die in sein Fleisch gedrungen waren. Sein Arm tat immer noch weh und Alister wusste, das würde er noch eine ganze Weile, da er nicht viel frisches Blut getrunken hatte, was der Heilung nicht besonders zuträglich war. Auf einmal flitzte Saskia an ihm vorbei und umarmte Kiran. Sie ging ihm etwa bis zum Bauchnabel. Schmerz und Wut mussten so stark sein, dass sie davon aufgewacht war und dafür mussten in diese Richtung extreme Gefühle vorhanden sein. Rasch trank er sein Glas leer und ging in sein Zimmer. Etwas anderes blieb ihm derzeit auch nicht übrig, raus konnte er schließlich nicht. Sein Bruder würde sich schon wieder beruhigen, die Frage war nur, wie lange das dauern würde. Fluchend stellte er fest, dass sein gesamtes Bett nach Abigail roch, was das anhaltende Kribbeln in seinen Zähnen wieder stärker werden ließ. Aus irgend einem Grund schmerzte ihn ihre Abwesenheit gerade und er fühlte sich einsam, wie schon lange nicht mehr.
Kiran stand immer noch in der Küche und hielt Saskia im Arm. Wie konnte sein Bruder nur solch eine Dummheit begehen? Die Schönheit dieses Werwolfs schien seine Sinne vollkommen zu vernebeln. Eine Schönheit, die selbst Kiran nicht abstreiten konnte, aber er verlor deswegen nicht völlig den Verstand. Ihm tat es nicht leid, Alister den Arm gebrochen zu haben, der würde am Abend schon wieder in Ordnung sein und wenn nicht, spätestens, wenn er was getrunken hatte. Er wusste aber, dass seinem Bruder die ganze Situation, in die er sie gebracht hatte durchaus leid tat, auch wenn er es nicht vollständig hatte aussprechen können weil er von ihm angefahren worden war. Der Vorwurf allerdings, hatte durchaus seine Richtigkeit, denn dazu hatte sein Zwilling den Sex mit diesem Hund zu sehr genossen. Gedankenverloren strich er Saskia über die Haare und versuchte sie zu beruhigen. Die arme Kleine war völlig aufgewühlt. Es half nur gerade nicht viel, da seine Wut weiterhin lichterloh brannte.
„Komm Saskia, du musst wieder ins Bett.“ er hob das Kind hoch, das protestierend den Kopf schüttelte. „Nicht nein, du kannst meinetwegen nicht den ganzen Tag auf bleiben.“
Sie klammerte sich fest an ihn, während er sie in ihr Zimmer zurück trug und auf ihr Bett setzte. Unwillig legte sie sich wieder hin, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder einschlief, das allerdings nur, weil Kiran mit der Zeit ruhiger wurde. Und auch nachdem sie eingeschlafen war blieb er noch eine ganze Weile sitzen und beobachtete sie, ehe er in sein eigenes Zimmer ging.
Er schlief nicht besonders tief und unruhig. Die kurzen Schlafphasen wurden von äußerst blutigen Träumen beherrscht, Ausdruck seiner Wut. Alisters Handy weckte ihn sehr früh. Die Sonne war gerade erst hinterm Horizont verschwunden. Der Kerl hatte einen Schlaf. Den Gedanken ihn zu wecken verwarf er jedoch wieder. Saskia war schon wach, sie lief unruhig in ihrem Zimmer umher. Selbst eine kalte Dusche beruhigte ihn jedoch nicht. Noch immer schwelte die Wut in ihm. Danach zog er sich an, holte Saskia aus ihrem Zimmer, die bereits angezogen auf ihn wartete, und verließ mit ihr die Wohnung. Auf dem Weg zu seinem Motorrad kam ihnen Abigail entgegen. Sie verschluckte ihren Gruß, als sie seinen Blick sah und seine Wut roch. Allerdings blickte sie ihnen noch eine ganze Weile nach, bevor sie das Haus betrat. Alisters Bruder sah ihm wirklich zum verwechseln ähnlich. Die Tür zur Wohnung stand bereits offen und er wartete in der Küche auf sie.
„Ich habe Kerzen mitgebracht... darf ich?“
„Bitte.“ er deutete auf den Tisch, dachte aber nicht daran, dass sie es so gar nicht sehen konnte.
Ein Streichholz flammte auf und Sekunden später brannte eine Kerze auf dem Küchentisch. Alister stellte schnell einen Teller drunter und sah sie an. Glas knirschte unter ihren Füßen, als sie näher kam. Nun konnte sie auch das Blut sehen, was ihr zuvor schon in die Nase gestiegen war. Einige getrocknete Tropfen klebten noch an seinem rechten Arm. Auf dem Boden und an den Schränken waren ein paar Spritzer.
„Alles in Ordnung?“ fragte sie, er sah überhaupt nicht gut aus.
Seine Haut schimmerte weiß und seine Augen waren rot unterlaufen. Er schüttelte den Kopf und seufzte, sagte aber nichts. Ihre Augen folgten ihm und erst nach einer ganzen Weile fiel ihr auf, dass er seinen rechten Arm nicht bewegte.
Auf ihren fragenden Blick meinte er nur „Gebrochen.“
Sie schlug die Augen nieder „Oh...“
„Mach dir keine Sorgen, ist nur halb so schlimm. Wenn ich was getrunken habe, wird es schnell wieder heilen.“ als er ihr leises Knurren hörte meinte er „Bleib ruhig, du darfst Kiran nicht böse sein, er macht sich nur Sorgen. Leider reagiert er manchmal etwas über.“
„Kiran?“
„Mein Bruder.“ Er holte ihr ein Glas Wasser „Und ehrlich gesagt mache ich mir derzeit große Sorgen um ihn. So wie er momentan drauf ist, endet das für gewöhnlich in einem Blutbad.“
Alister starrte zur Decke, zum leeren Lampenschirm, der über dem Küchentisch hing.
„Hat er öfters solche Probleme?“
„Nein, normalerweise hält es sich in Grenzen. Hier und da mal eine Leiche aber im Großen und Ganzen bemüht er sich und rastet nicht so aus. Aber momentan steht er etwas neben sich... Erst Saskia und nun du...“
„Was meinst du damit?“
„Die Tatsache, dass du hier sitzt ist alles andere als normal, so viel ist ja klar. Und Saskia... Nun, ihre Verwandlung war weder geplant noch wirklich freiwillig. Er hat sie getötet, das habe ich gesehen, aber er hat ihr kein Blut gegeben. Und trotzdem ist sie plötzlich bei uns auf dem Sofa aufgetaucht.“
„Und jetzt quält ihn die Frage, wo sie herkommt...“
„Natürlich, dazu kommt die starke emotionale Bindung, die wir zu unseren Kindern haben. Er macht sich also große Sorgen, wegen der ganzen Situation mit der Kleinen und ich bringe einen Werwolf mit nach Hause. Wundert es da wirklich, dass er ausrastet?“
„Nein, aber ich glaube wir sollten dir erstmal was zu essen besorgen, mir gefällt gar nicht, wie du aussiehst und danach kümmern wir uns um alles andere.“ bestimmend griff sie seine Hand, eine Berührung die ein Feuerwerk auf seiner Haut entfachte.
Er konnte nicht anders, als ihr zu folgen pustete im Vorbeigehen aber noch die Kerze aus.
Kiran stoppte sein Motorrad. Saskia hüpfte hinter ihm auf den Boden und folgte ihm die belebte Straße entlang. Es war seltsam, so viele Menschen. Die Gerüche waren überwältigend und jeder Herzschlag schien sie zu locken. Sie wichen vor Kiran zurück, wie ihr auffiel, während sie hinter ihm her stolperte. Eine Gruppe Halbstarker, sechs Jungen, kamen ihnen entgegen, benahmen sich als würde die Straße ihnen gehören, pöbelten einige Leute an und blieben dann vor ihnen stehen, versperrten ihnen den Weg. Der Vampir blickte auf.
„Ihr wollt euch mir in den Weg stellen?“ seine Stimme klang gefährlich.
Saskia bemerkte, dass alle Leute in der näheren Umgebung auf einmal abwesend wirkten und weder sie noch die Rowdys zu sehen schienen.
„Das ist unsere Straße und du bist im Weg, verpiss dich, Alter.“ sie hatten nicht mitbekommen, dass die Menschen um sie herum einen engen Kreis gebildet hatten.
Zwar sah keiner sie an, aber ein Entkommen gab es für die Jungs nicht mehr. Eine solche Fähigkeit der Massenkontrolle war beeindruckend und beängstigend zugleich. Kiran bewegte sich schnell und stand im Bruchteil einer Sekunde vor dem Anführer der Gruppe.
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