„Ich glaube ich sollte kurz mit ihm reden.“ Mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung stand Alister auf und zog sich wieder an.
„Bringst du mir was zu trinken?“
„Mach ich, warte du bitte eben hier.“
Sie nickte und er ließ sie in seinem Zimmer alleine. Ohne sagen zu können warum, vertraute sie ihm. Während ihres Beisammenseins war er ihr zu keiner Sekunde feindselig vorgekommen, eher besorgt und vorsichtig. Nur langsam realisierte sie, was sie gerade getan hatte. Sie hatte mit einem Vampir geschlafen, etwas das ihr am Morgen noch nicht einmal im Traum eingefallen wäre, doch nun lag sie hier, in seinem Bett und musste mit einem Mal grinsen. So guten Sex hatte sie noch nie gehabt und wenn sie seine Worte richtig deutete, war sie jetzt mit ihm zusammen, was hieße, dass sie noch mehr davon bekommen konnte, mehr von ihm. Bei diesen Gedanken schlug ihr Herz wieder schneller. Dieser Vampir hatte Gefühle in ihr ausgelöst, die sie so stark noch nie empfunden hatte und die weit über bloße Begierde hinweg gingen.
Alisters Zähne kribbelten immer noch leicht. Aus irgend einem Grund hatte das durch den Sex nicht vollständig nachgelassen. Kiran wartete in der Küche auf ihn. Zwei volle Gläser standen vor ihm, von denen er eines seinem Bruder zuschob, als dieser den Raum betrat. Saskia war nicht zu sehen, vermutlich lag sie schon im Bett.
„Was soll das?“ er deutete mit seinem Glas in Richtung Alisters Zimmer und nahm dann einen Schluck Blut.
„Was meinst du?“
„Du weißt, dass ich den Werwolf in deinem Zimmer meine.“ er klang abfällig.
„Es ist doch meine Sache, wen ich mit nach Hause bringe.“
„Ja, solange du niemanden hier in Gefahr bringst!“
„Und du glaubst ernsthaft, dass von ihr eine Gefahr ausgeht?“
„Natürlich, es ist ein Werwolf! Von denen kann gar nichts Gutes kommen.“
„Hey, so schlimm bin ich nun auch wieder nicht!“
Abigail stand in der Küchentür. Sie hatte sich nur in eine Decke gehüllt, die es jedoch nicht schaffte, sie vollständig zu bedecken. Das Glas, das Kiran in der Hand gehalten hatte, zersplitterte mit lautem Klirren auf dem Boden, Blut spritzte über die Fliesen und die Werwolfdame zuckte erschrocken zusammen, während Alister sich das Lachen nicht mehr verkneifen konnte, als er den Blick seines Bruders sah.
„Jetzt weiß ich wenigstens, wieso du unser aller Leben in Gefahr bringst!“ knurrte er und stand gereizt auf um sich ein neues Glas aus dem Schrank zu holen.
Sich nur langsam beruhigend, ging Alister zu Abigail und nahm behutsam ihren Arm um zu einem der Stühle zu führen, dabei achtete er darauf, dass sie in keine der Glasscherben trat.
„Ich habe dich doch gebeten, in meinem Zimmer zu warten.“
„Ich weiß, aber ich wollte deinen Bruder kennen lernen, er klingt genau wie du.“
Dieses Mal musste Kiran lachen „Du hast es ihr nicht gesagt?“
„Was gesagt?“ das Fragezeichen stand ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben und Alister seufzte
„Wir sind Zwillinge.“ dann wandte er sich ab um ihr das versprochene Wasser zu holen.
„Oh, nun hast du mich neugierig gemacht.“
Von Kiran kam ein Schnauben „Auf was? Ob du uns auseinander halten kannst, wenn du uns nebeneinander siehst?“
Sein Bruder stellte kopfschüttelnd das Wasserglas auf den Tisch und führte die Hand des jungen Werwolfs hin „Hast du etwa Angst, dass sie uns verwechselt?“
Der Blick mit dem er sie musterte war eiskalt „Vielleicht auch die Hoffnung, dann hätte ich einen Grund mehr sie umzubringen.“
Abigail musste trocken schlucken, so hatte sie sich diese Begegnung sicher nicht vorgestellt.
„Als würdest du dafür mehr als einen Grund brauchen.“
„Stimmt.“
Bevor Alister reagieren konnte, stand Kiran hinter ihr, zog Abigail, die einen erschrockenen Schrei ausstieß, grob vom Stuhl hoch, hielt sie mit dem rechten Arm fest und allein mit seinem linken Daumen drehte er ihren Kopf soweit zur Seite, dass die Knochen in ihrem Nacken knirschten.
„Bitte, lass sie los.“ stöhnte Alister genervt.
Sein Bruder zögerte, dann zischte er ihr ins Ohr „Sieh es als Warnung! Ich bin stärker als du und es wäre mir eine Freude, es zu beenden!“ bevor er sie unsanft zu Boden stieß.
Sofort war Alister bei ihr und zog die Decke heran, die auf dem Stuhl zurück geblieben war. Schaudernd bemühte sie sich, ihren Körper wieder zu verhüllen.
„Ist er eigentlich immer so?“ fragte sie mit leiser Stimme.
Er schaute zu Kiran, der sich wieder mit seinem Glas an die Arbeitsfläche gelehnt hatte und ihnen mit kaltem Blick zusah „Kommt ganz darauf an, was du meinst...“
„So gereizt...“ meinte sie und setzte sich auf.
„Nur, wenn mein Bruder auf die Idee kommt, hier ein Haustier anzuschleppen.“
Alister verdrehte die Augen „Mache ich ja auch jedes Wochenende. Ich wäre dir trotzdem sehr dankbar, wenn du ein wenig freundlicher zu ihr wärst.“
„Warum sollte ich? Sie ist nur ein kleiner, unwissender Hund, der mit dem Feuer spielt.“
Seufzend half Alister ihr auf „Ich glaube, es wäre besser, wenn du erst einmal gehst... sonst beruhigt er sich nie.“
Sie nickte und ließ sich dann von ihm in sein Zimmer zurück führen, damit sie sich wieder ankleiden konnte. Kiran folgt ihnen mit seinem Blick.
An der Tür zögerte sie kurz „Wann sehe ich dich wieder?“
„Du kannst gerne heute Abend wieder vorbei kommen, bis dahin ist er hoffentlich wieder etwas ruhiger und wenn nicht, hänge ich zumindest nicht mehr hier drinnen fest.“
„In Ordnung.“ flüsterte sie leise und gab ihm einen langen Kuss auf die Lippen, bevor sie sich zum Gehen wandte „Bis heute Abend.“ dann fiel die Tür leise hinter ihr ins Schloss.
Alister stieß die Luft wieder aus, die er angehalten hatte. Diese Frau machte ihn schwach und Kiran hatte schon recht, wenn er versuchte ihn zu beschützen, auch wenn er selber der Meinung war, dass sein Zwilling übertrieb. Aber nun waren sie vorerst wieder alleine und er brauchte Blut, also ging er zu seinem Bruder in die Küche zurück, setzte sich und griff nach dem Glas, das schon die ganze Zeit für ihn bereit stand. Kein frisches Blut, doch besser als nichts.
„Du kannst wirklich stolz auf dich sein.“
Fragend blickte er seinen Zwilling an.
„Du hast einen Hund dazu gebracht, sich Hals über Kopf in dich zu verlieben. Ich hoffe, dir ist bewusst, was das bedeutet!“
„Blut und Sex für mich, während du leer ausgehst?“
Kiran schnaubte gereizt „Du weißt genau, dass ich das nicht meinte!“
„Du meinst ihr Rudel...“
Er zuckte zur Antwort nur mit den Schultern.
„Wie lief es eigentlich mit Saskia?“ versuchte Alister das Thema zu wechseln.
„Es ging. Ich merke, wie es sie schmerzt, dass sie uns nicht helfen kann.“ er klang beinahe ein wenig nachdenklich „Aber sie bemüht sich und schweigt.“
„Meinst du, es ist der richtige Weg? Wir können schließlich nicht immer für sie da sein.“
„Und sowas von dir? – Ach ja, du meinst ja momentan auch, dass es richtig wäre, einen Werwolf in unser Versteck zu bringen!“ knurrte er verächtlich und warf sein Glas nach seinem Bruder, der nicht schnell genug war um auszuweichen.
Nicht nur das Glas zerbrach. Vor Schmerz und Schreck schrie Alister auf. Ihm war nicht aufgefallen um wie vieles stärker Kiran in den letzten Jahren geworden war. Sein Arm heilte schon wieder, schmerzte aber höllisch. So wütend hatte er seinen Bruder selten erlebt und noch seltener richtete sich diese Wut gegen ihn selber. Saskia, der Einbruch und dann kam er auch noch mit einem Werwolf an. Dass ihm das zu viel war, war nicht unbedingt verwunderlich. Seufzend erhob er sich und ging zu ihm, wollte ihm die Hand auf den Arm legen.
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