Mund Körbe voll goldener Kostbarkeiten, über die
dann seine Gäste wie toll herfielen. Den armen
Schischib, den die Mädchen anfangs gar nicht sahen,
erspähten sie zuletzt in einer dunklen Ecke, wo man
sich nur insofern um ihn kümmerte, daß man ihn zuweilen
unsanft aus dem Weg stieß. Er sah jedoch
seine Frauen nicht.
Als das Fest zu Ende war, ließ Wädschinmakin die
beiden Mädchen zu sich kommen und fragte sie, ob
sie nicht seine Weiber werden wollten. Diese erklärten
sich damit einverstanden und blieben bei ihm.
Schischib war inzwischen nach Hause gegangen
und beinahe ohnmächtig geworden, als er dort die Tür
offen fand. »Großmutter«, rief er wie rasend, »ist das
die Art, wie du wachst?«
Die Alte schlug die Augen auf und bedeutete ihm,
sich doch zu beruhigen, da seine beiden Weiber ja vor
ihm im Bett lägen; dabei zeigte sie auf die beiden
Holzstücke. Da es ziemlich dunkel im Wigwam war,
so ließ sich Schischib auch täuschen und legte sich
zwischen beide, fand jedoch bald heraus, daß sich die
vermeintlichen Weiber doch ein bißchen zu hölzern
anfühlten und daß sie auch weiter nichts als kalte
Holzblöcke waren. Nun stand er wütend auf, bereitete
unter gräßlichen Verfluchungen und Verwünschungen
Wädschinmakin – denn kein anderer konnte ihm diesen
teuflischen Streich gespielt haben – ein starkes
Gift, mit dem er hastig zur Hütte des Chiefs zurücklief.
Er fand Wädschinmakin sanft zwischen seinen beiden
Frauen liegend, und da er den Mund weit offen
hatte und niemand Schischib bemerkte, so war es
denn eine Kleinigkeit, ihm eine gehörige Dosis Gift
einzuschütten und sich danach wieder leise aus dem
Staub zu machen.
Am anderen Morgen machte nun allenthalben die
traurige Nachricht die Runde, daß der große Wädschinmakin
tot in seinem Bett gefunden worden sei,
was nach der Annahme der Medizinmänner dadurch
gekommen sei, daß er sich beim gestrigen Fest allzusehr
mit seinem kostbaren Husten angestrengt habe.
»Laßt es uns auch dem armen Schischib mitteilen, der
ihn so lieb hatte«, sagten einige und eilten, ihm die
Nachricht zu überbringen.
Schischib war beim Fischen, hatte schon mehrere
große Fische gefangen und diesen die Schwimmblasen
ausgenommen, die er, mit Blut gefüllt, auf seine
Brust gebunden hatte. Als er nun von dem großen Unglück
seines Freundes hörte, ergriff er wie wahnsinnig
sein Messer und stieß es sich so tief in die Brust, daß
ein dicker Blutstrom herausquoll und er wie tot niederfiel.
»Ach«, klagten nun die Überbringer der Trauerbotschaft,
»warum haben wir's ihm auch so plötzlich gesagt!
Wußten wir doch im voraus, daß es ihn so angreifen
würde!«
Am nächsten Tag stand Schischib wieder lebendig
vor dem Wigwam Wädschinmakins und sang: »Wädschinmakin
ist tot, und ich weiß, wer schuld daran
ist: Ich glaube, ich war es selber!«
Augenblicklich liefen ihm nun alle, die dies gehört
hatten, nach, konnten ihn aber nicht erhaschen, da er
sich zu schnell in ein sicheres Versteck flüchtete.
Bald kam er jedoch wieder und sang: »Wenn ihr mich
fangen wollt, so müßt ihr mir Wädschinmakins junge
Witwen nachschicken!«
Diese kamen denn auch; Schischib ließ sie recht
nahe heran, flüsterte ihnen dann allerlei süße Redensarten
in die Ohren, tanzte aber dabei immer lustig
weiter, bis er den Zuschauern aus den Augen war. Als
die jungen Frauen nun merkten, daß sie niemand mehr
sah, baten sie Schischib, sie wieder zu sich in seine
Hütte zu nehmen.
Das war's denn, was er gerade wünschte. Er führte
beide heim und fühlte sich wieder recht glücklich.
Aber lange dauerte sein Glück nicht, denn als dies
die Freunde Wädschinmakins erfuhren, umzingelten
sie plötzlich seine Hütte, und Schischib hatte kaum
noch Zeit, mit seinen Frauen in sein Schifflein zu
flüchten. Die Großmutter verwandelte die Fliehenden
in drei Wasserenten, woher es denn auch kommt, daß
man unter jenen Wasservögeln so häufig ein Männchen
bei zwei Weibchen sieht.
Tschibi
oder die zwei fettessenden Geister
Hoch oben am Michigansee in einer waldigen, wilden
Gegend stand einsam ein netter Wigwam, den ein biederer
Jäger mit seiner braunen Gattin bewohnte. Da
ihre kleine Hütte wenigstens sieben Sonnenuntergänge
von der nächsten entfernt war, so blieb das glückliche
Ehepaar stets von unlieben Nachbarn verschont
und lebte recht zufrieden. Da es ringsum Wild jeder
Art in Hülle und Fülle gab und er ein sicherer Schütze
war, so hatten beide vollauf zu essen und Pelze
genug, um sich schöne und warme Kleider zu machen.
Als einst an einem Abend der Jäger nicht zur gewöhnlichen
Zeit nach Hause gekommen war, erschienen
zwei fremde Frauen vor seinem Wigwam und begehrten
Einlaß. Trotzdem ihr ganzes Wesen einen unheimlichen
Charakter trug, wurden sie doch eingelassen.
Sie setzten sich scheu und zurückhaltend in eine
dunkle Ecke, verhüllten ihre Gesichter und sprachen
kein Wort.
Soweit die Frau bemerken konnte, waren sie hohl-
äugig und fleischlos. Sie zitterte und bebte vor Furcht,
und eine heisere Stimme raunte ihr zu: »Barmherziger
Gott, das sind ja zwei Skelette, in Lumpen gehüllt!«
Sie sah sich um, konnte aber niemand erblicken.
Endlich kam nun ihr Gemahl mit einem fetten
Hirsch nach Hause. Augenblicklich fielen die beiden
Geister darüber her, rissen dem Tier alles Fett aus
dem Leib und verschlangen es gierig. Der Jäger verhielt
sich ganz ruhig, denn er glaubte, die beiden
Fremden seien ausgehungert und könnten ihrem
Drang nicht widerstehen.
Aber am folgenden Tag ging es ebenso und am
dritten auch, so daß der Jäger gar nicht wußte, was er
eigentlich von diesen seltsamen Gästen denken sollte.
Sonst waren sie ganz still und benahmen sich auch
sehr bescheiden; sie lachten und scherzten nicht,
gaben überhaupt kein Sterbenswörtchen von sich. Am
Abend gingen sie jedesmal aus, suchten dürres Holz
für den anderen Tag und legten sich dann wieder geräuschlos
auf ihre bestimmten Schlafplätze nahe am
Feuer.
Wieder einmal kam der Jäger mit einem fetten
Hirsch nach Hause, dem ebenfalls wieder alles Fett
herausgerissen wurde. In der Nacht darauf fingen aber
die Fremden an zu wehklagen und jämmerlich zu
stöhnen und zu seufzen, so daß der gutmütige Mann
aufwachte und fragte: »Warum klagt ihr denn so?
Haben wir euch vielleicht beleidigt oder euch nicht
genug Speise gereicht?«
»O nein«, erwiderten sie, »wir sind mit seltener
Höflichkeit behandelt worden und weinen nicht deshalb.
Aber wir müssen fort, denn der Herr der Toten,
aus dessen Land wir kommen, hat uns nur erlaubt,
neunzig Tage auf der Erde zu wandeln, um die Menschen
zu prüfen. Ihr habt eure Probe gut bestanden;
denn ihr habt uns nicht gezürnt, als wir das viele Fett
vor euren Augen verschlangen.«
Darauf schieden sie, und der Segen, den sie hinterließen,
bestand in langem Leben, in Frieden, Gesundheit
und zahlreicher Nachkommenschaft.
31
Pakwadschininis
Einst waren alle Leute auf der Erde gestorben, mit
Ausnahme zweier kleiner Kinder; jene Kinder waren
ein Knabe und ein Mädchen, die während der allgemeinen
Sterblichkeit geschlafen hatten. Das Mädchen
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