Im Laufe der Zeit machte nun der Rotfuchs die
freudige Entdeckung, daß sein totes Schätzchen
immer mehr und mehr ein frischeres Aussehen bekam,
ja daß sie zuletzt so blühend aussah wie damals, als
er sie zuerst sah und sich in sie verliebte.
»Großmutter«, sagte er eines Tages, »reiche mir
meine Pfeife, und stopfe sie recht voll, damit ich wieder
einmal große Wolken blasen kann.«
»Ach«, rief da die Alte freudig, »wie bin ich doch
so froh, daß du dich wieder wohl fühlst; denn seit
dem Tod der schönen Häuptlingstochter hast du
weder an mich noch an deine Pfeife gedacht.«
Nun legte er sich behaglich in die wärmste Stubenecke
und qualmte wigwamgroße Wolken. Als er seine
Pfeife ausgeraucht und die Asche ausgeklopft hatte,
stand er auf und befahl der alten Frau, die Hütte
schnell so schön wie nur möglich zu putzen, da er ihr
heute noch eine Schwiegertochter zuführen würde.
Das tat sie denn auch; sie nahm ihren neuesten Besen,
kehrte alles so rein und sauber wie geleckt und stellte
alle Geräte auf die passenden Plätze.
Nach einer Weile klopfte es.
»Tintitschinn danis! – Komm herein, meine Tochter!
« rief die Großmutter.
Eine Schattengestalt trat herein, die in ihren Umrissen
jedoch deutlich das auferstandene Mädchen erblicken
ließ. Bald nahm sie auch Fleisch und Blut an,
fing an zu sprechen und erklärte sich als das Weib des
Rotfuchses, in dessen Hütte sie nun für immer bleiben
wollte.
Als dies nach einigen Wochen der alte Chief erfuhr,
sagte er zu sich selbst: »Der schlaue Rotfuchs hat
zwar meine Tochter lebendig gemacht, aber das gibt
ihm noch lange kein Recht, sie auch als Frau zu behalten;
besonders, da ich sie schon vor Jahren dem
schönsten Tier der Welt, dem Hirsch, versprochen
habe, der mich nun beim Wort nehmen wird.«
Darauf versammelte er alle seine Freunde und ging
mit ihnen in die Hütte des Rotfuchses; nur der Hirsch
blieb allein davor stehen, um sich im Fall der Not
schnell aus dem Staub machen zu können. Der Rotfuchs
wurde nach langen Kämpfen übermannt, und
seine teure Ehehälfte wurde vor die Tür geführt, wo
der Hirsch sie augenblicklich auf seinen Rücken
packte und damit zu seiner Hütte lief. Als er sie aber
dort abnehmen wollte, war sie nicht mehr da; sie war
nämlich unterwegs unbemerkt abgesprungen und wieder
zu ihrem alten Gatten zurückgekehrt.
Einige andere Versuche, sie wiederzubekommen,
schlugen ebenfalls fehl. »Es ist wahr«, sagten darauf
die Leute, »der Rotfuchs hat ihren Tod verursacht,
aber er hat sie auch wieder ins Leben zurückgerufen,
und darum hat er auch ein Recht auf sie. Möge daher
das junge Ehepaar noch lange in Ruhe und Freude
leben!«
29
Schischib
Es war einmal ein junger Mann namens Schischib
oder die kleine Ente, der ruderte eines Tages sein
Kanu langsam am Ufer des Michigansees entlang. Als
dies zwei schöne Schwestern sahen, sagte die eine zur
anderen: »Komm, laß uns ihn rufen und ihn fragen,
ob er uns nicht ein wenig fahren will!«
»Nein«, erwiderte die jüngere Schwester, »laß uns
das nicht tun, denn was wird er von uns denken?«
Aber das kümmerte die andere nicht; sie winkte
dem Schiffer, der auch gleich an Land fuhr und sie
beide einsteigen ließ.
»Sag, wer bist du?« fragte ihn das ältere Mädchen.
»Ich bin Wädschinmakin, der große Chief.«
Dieser Name klang ihr wie Musik in den Ohren;
denn Wädschinmakin war ein Mann medizinener
Natur, der, wenn er seinen Untergebenen oder Freunden
einmal eine große Freude machen wollte, aus seinem
Mund haufenweise silberne Schnallen und goldene
Ohrgehänge husten konnte. Deshalb bat sie ihn
nun gleich, ein bißchen zu husten, was er denn auch
erfolgreich tat, da er sich vorher heimlicherweise einige
Schmucksachen in den Mund gesteckt hatte.
Kurze Zeit danach kam ein Elentier ans Ufer, um
zu trinken.
»Was ist das?« fragte die geschwätzige Neugierige.
»Das ist mein Jagdhund.«
»So rufe ihn doch herein!«
Schischib rief, aber das Tier kam nicht, und zwar
aus dem höchst einfachen Grund, weil es die Nähe der
Mädchen nicht liebte, wie Schischib sagte.
Danach kam ein großer Bär ans Wasser.
»Was ist das?«
»Einer meiner Bedienten!«
Schischib mußte wieder rufen, aber der Bär kam
ebenfalls nicht.
Als sie endlich am Ziel ihrer Reise waren, kam den
beiden Mädchen die ganze Angelegenheit doch ein
wenig »medizinen« vor; denn sie saßen eigentlich gar
nicht in einem Kanu und sahen überhaupt auch keins,
sondern hatten sich's bis jetzt nur eingebildet. Sie fanden
sich plötzlich vor der Hütte der Großmutter
Schischibs, ohne daß sie recht wußten, wie es zugegangen
war.
Schischib war vorausgegangen und hatte der Alten
befohlen, die Hütte so schnell wie möglich aufzuputzen,
was sie auch mit der größten Bereitwilligkeit
getan hatte, da sie sich sehr freute, daß sich ihr Enkel
gleich zwei Frauen gesucht hatte, die ihr sicherlich in
Zukunft alle häuslichen Sorgen abnehmen würden.
Nun geschah es im Laufe der Zeit, daß der große
Wädschinmakin ein glänzendes Gastmahl gab und
dazu die halbe Welt einlud. Auch zu Schischibs Wigwam
kam ein Bote und sagte: »Schischib, Wädschinmakin
läßt dir sagen, daß er dich an seinem großen
Fest bei sich zu sehen wünscht.«
Schischib aber tat, als höre er es nicht, worauf der
Bote seine Worte noch einmal wiederholte und dann
fortging.
Nun sahen sich die beiden Mädchen mit großen
Augen an, und das ältere fragte: »Was ist das? Der
Fremde nannte dich Schischib und brachte eine Einladung
vom großen Wädschinmakin?«
»O sei nur beruhigt, das ist so ein alter sonderbarer
Kerl, dem es stets Vergnügen macht, die Namen zu
verwechseln; ich habe ihn daher auch, wie du gesehen
hast, sehr kalt und geringschätzig behandelt.«
Als der Bote darauf dem großen Chief von seinem
Empfang beim Schischib erzählte, sagte dieser: »Der
arme Schischib fühlt sich zu gering, um an meinem
Fest teilzunehmen; geh gleich wieder zu ihm, und
nenne ihn bei meinem Namen; das wird ihn freuen,
und dann wird er auch mitkommen.«
Der Bote machte es so.
»Habe ich's euch nicht gesagt«, sprach darauf
Schischib zu seinen beiden Frauen, »daß sich dieser
Mann zuweilen solche Narrheiten erlaubt, um die
Leute zu ärgern? Jetzt werde ich auch seinem Wunsch
Folge leisten.«
Darauf zog er seine besten Kleider an und flüsterte
der Großmutter ins Ohr, während seiner Abwesenheit
auf die Mädchen achtzugeben und um alles in der
Welt nicht am Abend einzuschlafen. Dann ging er
fort.
Aber sosehr sich die Alte am Abend anstrengte,
sich wach zu erhalten, so fielen ihr doch die Augen
zu. Als dies die jungen Schwiegertöchter merkten,
standen sie leise auf, legten zwei große Stücke Holz
an ihre Schlafplätze, schnitten dann das Seil ab, mit
dem die Tür zugebunden war, und liefen fort, um zu
sehen, wo sich ihr Herr Gemahl herumtreibe.
Das weitschallende Getöse kriegerischer Musik
zeigte ihnen den rechten Weg, und bald kamen sie in
die mit Glanz und Herrlichkeit gefüllte Hütte des großen
Chiefs, der auf einem feinen, von vielen Kriegern
umstandenen Pelz saß. Wädschinmakin hustete in bestimmten
Abständen, und jedesmal entfielen seinem
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