Karl Knortz
Irländische Märchen
Irländische Märchen, wiedererzählt von Karl Knortz (deutsch-amerikanischer Schriftsteller)!
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Inhaltsverzeichnis
Titel Karl Knortz Irländische Märchen Irländische Märchen, wiedererzählt von Karl Knortz (deutsch-amerikanischer Schriftsteller)! Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Der Wechselbalg.
11. Der Teufel und der Steuerempfänger.
22. Conan in Ceasch.
33. Das Geister-Pferd.
44. Der braune Bär von Norwegen.
55. Die drei Kronen.
Impressum neobooks
Die Frau eines Matrosen gebar einst während der Abwesenheit
ihres Mannes einen Knaben und wollte ihn
nicht eher taufen lassen, als bis ihr Gemahl zurückgekehrt
sei. Die Frauen der Nachbarschaft baten sie
zwar tagtäglich, sie solle doch die Taufe nicht aufschieben,
denn wer wisse, was dem Kinde sonst passiren
könne; aber sie ließ sich einmal nicht bereden
und sprach: »Mein Mann muß jeden Tag kommen.«
Doch der Mann kam nicht und als der Knabe beinahe
zwei Jahre alt war, hörte die Mutter eines
Abends, da sie von der Feldarbeit nach Hause gekommen
war, ein merkwürdiges Jammern in seinem
Schlafzimmer. Eiligst lief sie an sein Bett und fragte,
was ihm fehle.
»O, Mamma, Mamma!« rief er, »ich bin krank und
friere, nimm ja die Bettdecke nicht von mir!«
Gleich gab ihm die Mutter Milch zu trinken und
fragte ihren ältesten Sohn, der sieben Jahre alt war,
seit wie lange sein Brüderchen krank sei.
»Mutter,« antwortete dieser, »er war so glücklich
wie ein König, als du fort warst, und sprang munter
und guter Dinge im Zimmer umher. Als ich nun auf
einige Augenblicke in unsere andere Stube gegangen
war, kam es mir vor, als flögen hunderte von großen
Vögeln durch den Schornstein, und darnach hörte ich
meinen Bruder schreien, und als ich wieder zurückkam,
erkannte ich ihn kaum mehr, so verändert hatte
er sich in der kurzen Zeit. Seine Kleider waren zerrissen
und sein Gesicht so schmutzig, als habe er sich
den ganzen Tag im Schlamm herumgewälzt.«
Wie sie ihn nun recht betrachtete, wußte sie nicht,
was sie vor Schreck thun sollte. Sein Gesicht war so
runzlig wie das eines achtzigjährigen Greises; seine
Arme und Beine waren so abgemagert wie ein Besenstiel
und über und über mit Haaren bedeckt. Trotz alledem
schien er aber doch noch ihrem jüngsten Sohne
zu gleichen und Niemand konnte sie überzeugen, daß
es ein Wechselbalg sei.
Nun hatten sich die Nachbarsfrauen wieder viel zu
erzählen und eine meinte, das komme davon, wenn
man sein Kind nicht zur rechten Zeit taufen ließe.
Um diesem Gerede Einhalt zu thun, sagte sie dann
eines Tages zu dem Kleinen: »Komm, Alanna, ich
will dich schön anziehen und in die Kirche tragen,
damit du die heilige Taufe empfängst!«
Aber da schrie der Kleine plötzlich so schrecklich,
daß die Dänen fortgelaufen wären, wenn sie es gehört
hätten; die Mutter ließ ihn daher ruhig zu Hause, da
sonst die ganze Dorfjugend hinter ihr her gezogen
wäre.
Als sie am nächsten Abend wieder aus dem Felde
kam und nach dem Knaben sah, bemerkte sie, daß er
rein angezogen und schön gewaschen und gekämmt
war. »Hast du dies gethan?« fragte sie ihren ältesten
Sohn.
»Nein«, erwiderte er, »die Nachbarn haben Recht
und du hast Unrecht, was ich dir gleich beweisen will.
Als ich ein wenig vor die Thüre gegangen war, hörte
ich auf einmal allerlei Kinderlieder im Zimmer singen
und wie ich mich vor das Schlüsselloch geschlichen
hatte, sah ich eine Menge kleiner, weißer Frauen, die
ihn wuschen und kämmten; sobald ich jedoch die
Thüre aufmachte, verschwanden sie plötzlich.«
»Du sprichst gerade wie die Nachbarn!« sagte die
Mutter unwillig.
Am nächsten Tage hatte Pat eine neue Geschichte
zu erzählen.
»Mutter,« sagte er, »als du heute früh fortgingst,
richtete sich der Kleine im Bette auf und befahl mir,
ihm deine Thonpfeife zu reichen, damit er ein wenig
rauchen könne.« »Hallunke!« entgegnete ich ihm,
»das werde ich der Mutter sagen!« »Sag es ihr nur immerhin,
« antwortete er, »sie glaubt dir doch kein
Wort!«
»Und das thue ich auch nicht!« erwiderte die Mutter.
Endlich kam ein Brief von ihrem Gemahle, in dem
er ihr mittheilte, daß er bald zurück sei. »Nun!« rief
sie freudig aus, »wird auch bald die Taufe gefeiert
werden!« Darnach zog sie sich an und ging in die
Stadt, um Zucker, Thee und Fleisch einzukaufen. Als
dies die Nachbarn sahen, liefen sie augenblicklich in
ihr Haus und eine starke Frau wickelte den Wechselbalg
in ein Tuch und trug ihn fort nach dem nahen
Teiche. Er zappelte und fluchte, daß die Bauern die
Hände über dem Kopfe zusammenschlugen; aber die
Frau fürchtete sich nicht und warf ihn beherzt in's
Wasser. Trotzdem er so schwer wie Blei zu sein
schien, sank er doch nicht unter, sondern schwamm,
die Zähne fletschend und gräßlich lachend, im Teiche
herum. »Sagt der Frau,« schrie er, »sie könne von
Glück sagen, daß ich sie nicht erwürgt habe!«
Als sie wieder zurückkehrten, begegnete ihnen unterwegs
die Frau mit ihrem rechten Kinde auf dem
Arme.
»Heute noch muß mein Sohn getauft werden,«
sagte sie, »und ihr alle seid hiermit zum Feste eingeladen!
«
2.
Eine probate Kur.
Richard hatte den Beinamen »der Taugenichts« nicht
ohne Grund erhalten; denn wenn sich sein Vater und
sein Bruder auf dem Felde abquälten, hielt er sich in
den Wirthshäusern auf und vertrank und verspielte
Alles bis auf den letzten Rock. Seine größte Freude
bestand jedoch im Tanzen, worin er solche bewunderungswerthe
Geschicklichkeit erlangt hatte, daß ihm
seine Verwandten Vieles hingehen ließen, wenn er
ihnen Abends eine Vorstellung gab, wozu er übrigens
auch stets bereit war.
Als er nun eines Abends die große Stallthüre ausgehoben
und in den unebenen Hof gelegt und eben angefangen
hatte, darauf einige kunstreiche Sprünge zu
machen, brach er plötzlich mit einem lauten Schrei
zusammen und war von diesem Augenblicke an so
kraftlos, daß er in's Bett getragen werden mußte. Alle
Quacksalber des ganzen Dorfes kamen herbei und
probirten ihre Künste an ihm, ohne ihm jedoch Linderung
zu verschaffen und zuletzt sagte einer: »Das ist
kein gewöhnlicher Mensch; das ist ein Wechselbalg!«
Und so schien es auch; denn aus dem lebenslustigen,
jungen Manne war im Laufe weniger Stunden ein
unausstehlicher, griesgrämiger und verhutzelter Kerl
geworden, der alles Eßbare, das vor ihn kam, mit
einem wahren Heißhunger verschlang. Seine Verwandten
waren rath- und trostlos; doch da kam eines
Tages ein Schwarzkünstler zu ihnen, hing einen Dudelsack
an das Bett des Unglücklichen und sagte
ihnen heimlich, daß, wenn sie ihn auf demselben spielen
hörten, es sicher wäre, daß sie einen Wechselbalg
vor sich hätten und nicht den Richard, der ja nicht
spielen könne.
Doch der Kranke war eben so schlau und ließ das
Instrument ruhig hängen. Aber endlich verrechnete er
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