wenn sie sich so kalt gegen ihn benommen hätten. Sie
steuerten also dem Land zu, und die anderen folgten
dann auch.
Als sie sich nun alle in der Hütte befanden, nahm
Menabuscho einen großen Sack, hängte ihn sich um
und ließ die Enten einen Kreis um sich bilden.
»Jetzt«, rief er, »müßt ihr alle eure Augen schließen
und sie ja nicht eher öffnen, als bis ich's sage, denn
sonst könnte euch leicht etwas Schreckliches passieren.
Ich nehme jetzt also meine Flöte und spiele; sobald
ich euch das betreffende Kommando gebe, macht
ihr die Augen auf und tanzt mir nach!«
Die Enten gehorchten auch recht schön und verhielten
sich ganz ruhig, doch hob jede schon ungeduldig
das linke Bein auf, um gleich losstürzen zu können.
Aber das erwartete Zeichen kam nicht und kam nicht;
nur hörte man dann und wann ein geheimnisvolles
Quaken das Flötenspiel übertönen, das war alles.
Da ging denn endlich der kleinsten Ente die Geduld
aus, und sie schielte unbemerkt zu Menabuscho hinüber,
der in der linken Hand seine Flöte hielt und in
der rechten einen dicken Knüppel, womit er jedesmal
die nächste Ente niederschlug und in seinen Sack
steckte. Langsam schlich sie sich darauf zur halboffenen
Tür und schrie: »Macht die Augen auf, denn Menabuscho
bringt euch um und steckt euch in seinen
Sack!« Dann flog sie fort.
Menabuscho eilte ihr schnell nach und schlug nach
ihr, traf sie aber nicht tödlich; doch ihr Körper erhielt
dadurch jene breite, flache Gestalt, die wir heute noch
beim ganzen Entengeschlecht wahrnehmen.
28
Die Geschichte des Rotfuchses
Der Rotfuchs ist ein Tier, an dem die böse Nachrede
kein gutes Wort gelassen hat. Er soll wie die Hyäne
die Toten ausgraben und sie verzehren; aus seinem
nächtlichen Geheul weiß man allerlei Sterbefälle und
sonstige traurige Geschichten zu weissagen. Sein
Körper war früher ganz rot; seine schwarzen Beine
hat er erst später, und zwar auf folgende Art bekommen:
Einst hatte ein mächtiger Chief, der eine allerliebste
Tochter besaß, ein großes Gastmahl bereitet und
alle Tiere der Erde dazu eingeladen. Als dem Rotfuchs
seine Einladung überbracht wurde, fragte er den
betreffenden Boten: »Sagt mir doch, lieber Freund,
was wird uns denn zum Abendessen serviert?«
»Fein gekochtes Korn«, erwiderte der Bote.
»O wenn's weiter nichts ist«, entgegnete naserümpfend
der Rotfuchs, »dann ist's ja nicht der Mühe wert,
daß ich vor die Tür gehe; denn solch ein Gericht kann
ich mir geradesogut in meiner eigenen Hütte zubereiten
lassen!« Darauf drehte er ihm höhnisch lachend
den Rücken zu.
Der Bote ging zurück zum Chief und erzählte ihm,
wie ihn der Rotfuchs behandelt habe.
»Geh so schnell wie möglich wieder zurück«, sagte
der Chief, »bitte ihn so höflich, wie du kannst, um
Entschuldigung, und sage, daß ihm die delikatesten
Fleischspeisen, durch die erprobteste Köchin bereitet,
vorgesetzt würden.«
Diese Nachricht gefiel dem alten Rotfuchs schon
bedeutend besser, und schmunzelnd versprach er, zur
rechten Zeit zu kommen. Gleich darauf reinigte er sich
das Fell ganz gründlich und ging zur Hütte des
Chiefs.
Die Gesellschaft empfing ihn dort äußerst höflich;
ein jeder stand ehrerbietig auf und offerierte ihm bereitwilligst
seinen Sitz, ja der Chief wies ihm sogar
den Ehrenplatz neben dem Feuer an, der Meister Reineke
auch am besten zusagte, nämlich deshalb, weil
er von dort prächtig in den Fleischkessel sehen konnte.
Doch nach und nach kamen noch so viele Tiere in
den Wigwam, daß sie kaum alle Platz hatten, und
unser Rotfuchs wurde dadurch so nahe ans Feuer gedrückt,
daß er es bald vor Hitze nicht länger mehr
aushalten konnte. Als er nun deshalb aufstehen wollte,
bekam er auf einmal einen so kräftigen Stoß, daß
er mit allen vieren in den Kessel fiel und sich jämmerlich
verbrannte.
Heulend und klagend lief er nun nach Hause zu seiner
Großmutter, die ihm, wie das so bei den Tieren
Sitte war, den Haushalt besorgte. »Du hast dir«, sagte
sie zu ihm, »zwei große Fehler zuschulden kommen
lassen: Zuerst warst du zu unhöflich gegen den Boten,
und dann warst du zu unbescheiden gegen die ganze
Gesellschaft, indem du gleich den Ehrensitz einnahmst.
Hättest du dich ruhig mit dem ersten Sitz
neben der Tür begnügt, so wäre dir sicherlich ein solches
Unglück nicht zugestoßen.«
Das klang allerdings wenig tröstlich für den Patienten,
und er hätte sicherlich mit der Alten einen Streit
angefangen, wenn sie ihm nicht schnell die wunden
Beine verbunden und den herkömmlichen Medizintanz
getanzt hätte. Diesen Tanz tanzte sie die liebe
lange Nacht hindurch, denn ihr Enkel jammerte und
schrie unaufhörlich. Als sie am folgenden Morgen den
Verband abnahm, sah sie, daß die Beine überall ganz
kohlschwarz geworden waren.
Jetzt war der Jammer des Rotfuchses erst recht
groß: »Ach, meine Beine, meine schönen roten
Beine!« schrie er. »Wie werden mich jetzt die jungen
Mädchen auslachen, wenn sie mich sehen! Ach, jetzt
kann ich mich nirgends mehr sehen lassen!«
Da die alte Großmutter während der Nacht ihre
steifen Glieder tüchtig angestrengt hatte, so fiel sie
während dieses Gejammers in tiefen Schlaf. Als dies
der Rotfuchs merkte, stand er leise auf, schlich sich
geräuschlos vor die Hütte des Chiefs und ließ sein un-
heilbedeutendes Geheul ertönen, und zwar so laut,
wie er nur konnte.
Kurze Zeit danach wurde die Tochter des Häuptlings
bedenklich krank und starb, trotzdem die berühmtesten
Mediziner des ganzen Landes lange Zeit
ihr Lager umstanden hatten.
Doch so schlimm hatte es der Rotfuchs mit seinem
Bellen nicht gemeint, denn er liebte das schöne Mädchen
über alle Maßen und ging mit dem Gedanken
um, sie später zu seiner Frau zu machen. Traurig saß
er nun in seiner Hütte und sagte kein Wort. Währenddem
wurden die Vorbereitungen zu ihrem Begräbnis
getroffen, und alle Freunde und Freundinnen der Verewigten
versammelten sich, um sich wegen der geratensten
Bestattung zu besprechen.
»Legen wir die Tote in die Erde«, sagten einige
davon, »so kommt der Rotfuchs und frißt sie, denn er
hat sie auch totgebellt; verbergen wir sie daher besser
in den Ästen eines hohen Baumes, denn in der Luft
wird er sie wohl nicht suchen.«
Das geschah denn auch; aber da die alte Großmutter
als entfernte Verwandte ebenfalls zugegen war, so
erfuhr Reineke die Stelle sehr bald, lief am nächsten
Abend hin und sah die ganze liebe lange Nacht zum
Leichnam hinauf. Ach, die Tote war so wunderschön,
und ihr Gesicht leuchtete so freundlich zu ihm herunter,
als sei sie noch am Leben. Mit Anbruch des
Tages verschwand jedoch ihre Schönheit, und sie
bekam die allgemeine Totenfarbe wieder.
Da ging der Rotfuchs wieder langsam nach Hause
und setzte sich trübselig in eine Ecke, und als ihn die
Großmutter fragte, ob er vielleicht den Körper des
toten Mädchens verstümmelt habe, sagte er kein
Wort, sondern blieb regungslos sitzen, bis es wieder
Abend wurde und die Alte einschlief, wonach er abermals
unbemerkt seinen Schatz besuchen konnte. Am
Morgen stellte er sich natürlich wieder zeitig ein, um
nicht den ihm auflauernden Feinden in die Hände zu
fallen.
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