bekommen?«
Mäßwäweinini verhielt sich ganz still und atmete
so ruhig, als läge er im tiefsten Schlaf.
»Du mußt ihm mit dem Arm durch Mund und Hals
fahren, es dann fest packen und herausreißen!« sagte
der erste wieder.
Das tat denn auch der andere, doch als er seine
Hand weit genug darin hatte, biß Mäßwäweinini
plötzlich kräftig zu und zermalmte ihm alle Finger.
So entrann er also glücklich der Todesgefahr und
blieb bis zum Morgen unbelästigt. Als er dann die abgebissenen
Finger recht betrachtete, sah er, daß sie
aus den feinsten Wampumperlen bestanden – der untrüglichste
Beweis, daß sie von mächtigen Geistern
stammten.
Kurz danach, als er eben gefrühstückt hatte, sah er
ein Kanu von außergewöhnlicher Schönheit dem Ufer
zusteuern, und als es etwas näher kam, sah er zwei
Männer darin sitzen, wovon einer eine fingerlose
Hand hatte. Mäßwäweinini merkte nun gleich, welche
Gesellen das waren, und ging ihnen, als sie landeten,
keck entgegen, um sie wegen ihres nächtlichen Mordanschlags
zur Rede zu stellen und dann exemplarisch
zu züchtigen; doch als er eben kräftig mit dem Tomahawk
ausholen wollte, um ihnen die Schädel einzuschlagen,
verwandelten sie sich plötzlich in steinerne
Statuen, mit denen er nun nichts anderes machen
konnte, als sie in das nahe Dorngebüsch zu postieren.
Dann holte er auch das Kanu und verbarg es ebenfalls
im Gehölz. Es war das schönste, das er je gesehen
hatte, und zu seiner größten Freude mit den kostbarsten
Schätzen gefüllt.
»Mit solchen Schätzen«, rief darauf einer der steinernen
Manitus, »werden die Kähne der Ottowas beladen
sein, wenn sie diese Küste, von der die Irokesen
sie verdrängt haben, wieder passieren werden!«
Danach ging Mäßwäweinini nach Hause, weckte
seine Knaben und bereitete ihnen ein vortreffliches
Fischmahl.
Unser Magier führte im allgemeinen ein recht gemütliches
Leben; seine Feinde ahnten seine Nähe
nicht, und Wild und Fische gab's ihm Überfluß. Aber,
dachte er eines Tages bei sich selbst, werden denn
auch meine armen Eltern wissen, wo sie Fleisch hernehmen,
wenn sie Hunger haben, und wo sie einen
warmen Pelz hernehmen, wenn der rauhe Nordwind
durch die Bäume pfeift? Und während diese Gedanken
sein Gehirn durchkreuzten, zog er seine schnelllaufenden
Mokassins an und machte sich auf den Weg
zu ihnen.
Ein anderer Mann hätte wenigstens dreißig Tage zu
jener Reise gebraucht, denn das alte Ehepaar lebte
weit weg auf einer Insel im Oberen See; doch Mäßwäweinini
war schon am Abend des ersten Tages in
ihrem Wigwam, wo er beide geräuschlos und sanft –
sie schliefen nämlich schon – aufhob und mit derselben
Geschwindigkeit zurück in seiner eigene Hütte
trug. Als jene nun am anderen Tag erwachten, waren
sie beinahe vor Freude außer sich, daß sie sich so auf
einmal wieder bei ihrem geliebten Sohn sahen, der
ihnen nun zur Unterhaltung seine vielen merkwürdigen
Abenteuer erzählte und danach für sie ein regendichtes
Häuschen neben sein fruchtbares Maisfeld
baute.
Inzwischen wurde es Winter und das Wetter so unfreundlich,
daß sich niemand vor die Tür getraute. Als
nun der alte Vater so den ganzen Tag lang an den
glimmenden Baumstamm gebannt war, ging ihm mit
der Zeit das Kraut aus, mit dem er seine Pfeife stopfte,
und die Zeit fing an ihm langweilig zu werden.
»Warte nur noch zwei Tage«, tröstete ihn darauf sein
Sohn, »und du sollst einen haushohen Haufen Tabak
bekommen; und zwar müssen ihn dir meine Feinde
liefern!«
Darauf ging Mäßwäweinini zu den Nadowas vom
Bärentotem. Diese erkannten ihn gleich an seinem
Schnellauf und luden ihn freundlich in ihre Hütten
ein. Als sie ihn darauf nach dem Grund seiner Reise
fragten, antwortete er, daß er für seinen alten Vater
Tabak holen wolle, und augenblicklich wurden die
dicksten Bündel bereitwilligst herbeigebracht.
Doch in der Nacht schmiedeten einige von ihnen
ein Komplott, ihn heimlich zu überfallen und sich seiner
dann für immer zu entledigen, und zwei alte Kerle
drangen auch wirklich in sein Zelt und schrien: »Mäßwäweinini,
du bist ein Kind des Todes!«
»Nein, ihr seid es!« schrie er ihnen entgegen, griff
zu seinem scharfen Tomahawk und schlug sie alle zu
Fetzen. Dann packte er sich soviel Tabak zusammen,
als er nur tragen konnte – das wollte etwas heißen! –,
und brachte ihn seinem Vater, der nun im Kreise seiner
Familie seine letzten Tage heiter und sorgenfrei
verlebte.
18
Kosmogonische Traditionen der
Wyandot-Indianer
I
Wie unsere Medizinmänner erzählen, soll die Erde in
früheren Zeiten ganz anders gewesen sein. Wir glauben
das gerne, denn es ist vernünftig und wahrscheinlich;
ebenso gerne glauben wir auch, daß der Große
Geist alle roten Menschen geschaffen hat, und zwar
hier in diesem Land, und daß die Behauptung einiger
eine unverschämte Lüge ist, daß sie über ein großes
Wasser gekommen seien.
Als nämlich der Meister des Lebens die Erde fertig
hatte, bedeckte er sie mit seiner großen Hand, so daß
sämtliche Indianerstämme im Dunkeln sitzen mußten.
Ein junger kräftiger Mann hatte sich aber doch seinen
Weg auf die Oberfläche zu bahnen gewußt, wo ihn
die malerische Schönheit der ganzen Natur und das
blendende Licht eines kolossalen Sterns über alle
Maßen entzückten. Auch lief ein großer Büffel langsam
an ihm vorbei, der war über und über mit Blut
bespritzt, denn ein mächtiger Pfeil stak in seinem
Körper. Kurz danach erschien auch der Jäger, der das
Tier geschossen hatte; es war nämlich der Schöpfer
selbst, der dem Indianer zeigen wollte, wie er und die
anderen sich ernähren müßten, wenn er seine Hand
von ihnen abzöge. Dann lehrte er ihn auch noch, wie
man den Tieren das Fell abzieht und Kleider daraus
macht; ebenso auch die Kunst, wie man das Fleisch
am Feuer röstet und wie man es drehen muß, damit es
auf der einen Seite nicht anbrennt und auf der anderen
nicht roh bleibt.
Danach kamen die übrigen Indianer unter der Hand
hervor; jeder Stamm erhielt seinen besonderen Häuptling,
und über alle wurde dann noch ein gewaltiger
Hauptchief gesetzt, der eine glänzende Perlenschnur
um seinen Hals hatte. Dieser hielt eine lange Rede
und gab viele Gesetze, die noch bis heute gültig sind.
Dann wurden einige große Tiere getötet und ein allgemeines
Freudenfest gefeiert.
II
Der Große Geist schuf das Gute und das Böse – in
Gestalt zweier Brüder nämlich. Der erste pflanzte allerlei
nützliche Gewächse und angenehm duftende
Blumen, während der andere seine Lebensaufgabe
darin suchte, die Werke seines Bruders nächtlicherweile
zu zerstören und dafür kahle Felsen, mageres
Wild und allerlei Krankheiten zu schaffen. Der Gute
suchte zwar den Schaden, den sein unglückseliger
Bruder ständig anrichtete, so schnell wie möglich
wiedergutzumachen, aber er kam dadurch mit der
Durchführung seiner beglückenden Ideen nicht so
recht vorwärts, wie er eigentlich im Sinn hatte, und er
beschloß daher, seinen Bruder zu vernichten. Er wollte
mit ihm zusammen wettlaufen, und wer besiegt
würde, müßte sich nach dem Willen des Siegers richten.
Das war dem Bösen recht, und er willigte ein.
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