junge Miss, als einzige aus diesem Haus am liebsten selbst um ihr
Pferd kümmerte. Er hatte sich nie getraut, sie zu fragen, wieso sie
das tat, wo sie es doch eigentlich gar nicht musste und auch nicht
nötig hatte.
„Selbstverständlich macht es mir nichts aus. Geht Ihr nur, bevor
meine Mutter euch gar nicht mehr ins Haus lässt.“
Cathrina schenkte ihm ein dankbares Lächeln und drückte ihm die
Zügel in die Hand. Doch sie ging nicht ohne Pollux noch seinen
Apfel knabbern zu lassen und ihm noch einmal durch die Mähne
zu fahren.
Dann drehte sie sich hastig um und eilte zurück zum Haus. Sie hielt
es für klüger nicht durch die Küchentür ins Haus zu platzen.
Vielleicht konnte sie so Mharen auch einfach ausweichen.
Leise öffnete sie die Haustür. Nach dem hellen Sonnenlicht auf der
Weide dauerte es einen kurzen Augenblick, bis sich ihre Augen an
das Dämmerlicht gewöhnt hatten.
„Was schleichst denn du hier so herum?“
Cathrina konnte ein überraschtes Aufstöhnen gerade noch
unterdrücken.
„Bist du verrückt, mich so zu erschrecken!?“, herrschte sie ihre
jüngere Schwester leise an.
„Cathrina?“
„Ah. Na toll!“
Mharen kam aus der Küche stolziert und funkelte sie finster an:
„Ist Euch eigentlich klar, dass Ihr mindestens zwei Stunden zu spät
seit!“
Reumütig senkte Cathrina den Kopf. Es war nicht klug sich mit
Mharen anzulegen. Schon gar nicht, wenn sie so böse war wie
jetzt. Noch dazu, wenn sie recht hatte.
„Bitte verzeiht mir. Ich war ausreiten und habe die Zeit vergessen.“
„Man sollte annehmen, dass jemand wie Ihr in der Lage sein
sollte, pünktlich nach Hause zu kommen.“
Cathrina ließ die Schultern hängen und vermied es Mharen
anzusehen. Sie gehörte noch immer zu den wenigen Menschen, die
es fertig brachten, dass sie sich wieder wie eine Fünfjährige
vorkam.
„Die Herrschaften haben fast eine ganze Stunde nur auf Euch
gewartet! Ihr solltet Euch wirklich bei Ihnen für Euer unmögliches
Benehmen entschuldigen.“
„Das werde ich.“
„Und außerdem, was fällt euch nur ein, wie eine Verrückte durch
die Gegend zu reiten! Noch dazu allein! Euch hätte sonst was
zustoßen können!“
Bei ihren Worten hob Cathrina den Kopf: „Woher wisst Ihr …?“
„Benedictus. Ich habe schließlich nach Euch gesucht! Also wirklich.
Von Euch hätte ich wirklich mehr erwartet.“
Als wäre sie wieder fünf Jahre alt …
„Also. Wenn Ihr noch Hunger habt, das Essen steht auf dem
Tisch. Und wenn Ihr damit fertig seid, Euer Vater erwartet Euch im
Arbeitszimmer. Euch beide.“, fügte sie hinzu.
Als sie hinaus ging, meinte Cathrina etwas wie „hätte es an den
Hund verfüttern sollen …“ gehört zu haben.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, stöhnte Mia
mitleidvoll au: „Ich hätte dich vorwarnen sollen. Doch mit so einer
Standpauke habe selbst ich nicht gerechnet.“
„Nun, ich habe ihr auch allen Grund gegeben, böse auf mich zu
sein.“
„Himmel, Cathrina! Ich kenne niemanden in dieser Familie, der
fähiger wäre auf sich selbst aufzupassen! Sie hätte sich wirklich
nicht so aufregen dürfen.“
„Daran lässt sich nun auch nichts mehr ändern.“, sie setzte sich in
die Küche, wo Mharen immer das Essen für die Nachzügler
bereitstellte.
„Also, wie war denn dein Tag so? Gibt es etwas Neues?“
Mia betrachtete sie amüsiert: „Wieso fragst du mich nicht einfach,
was Vater von der Versammlung zu berichten hatte. Das ist es
doch, was dich wirklich interessiert, habe ich Recht?“ Cathrina sah
von ihrem kalten Lammeintopf auf.
„So leicht bin ich also zu durchschauen?“
„Mit Sicherheit nicht, aber sagen wir einfach, ich kenne dich und
mir machst du nicht so leicht etwas vor.“
„Also schön. Dann erzähl mal.“
„Nichts.“
„Bitte?“
„Ich sagte nichts. Er hat nichts von der Versammlung erzählt. Nur,
dass er uns nachher sprechen möchte, wenn du wieder da bist und
gegessen hast.“
„Mmmh … Seltsam.“
„Das finde ich auch.“
Cathrina schob die Schüssel von sich und stand auf: „Wir können
es auch gleich hinter uns bringen. Kaltes Lamm schmeckt einfach
furchtbar.“
„Dann solltet Ihr das nächste Mal darauf achten, pünktlich am
Tisch zu sitzen!“, äffte Mia die gereizte Stimme Mharens nach.
Und das sogar erschreckend gut.
„Manchmal machst du mir wirklich Angst.“, lachte Cathrina und
Mia hakte sich bei ihr ein.
„Herein!“
Cathrina stieß die schwere Eichentür ganz auf und nacheinander
betraten sie das stilvolle Arbeitszimmer. Es war bis unter die Decke
mit schweren Regalen vollgestellt, die über und über mit dicken
Büchern beladen waren.
Direkt gegenüber der Tür stand ein kostbarer Schreibtisch, hinter
dem ihr Vater bis gerade noch in einigen Papieren vertieft gewesen
war.
„Setzt Euch.“
Cathrina hatte ein mulmiges Gefühl. Wenn sie in dieses Zimmer
gerufen wurde, hatte das meist nichts Gutes zu bedeuten. Und
ein Seitenblick auf Mia bestätigte, dass es ihr ganz ähnlich
erging.
„Hawke hat für heute Abend gleich nach Sonnenuntergang eine
kleinere Versammlung anberaumt und er wünscht, dass Ihr beide
dort erscheint.“
Einen kurzen Augenblick ließen Cathrina und Mia seine Worte auf
sich wirken und warteten ob ihr Vater vielleicht noch etwas
hinzufügen würde, doch er tat es nicht.
„Aus welchem Grund?“
Anthonius sah seine Tochter streng an: „Wie Ihr Euch sicherlich
denken könnt, ist der Kommandant der Elitetruppe des Königs
nicht dazu verpflichtet, mir seine Beweggründe zu erläutern. Ich
leite lediglich seine Botschaft weiter.“
„Um was ging es denn in dieser wichtigen Versammlung?“
„Ich bin nicht befugt, Euch davon zu berichten.“
„War Hawke auch dabei?“
„Die Ratsmitgliederversammlung ist ausschließlich für die
Ratsmitglieder bestimmt. Und natürlich für seine Majestät, wenn er
sich im Stande fühlt.“
„Aber …“
„Cathrina! Ich dulde keine weiteren Fragen! Ihr wisst nun, was Ihr
zu tun habt und ich wünsche, dass Ihr dem Wunsch des
Kommandanten Folge leistet! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Und wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich habe noch
einiges zu tun!“
Damit war das Gespräch beendet.
Mia und Cathrina erhoben sich fast gleichzeitig und gingen zur Tür.
„Und Cathrina.“
Sie war gerade dabei die Tür zu schließen und hielt irritiert inne.
„Ich erwarte in Zukunft, dass Ihr die vereinbarten Essenszeiten
strikt einhaltet. Habt Ihr mich verstanden?“
Cathrina spürte wie ihr das Blut in die Wangen schoss: „Ja Ser.“
Leise ließ sie die Tür ins Schloss fallen.
„Was glaubst du, hat das zu bedeuten?“
Sie waren auf dem Weg zur Kaserne, als die letzte Sonne gerade
den Horizont berührte.
„Ich habe keine Ahnung.“
„Ich könnte es ja verstehen, wenn er dich zu sich ruft. Aber wieso
bin ich hier?“
Mia war ihre Nervosität anzumerken und Cathrina selbst ging es
auch nicht viel besser. Allerdings war sie geschickter darin, es sich
nicht allzu sehr anmerken zu lassen.
Sie traten durch das Tor auf den großen Übungsplatz. Der eine
oder andere Soldat nickte ihnen grüßend zu.
Vor Hawkes Kammer blieben sie stehen. Außer ihnen war
niemand zu sehen und nachdem Cathrina einmal tief
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