»Ja, Sie haben Recht! Aber darauf können nur sehr wenige Reiter wirklich eingehen. Und wenn Vence jemanden nicht leiden kann, dann wird er wirklich unberechenbar und tut alles, um diesen Menschen zu verletzen.«
Claire nickte stumm. Auf einmal hatte sie, die sonst immer auf alles eine Antwort wusste, einen Kloß im Hals. Von diesem verdammt gutaussehenden Mann, der jetzt ganz nah vor ihr stand, ging eine unerklärliche Aura aus. Claire konnte seinen männlichen Duft, eine Mischung aus holzigem Parfum und Schweiß wahrnehmen und das machte ihn trotz seiner abweisenden Art verdammt erotisch.
Diego Rodriguez da Silva war schätzungsweise Anfang vierzig, groß und sein muskulöser Körper mit den überproportional ausgeprägten Schultern ließ sicherlich so manches Frauenherz höherschlagen. Das dunkelblonde gewellte Haar fiel ihm bis auf die Schultern und umrahmte ein markantes, sonnengebräuntes Gesicht, aus dem stahlblaue Augen stechend herausblitzten.
»Kommen Sie! Ich zeige Ihnen unsere Verkaufspferde!« Damit unterbrach Diego den Moment der Stille. Er übergab Invencible dem wartenden Pedro und führte Claire in den Stall.
Unterwegs berichtete Claire von ihrem Vorhaben, ein Jahr auf der Insel zu leben. Diego nickte nur emotionslos.
Bei den Verkaufspferden stach Claire sofort ein kräftiger Grauschimmelwallach ins Auge. Er war zwar bei weitem nicht so imposant wie El Invencible, aber trotz allem ein wunderschönes Tier. Entschlossen ging sie auf ihn zu. Der Wallach musterte sie sofort neugierig und verspielt knabberte er liebevoll mit seinen Lippen an Claires dargebotener Hand.
»Das ist Compañero! - Señora, Sie haben einen guten Blick für Pferde! Er ist ein absolutes Verlasspferd. Geländesicher und auch prekären Situationen gewachsen. Möchten Sie ihn probereiten?«
Diegos Stimme klang immer noch ein wenig streng, aber bei weitem nicht mehr so aggressiv.
»Gerne!« Claire hatte sich augenblicklich in das freundliche Tier verliebt.
»Warten Sie, Pedro soll ihn satteln!« Diego streifte dem Wallach ein Zaumzeug über und führte ihn aus seiner Box.
Wenig später betraten sie mit Compañero den Reitplatz. Diego wollte Claire beim Aufsteigen behilflich sein. Doch die winkte nur ab. Leichtfüßig schwang sie sich in den Sattel und beugte sich zum Hals des Pferdes hinab.
»So, Großer, dann wollen wir mal! - Zeig mir, was Du kannst!«
Compañero spitzte die Ohren. Auch er mochte die Reiterin auf Anhieb. Seine Muskeln lockerten sich und unter Claires leichtem Schenkeldruck setzte er sich in Bewegung. Zügig ritten sie so eine Runde im Schritt. Dann schnalzte Claire aufmunternd mit der Zunge.
»So Kumpel, das war zum Aufwärmen! Jetzt lass mal dein spanisches Temperament heraus. Auf geht’s - vamos!«
Der Wallach schnaubte zur Antwort. Er hatte nur auf ein Kommando in dieser Art gewartet. Allzu gerne wollte er zeigen was in ihm steckte. Seine Bewegungen wurden schneller und er verfiel in einen leichten Trab. Eifrig befolgte er jedes von Claires Kommandos. Rechts herum, links herum ... Claire war begeistert. Sie bildete mit dem Tier eine Einheit. Dann ließ sie ihren Schenkeldruck noch ein wenig energischer werden. Wie eine Rakete schoss Compañero los. Er wusste, dass seine Reiterin fest im Sattel saß. Beide flogen förmlich über den Platz. Claire ließ ihn gewähren und passte sich seinen Bewegungen an.
Diego stand am Rande des Reitplatzes und verfolgte die Deutsche mit bewundernden Blicken. Sein Groll war längst verflogen und er musste sich eingestehen, dass sie verdammt schön anzuschauen war. Und in ihren Reitkünsten erinnerte sie ihn an sie ... . Schlagartig verfinsterte sich seine Miene und eine tiefe Trauer überkam ihn wieder.
Claire nahm inzwischen Anlauf und ließ Compañero schräg über die Längsseite zum Ausgang galoppieren. Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen kam sie kurz vor Diego zum Stehen. Überschwänglich lobte sie den Grauen und schwang sich aus dem Sattel. Noch einmal schmiegte sie sich an Compañeros Hals und drückt ihn verliebt. Sie hatte endlich ihre Lebensfreude wiedergefunden. So losgelöst war sie die ganzen letzten Monate nicht mehr gewesen.
»Er ist wunderbar! Was wollen Sie für ihn haben!« Claire strahlte Diego an und übersah absichtlich seine offensichtlich schlechte Laune. Der arrogante Spanier konnte ihr doch den Buckel hinunterrutschen. Sie wollte lediglich ein Pferd von ihm kaufen!
Sie wurden sich schnell über den Verkaufspreis einig, als aus der Ferne ein lautstarkes Geblöke, gefolgt von allerlei spanischen Flüchen, zu vernehmen war.
»Ach ja, da ist noch eine Kleinigkeit, Señora Bennett!« Diego war es sichtlich peinlich, dass er dieses Thema anschneiden musste. »Compañero hat ein kleines Handicap!«, begann er vorsichtig.
»Ach nein!« Claire verzog die Miene. »Ist er krank?«
»Nein, nein, er ist kerngesund! Aber er wird wenn, dann nicht alleine kommen!«
Claire sah ihn verständnislos an, als im gleichen Moment ein graues Etwas laut schreiend um die Ecke bog, schnurstracks auf den grauen Wallach zu.
»Das ist Tequila!«
»Ein Esel!«, kreischte Claire verzückt.
Diego deutete diesen Aufschrei falsch und versuchte die Situation zu retten.
»Ja, die Beiden sind unzertrennlich. Er war eines Tages einfach da und Compañero hat ihn adoptiert. Seitdem leben die Beiden praktisch ständig zusammen. Er macht kaum Arbeit und frisst auch nicht wirklich viel. Man muss sich quasi nicht um ihn kümmern. Er ist vollkommen selbstständig und versorgt sich selbst. Aber er rennt Compañero hinterher wie ein Hund.«
Claire war inzwischen zu den beiden ungleichen Freunden gegangen. Tequila stellte sich sofort vor seinen deutlich größeren Freund, als ob er Claire noch einmal verdeutlichen wollte, ohne mich kriegst Du den nicht! Zornig funkelten seine Augen die Frau an. Ein abermals lautstarkes Iiiiahh unterstrich seine Forderung.
Vorsichtig streckte Claire ihre Hand nach dem zotteligen Grautier aus, berührte seinen Kopf und ließ ihre Finger zu seinen Ohren hoch wandern, um sie liebevoll zu kraulen. Tequilas Laune besserte sich deutlich. Verschmitzt sah er jetzt in Claires Augen. Sie waren sich alle drei einig.
Strahlend wandte sie sich dann zu Diego um. »Ich hatte eh schon ein schlechtes Gewissen, wenn Compañero alleine hätte leben müssen. Und wenn sein bester Kumpel nun eben ein Esel ist, dann soll es so sein.«
Ein gleißend heißer Sommertag neigte sich dem Ende zu. Claire genoss den Sonnenuntergang bei einem Glas Rotwein. Genüsslich räkelte sie sich in ihrem Liegestuhl, der unter dem alten knorrigen Olivenbaum stand. Von hier aus konnte sie den wundervollen Garten überschauen. Im Schein von unzähligen, bunt strahlenden Solarleuchten wirkte er mystisch schön und geheimnisvoll. Claire hatte herausgefunden, dass man den Pool mit Unterwasserleuchten in Szene setzen konnte und begeistert schaute sie nun in der aufkommenden Dunkelheit in das immer heller werdende Wasserbecken.
Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas und ließ den Tag nochmal Revue passieren. Sie war endlich einmal wieder geritten und sie hatte sich ein Pferd gekauft. Besser gesagt ein Pferd und einen Esel. Bei dem Gedanken an das ungleiche Freundespaar musste sie unwillkürlich lächeln. Diego Rodriguez da Silva, dieser ebenso gutaussehende wie launische Gutsbesitzer würde ihr die beiden Tiere morgen bereits bringen. Claire ließ sich durch seine Unfreundlichkeit ihre gute Laune und Vorfreude nicht verderben. Sie würde schon bald auf dem Rücken eines Pferdes ... ihres Pferdes die herrliche Landschaft dieser Insel erkunden.
Ein leichter Windhauch zauberte kleine, anmutige Wellen auf den Pool. Spontan bekam sie Lust auf ein erfrischendes Bad. Schnell schlüpfte sie aus ihren Kleidern. Es würde sie ja niemand sehen. Das nächste Anwesen war kilometerweit entfernt. Nackt und ungezwungen sprang sie in das kühle Nass. Mit schnellen Zügen durchquerte sie das Becken mehrere Male, tauchte und drehte sich dabei, wie eine Meerjungfrau. Sie merkte nicht, wie sie aufmerksam von zwei Augenpaaren verfolgt wurde.
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