Den 26.
Ich erblickte in der Ferne Santa Maura (Leucadia), etwas näher Cephalonien (Cephallenia) und südöstlich das Eiland Zante (Zacynthus). Cephalonien lag deutlich vor den Blicken. Wie blau gefärbt erhoben sich die Berge im Süden. Abends gab die hinuntersinkende Sonne diesem Eilande ein besonders malerisches Aussehen. Jedes Uebel hat wieder sein Gutes. Wäre mir nicht der köstliche Ausblick entzogen worden, wenn guter Wind unsere Segel geschwellt hätte?
Sonntags, den 27. Herbstmonat.
Cephalonien stellte sich in den Hintergrund; dafür breitete Zante sich immer mehr aus. Neben vielen Einkerbungen des Landes unterschied ich Wohnungen der Zanteser. Ausgezeichnet schön konnte ich die mir zugewendete Seite der Insel nicht finden.
Endlich tauchte aus dem Meere ein Theil vom griechischen Festlande, der Peloponnes der Alten, das heutige Morea. Gefühle der Bewunderung für die alten Griechen, waren die ersten, die mich ergriffen. Der Bewunderung folgte dann Freude, daß ich so glücklich war, einen Theil ihres Landes zu sehen. Ach, als ich die Feldherren des Kornelius Nepos las, deren Beschreibung mein junges Gemüth so lebhaft anzog, wie hätte ich damals glauben dürfen, daß mein Auge es erreiche? So ungefähr dachte ich beim Anblicke der griechischen Halbinsel.
Abends erkannte man das Licht des Leuchtthurms auf der Insel Stanfagni. Hier soll auch ein griechisches Kloster stehen.
Den 28.
Heftiger Gegenwind, der üble Sirocco hielt mich den ganzen Tag gefangen im Bette. Wir mußten laviren.
Den 29.
Zum Glücke wieder Abendwind, daß die Wellen sich aufbäumten. Er blies uns hübsch weiter.
Für das Auge nur Himmel und Meer.
Abends lief ein Schiff in unsere Nähe. Die Flaggen wurden beiderseits aufgezogen. Durch ein kurzes Sprachrohr ward zu einander gesprochen. Aus den Fragen ergab sich, daß der Hauptmann, mit Reisenden am Borde, von Alexandrien den Weg nach Marseille nehme, und daß in Alexandrien Pest und Cholera herrschen. Diese Nachricht schlug meinen Reisegefährten Cesare ganz nieder, weil er keine Rezepte für die Cholera mitgebracht habe. Der Kapitän seufzte aus Besorgniß, daß die Schiffsladung schwer halten werde. Hat doch ein Jeglicher seinen Grund. Es ist etwas Angenehmes, auf der Wasserwüste Leuten zu begegnen. Der entzückende Abend bewog uns, auf dem Verdecke zu speisen.
Den 30.
Heute fühlte ich zum ersten Male so völlig, daß ich unter einem ganz andern, dem schönsten blauen, aber heißen Himmel lebe. Von der Hitze litt ich zwar nicht, weil ich den Schatten sorgfältig aufsuchte. Schon waren wir über den 36ten Grad nördlicher Breite hinausgerückt.
Den 1. Weinmonat.
Schöne Witterung fuhr fort. Morgens schon erspähete ich einen Gebirgsstreifen von Kandien, welcher über Wolken oder Nebel emporragte. Bescheiden trat die winzige Insel Gozzo auf. Wir wurden bisweilen von Schwalben besucht.
Den 2.
Windstille. Heerrauch, so daß man nicht immer Kreta (Kandien) erblickte. Das Farbenspiel beim Untergange der Sonne gewährte ein herrliches Schauspiel. Westwärts bis zum Schiffe schien das Meer in flüssiges Gold verwandelt. Der Spiegel war glatt, außer den sanften langsamen Wallungen. Das Wasser zeigte sich so liebsam, als lüde es ein, mit ihm den Abschied der Sonne zu verherrlichen. Doch unter dieser gefälligen Schminke grausiger Abgrund. Die Sonne selbst, wie glühendes Erz, goß eine helle, lodernde Säule in das Meer — uns zu. Als die Spanier nach Amerikas Schätzen dürsteten, konnten sie das Gold nicht schöner, nicht reizender sich vorstellen, als es mir vor Augen schwebte.
Den 3.
Windstille. Mittags erhob sich ein leiser Wind, und die Focklee-, so wie die Vormarsleesegel rechterseits bekamen Pausbacken. Indeß stand die Kandia immer noch nahe, und Abends zeigte sich der weitherumschauende Idaberg in seiner ganzen Pracht.
Sonntags den 4. Weinmonat.
Ein wenig Wind. Das schönste Wetter, so warm und so heiter, als in unsern Heumonaten. Der Gedanke erfüllte mich sehr oft mit Freude, daß ich die sommerlichste Witterung genieße, während es zu gleicher Zeit bei uns kalte Morgen und Abende, unfreundlichen Regen und Nebel gebe. Das Land war entschwunden aus dem Gesichtskreise.
Den 5.
Schöne Witterung; wenig Wind. Abends spannte mich die lange Weile so recht auf die Folterbank; doch unberechnete Umstände können sie oft schnell verscheuchen. So flog eine Schwalbe daher, müde, schläfrig und so kirre, daß ich sie schmeichelnd streicheln konnte, zu meiner innigsten Freude. Endlich fing ich sie ohne Mühe mit der Hand. Die Philosophie wappnete und wehrte sich vergebens gegen die Langeweile, und ein kleiner Vogel machte allen Kampf der erstern zu Schanden.
Den 6.
Zum ersten Male waren wir überall vom Nebel eingeschlossen, doch nur auf sehr kurze Dauer. Was hat ein Haus auf dem Lande zu rühmen, wenn Nebel es umgibt? Man sieht Haus und — Nebel; hier sehe ich Schiff und Nebel, und doch noch zur Unterhaltung das frohe Spiel des Windes an den Segeln — — —.
Endlich fing Mittags an ein frischer Nordwest zu blasen, der unser Schiff beflügelte.
Seit zwei Tagen steuerte ein Schiff hinter uns. Wir waren 200 Seemeilen von Alexandrien entfernt, als es die Flagge aufsteckte, zum Zeichen, daß es der Hülfe bedürfe. Das Nothzeichen besteht darin, daß die große Flagge gehißt und in die Quere zusammengezogen wird. Wir segelten dem Schiffe, das wir früher für ein griechisches hielten, sogleich entgegen und bald bekamen wir es in die Schußweite. Welch ein Anblick für mich. Die Flagge ganz roth; am Borde Barbaresken, welche nach Mekka zu wallfahrten vorhatten. Der Kapitän, ein Alexandriner, mit seinem schwarzen Gesichte, dem Turban und den Pluderhosen war ein gar rühriges, lebhaftes Wesen. Ein Matrose mit einem türkischen Bunde bestieg behende die Strickleiter. Unser Schiffshauptmann entsandte jenem auf italienisch den Gruß: Guten Abend. Er wurde von dem alexandrinischen Kapitän in der gleichen Sprache erwiedert. Was verlangen Sie? fragte unser Hauptmann. Er versetzte, daß er Mangel an Wasser bekommen werde, und wenn solches unter den Pilgern ruchbar würde, eine Empörung im Schiffe zu besorgen stände. Unser Hauptmann fragte ihn weiter, ob er keine Krankheit am Borde hätte? Nein, antwortete er, es ist Alles sauber. Budinich versprach ihm Wasser, doch wolle er Windstille abwarten, weil sonst die Fahrt zu viel einbüßen müßte. Um zu beurtheilen, mit wie viel nautischen Kenntnissen der arabische Seemann ausgerüstet ist, genügt einzig noch zu wissen, daß der Reis (Kapitän) die Frage stellte, wie weit es bis Alexandrien wäre? Als er dann die Entfernung erfuhr, erschien er hoch erfreut, und fügte hinzu, daß wir morgen in Alexandrien einträfen. Der Auftritt ergötzte mich ungemein. Ich besah mit bewaffnetem Auge die hingehockten Hadschi (Pilger) in die Runde. Unser Kapitän hatte keinen Gedanken an einen Streifer (Korsar). Ich wußte es nicht, und vertraute dem Hauptmann und — unsern Kanonen.
Den 7.
Vor gutem Winde. Obschon unsere Brigg nicht der beßte Segler war, blieb das egyptische Fahrzeug dennoch zurück, so daß wir es ganz aus den Augen verloren. Unter solchen Umständen wäre es überaus schmerzlich gewesen, einige Segel einzuziehen, bis der Araber uns eingeholt haben würde. Was werden aber die ohne Hilfe zurückgebliebenen Mohammetaner von der christlichen Liebe denken? Als es gestern hieß, daß ein Schiff auf der weiten, hohen See Hilfe begehre, so entzückte mich der Gedanke, daß man selbst auf diesem treulosen Elemente nicht ganz verlassen sei, und ich sagte zum Hauptmann, es sei Christenpflicht, Andern in der Noth zu helfen. Nein, entgegnete er, es sei moralische Pflicht. Noch besser. Denn wenn es bloß Christenpflicht wäre, dem Nebenmenschen beizustehen, was wollten die Mohammetaner, nothleidenden Christen gegenüber, thun, jene Andersgläubigen, welche die christliche Pflicht als solche nicht kennen? Es muß also eine allgemeinere, als bloße Christenpflicht geben. Es ist Menschenpflicht, Andern in der bedrängten Lage hilfreiche Hand zu reichen.
Читать дальше