Hatte der Herr Podestà sich satt gegessen, wozu, als zu einem Lieblingsthema, er sich recht Zeit nahm, so suchten wir Unterhaltung im Spiele. Ich konnte ihm die entzückenden Lorbeeren des Gewinnes leicht gönnen, weil ich das Damenspiel auf italienische Weise erst lernen mußte. Mit den Damen wechselten noch das Karten- und Dominospiel.
Ich vernahm, daß die ganze Familie, mit Ausnahme der verheiratheten Tochter, die Nacht am Borde zubringen werde. Das wird wunderlich hergehen, dachte ich bei mir selbst. Doch schickte sich die Sache ziemlich gut. Matratzen wurden auf den Boden ausgebreitet, und nach langem Aufbleiben legte sich Alles bunt darauf, der Dorfschulze, versteht sich, am breitesten, Cesare und ich steckten uns ohne Komplimente in unsere Bettkasten (cuccietta).
Den 16. Herbstmonat.
Gestern wurden vergebens Versuche gemacht, um die offene See zu erreichen. Die Familie blieb am Borde, essend, trinkend, gähnend, schlafend, strickend, spielend, plaudernd, ganz wie den Tag vorher.
In aller Frühe hörte man Lärm auf dem Verdecke. Man bereitete sich vor, das Schiff flott zu machen. Am Eingange des Hafens scheiterten wieder alle Versuche, den Giusto weiter zu bugsiren. Unter einem azurblauen Himmel, der von keiner Wolke getrübt war, durften wir wieder liegen bleiben. — Alles in majorem gloriam einer Laune.
Es war Mittag, der Tisch gedeckt, das Mahl bereitet. Der Scrivano kam zu melden, daß ein wenig Windstille eingetreten sei, welche die Ausfahrt erlauben dürfte. Sogleich Lärmen und Laufen. Endlich gelang die Zangengeburt. Neun Tage mußten wir uns in dem Hafen von Lossin grande aufhalten. Bei der Ausfahrt pikirte mich eine alte Figur von neunzig Jahren. Es war ein etwas lumpig gekleideter, ehrwürdig aussehender Chorherr, der in einem Kahne herumfischte. So muß die Uebermenge Priester hier ihr Brot verdienen.
Bald erhielt unser Podestà einen Besuch am Borde von seinem Stellvertreter. Ich möchte wohl um keinen Preis dessen Kupfernase gekauft haben, aus lauter Besorgniß für einen Trinker, Notabene für keinen Wassertrinker, gehalten zu werden.
Abends verließ uns die Familie Budinich, welche sich auf ihr Landgut begab. Der Podestà drückte mir zwei Küsse auf den Mund, und der Anstand forderte von mir ein Gleiches. Nichts widersinniger, als daß die Männer sich küssen, und dabei die Bärte aneinander reiben. Mein Urtheil über diese Familie fällt mit Entschiedenheit günstig. Tugendhaftigkeit, Religiosität, die von Bigottismus weit abliegt, hinderten jedoch keinesweges, daß mehr Ordnungsliebe noch eine äußere Zierde wäre. Unsere Matrosen ruderten, vom Kapitän begleitet, die Gäste ans Land, und nach anderthalb Stunden setzten wir unsere Seereise fort. Diesen Tag ergötzten mich zwei Delphine, die drollig davon schwammen.
Den 17.
Links endete der Gebirgszug von Kroazien. Dort in der Nähe liegt Sarah. Südwestlich erblickten wir den Berg von Ankona, dem wir, vom Sirocco genöthiget, uns immer mehr näherten. Der Wind nahm Abends so zu, daß es stürmte.
Den 18.
Diese Nacht brauste der Meeressturm, welcher uns zur Rückkehr zwang. Die Wuth des Meeres vergönnte mir keinen Schlaf, und ich mußte mich selbst in der Cuccietta halten, um nicht von einer Seite auf die andere geworfen zu werden. In der Kajüte purzelte bald dieses, bald anderes Geräthe. Des Morgens wollte ich auch Zeuge des Schauspieles sein. Ich möchte es nicht beschreiben, weil es zu gewöhnlich ist, und beinahe in alle Schilderungen von Seereisen, manchmal selbst da, wohin es im Ernste nicht gehört, als Würze eingestreut wird. Auf dem Verdecke fragte mich der Hauptmann: Wie gefällt es Ihnen? Das ist sehr schön, antwortete ich, hingerissen vom Anblicke. Doch die angenehmen Momente dauerten nicht lange. Auf die Einladung des Hauptmanns ließ ich mich am Steuerborde nieder, im tröstlichen Glauben, daß ich von diesem, wie von einer Brustwehr, geschützt würde. Kaum war ich recht festgesessen, als eine Welle über Bord schlug, mich zudeckte und durch und durchnäßte. Ich legte mich zu Bette um darin das Ende der Szene zu erwarten.
Kurz nach Mittag warfen wir im Hafen San Pietro di Nembo Anker, wo wir schon gestern Abends vorbeigesegelt waren. Unangenehme Gefühle bemächtigten sich meiner, weil das Schicksal mir nicht besser zum Vorwärtskommen dienen wollte.
Den 19.
Wir begaben uns zur Kirche von San Pietro di Nembo. Ohne Thurm, ungemein ärmlich und klein ist sie. Unter einem Dache vereinigen sich brüderlich das Wirths- und Pfarrhaus. Dieses nämlich stellt eine Kammer im obern Stocke vor. Cesare und ich besuchten den Pfarrer. Ein fetter Herr mit einer Perrücke, wußte er über sein Elend viel zu klagen. Er beseufzete sein Schicksal das ihn der Carità unterwerfe. Es sei nicht zu unserer Ehre gesagt, daß die Börse dabei nicht das mindeste Mitleid empfand. Lateinisch verstand der Mann Gottes nicht; höchstens mag ihm das Latein bei der Messe verständlich sein. Auf meine Frage: Quomodo nominatur haec insula? erwiederte er: Ego sum parocho hic. Dieser Mann kann sich, wie der Anschein lehrt, in einer Gemeinde, die nur etwas mehr denn zweihundert Seelen zählt, fett essen.
Ich rede mit meinen Lesern wohl ab. Es ist ebensosehr meinen Ansichten, als meinen Neigungen entgegen, konfessionistische Plänkeleien zu eröffnen. Ich ehre die katholische Religion, aber nicht alle ihre Bekenner, nicht alle ihre Priester. Ich habe es mit Personen zu thun, aber nicht mit der Dogmatik. So sehr ich dem Zartgefühl gegen Andersdenkende und Andersgläubige Rechnung trage, so wenig nehme ich Anstand, ein freies Wort über Personen, ohne Unterschied ihres Glaubensbekenntnisses, zu führen.
Nachmittags besuchte ich die Wohnungen auf der südlich gelegenen Insel San Pietro di Nembo. Dieses Eiland ist im Allgemeinen sehr gedeihlich, und dem größten Theile nach ein Weingarten köstlich schmeckender Trauben. Die Feigen wachsen üppig neben den Oliven. Würde der Bischof in Veglia, Giovanni Antonio, welchem das Eiland angehört, diesem mehr Aufmerksamkeit zulenken, es müßte beinahe zu einem Paradiese erblühen.
Die Wohnungen theilen mit dem Lande nicht das gleiche Lob. Wie die ungarischen, in die Länge gebaut, haben sie nur ein Erdgeschoß; den Kamin trifft man zur Seltenheit, und seine Stelle vertritt die Thüre oder eine Queröffnung im Dache. Nicht minder selten sind die Fenster; ich sah nicht ein einziges. Des Sommers tritt genug Licht durch die Thüre, und wenn, was selten, im Winter die Kälte es nicht erlaubt, die Thüre offen zu halten, so macht man auf dem Herde ein Feuer an, und umlagert dieses, sich zu wärmen. Ich erinnere mich, des Sommers auf Schweizerbergen mich aufgehalten zu haben, da es schneite, und da es nicht weniger kalt war, als es in San Pietro di Nembo mitten im Winter sein dürfte. Ich litt auf dem Berge von der Kälte sehr wenig. Ich setzte mich ans Feuer, oder legte mich ins Bett, wie auch die Hirten zu thun pflegen. Die Häuser von San Pietro di Nembo sind von Stein gebaut und mit Hohlziegeln gedeckt. Anstalten für Bedürfnisse, die ich nicht weiter bezeichne, nahm ich nicht wahr. Das Feld sei ja thätig genug, mögen die Leute denken, indem sie die Reinlichkeit zu niedrig anschlagen. Man suche in San Pietro keine eigentliche Backhäuser. Als ich einem Haufen Steine begegnete, schaute ich hinein, und siehe, es war ein Backofen mit kleinen Broten angefüllt; er mußte wohl zu dem etwas weiter unten stehenden Häuschen gehören. Besonders zog meine Aufmerksamkeit ein Haus auf sich, dessen Mauern bloß aus übereinandergelegten Steinen bestanden, ohne daß sie mit Mörtel verbunden gewesen waren. Ich ging mit buona sera hinein, und fand zwar, daß das Innere der Mauern übermörtelt war. Wer aber hätte hier einen Keller, eine Kammer, eine Küche, eine Stube, eine Mühle gesucht? — Um das Maß der Wirthschaft zu füllen, gleich außen an der Mauer fand sich ein Backofen. Die Gesetze sind gegen die Winzer nachsichtig. Jedes Häuschen verkauft sein eigen Gewächs, und so besteht das Dörfchen aus lauter Schenkhäusern.
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