Gustav Schilling - Der Weihnacht-Abend (Gustav Schilling) (Literarische Gedanken Edition)

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Literarische Gedanken Edition
präsentiert
Der Weihnacht-Abend
von Gustav Schilling

"Der Weihnacht-Abend" ist eine Geschichte des deutschen Dichters und Belletristen Gustav Schilling (1766-1839, voller Name: Friedrich Gustav Schilling).
Alle Bücher der Literarische Gedanken Edition wurden von Originalen transskribiert und für ein verbessertes Leseerlebnis aufbereitet.
Mehr Ausgaben finden Sie auf unserer Homepage unter literarischegedanken.de.

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Der Weihnacht-Abend

von Gustav Schilling

Literarische Gedanken Edition präsentiert

Der Weihnacht-Abend,

von Gustav Schilling

Impressum

Texte: Gustav Schilling

Veröffentlichung: 1817

Herausgeber: Jacson Keating

c/o Papyrus Autoren-Club,

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

jacson@jacsonkeating.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzichtet derzeit auf eine Ablieferung von Kindle-E-Books. (Stand: Mai 2016)

Weitere Titel aus der Literarische Gedanken Edition finden Sie auf unserer Homepage unter www.literar ischegedanken . de

Erstes Kapitel.

Der Nordwind blies, der Schnee fiel in großen Flocken, die Regenschirme zärtlicher Eltern und Liebhaber bedeckten den Christmarkt. „Laßt mich ein Kind seyn!“ sprach Woldemar und zog seinen Freund in das sehenswerthe Gedränge. Hier feilschten Mädchen eine Wiege, dort stand der grämliche Küster unter einer Glorie von Hannswürsten, der General vor dem Stalle zu Bethlehem, der Staats-Rath unter Steckenpferden. Eine Reihe neugebackener, reich versilberter Potentaten lockte die täuschbaren Kinder an.

„Hierher meine gnädigen Herrn!“ rief des Hof-Conditors süße Rosine. „Sehen Sie nur die schöne Bescheerung. Rosseaus Grab, Harlekins Hochzeit, Mariä Verkündigung und diese niedliche Papagena.“ Die Freunde traten näher, besahen das Grab, die Hochzeit, das Mädchen selbst. Lachend verglich sie Julius der Vogelfängerin, Woldemar aber erröthete, denn nur ein Säugling bedeckte Papagenas gesegnete Brust; die Verlegenheit macht’ ihn zum Käufer und Rosine öffnete dankbar ihr Döschen, um ihn mit ächten Diabolini’s zu bewirthen. Der Adjutant störte die Gäste. Wenn es Dir, „sprach er zu Woldemar“ anders noch Ernst damit ist in das neue Frey-Corps zu treten so eile, Dich dem General vorzustellen. Er steht im Begriff zu der Armee abzugehn.

Wisse Freund, „erwiederte dieser“ daß mein Schicksal in den Händen einer unschlüssigen Fee liegt, die mich bald anzieht, bald entfernt, mir heute räth in den Krieg zu ziehen, mich morgen dann nicht lassen will — Doch soll es sich noch heut entscheiden. Damit steckt’ er die wächserne Papagena ein und verschwand unter dem Haufen.

Zweytes Kapitel.

Herr Wahl, der Oheim, und Vormund dieser Schicksals-Göttin saß indeß daheim vor dem Hauptbuch, freute sich der eben gezogenen Bilanz, hieß den Seidenhändler Merker viel freundlicher als sonst willkommen und sprach sofort vom Curs, von Geschäften, vom plötzlichen Fall eines bedeutenden Hauses. Herr Merker schnippte den Staub von seinem Ermel, zog den Stockknopf vom Munde, räusperte sich und rief: „Was fällt das fällt! Wir, denk’ ich, bleiben stehen.“

So Gott will! brummte der Alte und faltete in stiller Andacht seine Hände.

Ich stehe gut.

Ist mir bekannt.

Doch immer noch auf Freyers Füßen. Geduldig zwar, doch auch zuweilen mit Ungeduld. Wenn Ihre Jungfer Nichte sich endlich nun entschliessen wollte — oder bereits entschlossen hätte — Wie?

Dann „fiel der Oheim ein“ wäre uns beyden geholfen, denn das Mädchen ist meine einzige Sorge. Ich sollte mich ärgern, aber das hilft nichts —

Ein Machtwort sprechen, Herr Kollege, ein Machtwort —

Da sey Gott für! Der gab ihr ja, wie uns, den freyen Willen.

So? — Ja! und vier Liebhaber zu meiner Plage.

Bedeuten nichts! den einen haßt, den andern verachtet sie, der dritte ward ihr verdächtig, der vierte endlich ist ein armer Teufel. Ohne Mittel, ohne Tittel, ein Herr von — von nichts sag’ ich Ihnen.

Das sind die Schlimmsten —

Ein redliches Gemüth übrigens —

Heuchelschein! Dem sollten Sie das Haus verbiethen!

Ey bewahre! Herminchen sieht ihn nicht ungern, und wer ihr zusagt, den nehme sie. Die Bräute sind wie Lämmer zu betrachten, die zur Schlachtbank geführt werden; wie arme Sünderinnen denen denn, nach hergebrachter, christlicher Sitte, jedes billige Verlangen allerdings zu gewähren ist. Um ihrer selbst willen nimmt sie ja doch keiner. Den einen kirrt der Mutterwitz, den andern ein Grübchen, den dritten nichts besseres: Sie und Ihres Gleichen — solide Leute mein’ ich — die Mitgift. Und was wird ihr denn für die und für jenes? Evens Erbtheil! die herbe Knechtschaft, Schmerz und Jammer. Wir gehen indeß ein bischen da- ein bischen dorthin und gehaben uns wohl.

Hermine hüpfte jetzt herein, an dem Freyer vorüber zum Onkel hin, welcher nach einem leisen, scherzhaften Wortwechsel das Zimmer verließ. Sie wollt’ ihm folgen als Herr Merker unter steifen Verbeugungen ihren Arm ergriff und Anstalt zu einem Handkuß machte. Das Mädchen zog den Arm zurück, er folgte ihr mit gespitztem Munde, bald tief hinab, bald in die Höhe nach und immer lauter lachte sie, und immer schneller flog die Hand bald rechts, bald links um seinen Scheitel. Der Geneckte ließ jetzt ab; doch stampfte er ein wenig mit dem Fuße. Hermine zog einen niedlichen Pantalon aus dem Ridikül, bedeckte ihn mit Küssen, nannt ihn mit süßen Nahmen, ließ das Männchen aus ihrer Hand in die seine hüpfen und sprach „Den bescheerte mir der heilige Christ.“

Herr Merker sah in dem Sprunge des Püppchens ein Merkzeichen ihrer Gunst. „Da hab ich mich besser angegriffen!“ rief er, an seine Tasche schlagend.

Wahrhaftig? O, ich glückliche. Und das konnten Sie über sich gewinnen?

Was seyn muß, muß seyn! sprach er mit Achselzucken.

Nun, so bescheeren Sie denn! Wir werden ja sehen. Die Gabe schildert den Geber, sie ist das Probemaß seines Geschmacks, und seiner Empfindungs-Weise.

Für’s erste „hob er an“ etwas Sammt zu einer Besetzung, und der ist extra, Theuerste! Dann diesen Ring; ein Erbstück von der seligen Großmutter. Solche Kleinodien machen sich rar. Endlich und zuletzt einen sogenannten Koselschen Gulden den ich in Ihrer Münz-Sammlung vermißte — Wenig mit Liebe. Nehmen Sie! Ohne Widerrede!

Das Mädchen ließ den Sammt auf die Tafel, den Ring in seinen Hut, und das seltene Kabinets-Stück zu Boden fallen, drehte sich unter einem hellen Gelächter um ihre Achse und verschwand.

Herr Merker wußte nicht wie ihm geschah. Ein sauberes Lamm! „sprach er endlich“ Ey wenn Du doch heute noch auf die Schlacht-Bank geführt würdest!

Drittes Kapitel.

Ein Anbether folgte heute den andern, doch Hermine ließ sich verläugnen, sandte ihre Kains Opfer zurück und sah vergebens bis zum Abend dem einzigen Willkommenen entgegen. Woldemar ließ sich nicht blicken. Sie zögerte mit dem Nacht-Essen, sie eilte von Minute zu Minute ans Fenster und als der Onkel endlich zu Bette ging, voll Mißmuth in ihr Schlafgemach. „Der Undankbare!“ schalt das Mädchen und warf den Ueberrock ab. „Der Bestandlose!“ fuhr sie fort, und löste mit Ungestüm die Schleifen. „Der Verblendete!“ setzte sie seufzend hinzu und nahm jetzt befremdet eine wächserne Papagena wahr. Lächelnd saß das Püppchen unter dem Spiegel; es lag ein Notenblatt zu seinen Füßen. Er ist Dir nah! sprach der Text —

Er ist Dir nah, er lauscht am Freuden-Quelle.

Des Kühnen Muth, der Sehnsucht heiße Welle,

Der Liebe Schmerz dräng ihn zur stillen Zelle

In’s Heiligthum der Zauberin.

Hermine ließ das wahrsagende Blatt fallen und warf bestürzt ihre leuchtenden Augen umher, da rauschte der Vorhang des Alkovens und Woldemar trat, einem Genius gleich, aus dem Dunkel. Sie wollt’ ihrem Mädchen rufen, wollte zürnen, wollte fliehen und floh — in seinen Arm. „Tollkühner!“ stammelte sie unter den Küssen des Jünglings. Er zog die Liebliche an’s Herz, ihre Thränen bedeckten ihn; sie verbarg das glühende Gesicht an seiner Brust. „Mein also?“ rief er aus. „O himmlische Weih-Nacht!“

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