„Ja, bei der Waffen-SS. Jetzt will ich aber wirklich von Ihnen wissen, auf was Sie hinaus wollen.“
Das zu beantworten, konnte sich Steiner durchaus erlauben. „Richter Ibrahim Mühsam hatte sich privat für Ihren Großvater interessiert. Die Mühsams sind Juden, verstehen Sie?“
„Juden? Ach ja, die alte Leier. Na und?“
„Wie standen Sie zu Ihrem Opa und seiner Vergangenheit?“
„Unsere Eltern distanzierten sich von ihm, als er Anfang der Siebziger wegen der SS-Sache aus dem öffentlichen Dienst flog. Mein Bruder und ich sind nie in die Gelegenheit oder Verlegenheit geraten, ihn überhaupt kennenzulernen”, erklärte Johann.
„Gut, das reicht mir schon als Antwort. Übrigens kann ich Sie auch beruhigen, was einen eventuellen Verdacht gegen Sie oder Ihre Angehörigen im Mordfall Mühsam angeht. Nach dem gestrigen Urteilsspruch können Sie wohl kaum so schnell genügend Insiderwissen erworben haben, die Taten so begangen haben zu können, wie sie begangen worden sind. Derweil habe ich eine andere Frage. Der Elektroladen Hack-Manherr ist kurze Zeit nach dem Versterben der beiden Inhaber veräußert worden. Wie hoch war der Erlös, und wer hat das Geschäft übernommen?“
Manherr zeigte sich wenig von dieser Frage beeindruckt. „Das dürfte kaum ein Geheimnis sein, Herr Hauptkommissar. Meine Schwägerin Sandra, also die Frau von Wilfried, und Gerda Hack, die Frau von Walter Hack, hatten Ludo Hack und mich mandatiert, den Betrieb zum für sie besten Preis zu veräußern. Ulrich Kemka aus Ossendorf, selber Elektromeister, hat den Betrieb fast diskussionslos für 3 Millionen erworben.“
Steiner hatte der Gerda Hack diese Summe schon beinahe nicht glauben wollen, aber einem vereidigten Steuerberater… „Sie wollen mir gegenüber doch nicht allen Ernstes behaupten, da sei jemand dahergekommen und hat Ihnen spontan eine solche Summe angeboten. Ich will ja nicht behaupten, der Laden sei nichts wert gewesen, aber drei Millionen…?“
„So ist es aber gewesen, und es war überraschend schnell gegangen.“
Der KHK zog ein äußerst skeptisches Gesicht. „Was war denn so interessant an der Firma Hack-Manherr für diesen Herrn Kemka?“
Johann Manherr spitzte seine Lippen, wie es jemand zu tun pflegt, der eine süßlich klingende Lüge von sich zu geben beabsichtigt. „Die Firma Hack-Manherr war auf dem Gebiet von elektrischen Haushaltswaren in Köln und Umgebung führend. Kemka ist mehr auf die Installation von elektrischen Anlagen spezialisiert. Da traf es sich, dass Herr Kemka einerseits ein zweites Standbein in der Kölner Innenstadt suchte und andererseits die Palette seines Waren- und Dienstleistungsangebots um genau die Sparte der elektrischen Haushaltsartikel erweitern wollte.“
Raffinierte Erklärung, dachte Harald, aber wahrscheinlich ließ sie sich auch noch beweisen. Also versuchte er einen nächsten Wurf. „Wer waren denn, wenn ich die Firma Kemka mal nicht weiter berücksichtige, im Endeffekt die Nutznießer des Verkaufs des Unternehmens Hack-Manherr?“
„Gerda sollte bis auf 250.000 Euro alles Erben, was ihrem Mann gehört hatte, also 1.250.000 Euro. Die Viertelmillion, besser gesagt, ein Sechstel seines Anteils an der Firma, sollte an Ludo Hack gehen. So hatte es Walter stipuliert. Mein Bruder Wilfried hatte mich für ein Drittel seines Anteils als Erbe eingesetzt und seine Frau für Zweidrittel.“
„Woher diese Großzügigkeiten zu Gunsten von Ludo Hack und Ihnen?“
„Was mich betrifft, darf ich mir zu Gute schreiben, seinerzeit Wilfried das nötige Geld vorgestreckt zu haben, damit er seinen Betrieb überhaupt erst gründen konnte. Darüber hinaus habe ich ihn und Walter in den letzten Jahren steuerrechtlich beraten. Walters Anweisung, Ludo in seinem Testament zu bedenken, kann ich Ihnen leider nicht erklären.“
„Ihnen ist klar, dass wir die Mordfälle an Ihrem Bruder und Herrn Hack wieder erneut in Angriff nehmen müssen?“
„Das ist ja wohl das Mindeste, was die Angehörigen von der Polizei erwarten.“
Die Spurensicherung hatte inzwischen im Hause Mühsam ein weiteres Versteck von Dokumenten gefunden. Steiner erfuhr davon, als er sich nach seinem Besuch bei Manherr gerade in seinen Mercedes gesetzt hatte.
„Zwölf Auslandskonten mit insgesamt etwa 5 Millionen Euro an Einlagen auf seinem Namen? Haben Sie sich da auch wirklich nicht geirrt?“
„Keinesfalls”, antwortete Arthur Richter, der stellvertretende Chef der Spusi. „Der Gesamtbetrag dürfte eher um einiges höher liegen, da ich die Beträge in englischen Pfund und amerikanischen Dollars nur vorsichtig auf ungefähr umgerechnet habe, weil ich die momentanen Wechselkurse nicht kenne.“
„Das hieße ja, das Vermögen des Ehepaars Mühsam beläuft sich insgesamt auf 8, 9 oder gar 10 Millionen Euro und mehr.“
„Offenbar.“
„Und woher das ganze Geld kommt, ist das ersichtlich?“, wollte Harald wissen.
„Es sind alles namenlose Eingänge”, erläuterte Richter. „Die Vermerke sind aber sehr identisch mit denen, die wir auf den Auszügen der Frau fanden. Mal Wiedergutmachung, mal Reparationen und ähnliche Begriffe.“
„Ich habe inzwischen irgendwo aufgeschnappt, Mühsam habe eine Stiftung für die Hinterbliebenen von Unrechtssystemen gründen wollen. Haben Sie darüber auch etwas auftun können?“, fragte der KHK.
„Nun ja, bei Bankauszügen mit fünfstelligen Zahlen schauen wir sofort genauer hin, aber nicht bei Korrespondenzen”, erklärte Arthur Richter. „Trotzdem kann ich bestätigen, dass es da einen Schriftverkehr zwischen Herrn Mühsam und diversen Ministerien und Ämtern in Düsseldorf, Berlin und Köln gegeben hat, die alle irgendwie mit der Gründung einer Stiftung dieser Art zu tun haben.“
„Wunderbar. Lassen Sie mir bitte diese Dokumente umgehend zukommen.“
Eine offenbar herbe Enttäuschung erlebte Monika, als sie beim LKA Berlin nachfragte, ob man Ahmad Hadad zu einer Vernehmung in ein Kommissariat der Berliner Kripo einbestellen könne.
Ahmad Hadad suche man selber schon seit einer Woche wegen eines anderen Vergehens. Angeblich sei er in sein Heimatland zurückgeflogen, aber da gebe es schwerwiegende Zweifel, weil Hadad einen eineiigen Zwillingsbruder haben soll. Das Markante daran war, dass nur Ahmad offiziell vor vier Jahren nach Deutschland eingewandert war, niemals aber ein Bruder von ihm.
„Welchen Vergehens bezichtigen Sie ihn denn?“, erkundigte sich Monika Mink, die sich nur deswegen mit ihrem Mädchennamen noch zu melden pflegte, weil es eigentlich allen Regelungen des Polizeidienstes widersprach, zwei Leute der gleichen Familie in derselben Einheit oder Kommission zu beschäftigen. Sie war immerhin Harald Steiners Ehefrau.
„Ahmad Hadad und mehrere seiner Vettern sollen hier in Berlin einem sogenannten Hassprediger ziemlich zuträglich gewesen sein”, sagte Kommissar Egon Brunner. „Präziser darf ich jetzt auch Ihnen gegenüber nicht werden. Sie kennen ja das Gerede der Politiker, Juristen und Journalisten über die friedlichen Muslime. Wenn man dazu als Polizist die eigenen Erfahrungen zum Besten gibt, kann einem das schon mal schnell den Job kosten.“
Monika verstand sofort. Harald hätte anstelle von Brunner kein solch großes Blatt vor den Mund genommen und einfach gesagt, „Sie wissen ja, dass Muselmanen sich bei uns ungestraft die größten Dreistigkeiten erlauben können, weil wir zwei Weltkriege verloren und sechs Millionen Juden ermordet haben.“
Ein weiterer Verdächtiger, der als potenzieller Mörder der Mühsams in die engere Wahl fiel, konnte auch nicht auf Anhieb aufgetrieben werden. Es betraf Czeslaw Pilsudski, der wie vom Erdboden verschluckt worden war.
Die anderen Kandidaten konnte man noch für den Abend dieses Tages vorladen.
Steiner machte einen Abstecher nach Dellbrück und wusste nicht echt, weshalb er die Familie Hummel aufsuchen wollte. Es war doch eher unwahrscheinlich, dass aus ihrem Kreis jemand Ibrahim und Marianne Mühsam ermordet hatte. Klaus Hummels Freispruch konnte ihnen nur recht gewesen sein.
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