Imprint
Des Richters Recht – Ein Fall für Harald Steiner
Ansgar Morwood
Copyright: © 2014 Ansgar Morwood
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-0061-6
Personenregister
Harald Steiner: Hauptkommissar der Kripo Köln
Monika Mink: Assistentin Steiners und seine Ehefrau
Patricia Unkel: Kriminalrätin der Kripo Köln
Ralf Frisch: Kommissar der Kripo Köln
Heinz Schmidt: Kommissar der Kripo Köln
Kurt Remich: Hauptkommissar der Kripo Köln
Hubert Land: Oberkommissar der Kripo Köln
Alfred Boomberg: Leiter der Spusi
Ernst Lambrecht: Gerichtsmediziner
Antonia Wimmer: Staatsanwältin
Ibrahim Mühsam: Strafrichter
Marianne Mühsam: Ehefrau von Ibrahim Mühsam
Jonas Mühsam: Sohn von Ibrahim und Marianne Mühsam
Rahel Mühsam: Tochter von Ibrahim und Marianne Mühsam
Wilfried Manherr: Firmeninhaber, wurde ermordet
Sandra Manherr: Ehefrau von Wilfried Manherr
Johann Manherr: Bruder von Wilfried Manherr
Jochen Manherr: Großvater von Wilfried Manherr
Walter Hack: Kompagnon von Wilfried Manherr, wurde ermordet
Gerda Hack: Ehefrau von Walter Hack
Ludo Hack: Bruder von Walter Hack
Klaus Hummel: Angeklagter in einem Mordprozess
Gerhard Hummel: Vater von Klaus Hummel
Jens Hummel: Bruder von Klaus Hummel
Gisbert Zöller: Freund von Rahel und Jonas Mühsam
Thomas Zöller: Rechtsanwalt und Vater Gisbert Zöllers
Oswald Helferich: Chef der Bauabteilung der Kölner Diakonie
Ludwig Kormann: Architekt
Silke Kormann: Architektin
Jessica Jäger: Angestellte bei Kormann
Ulrich Kemka: Inhaber eines Elektrofachbetriebs
Paul Gerber: Inhaber einer Modeboutique
Anita Gerber: Ehefrau von Paul Gerber
Olaf Mattes: Privatdetektiv
Hauptort der Handlungen
Köln
1. Des Richters letztes Urteil
Donnerstag, Richter Mühsams Todestag
Ibrahim Mühsam (63) galt seit Jahren als der unbequemste Vorsitzende am Strafgerichtshof Köln. Unbequem, aber nicht ungerecht. Im Gegensatz zu seinen Kollegen hinterfragte Mühsam Details, über die andere Richter hinwegzugehen pflegten.
Staatsanwälte mochten ihn nicht, weil er sich nicht von ihnen einlullen ließ. Verteidiger mochten ihn nicht, weil er sich selten auf Kompromisse einließ.
Trotzdem oder gerade deswegen wurde er ausnahmslos in Juristenkreisen respektiert, geachtet und sogar als das empfunden, was alle Richter sein sollten, aber selten sind: unparteiisch. Unter Mühsams Vorsitz gab es keine wortgewaltigen Dispute. Der Richter erteilte das Wort, der Richter entzog das Wort. Er quittierte Beleidigungen umgehend und ohne Vorwarnung mit Ordnungsgeldern, verwies Zwischenrufer aus dem Publikum sofort des Saales und duldete kein Gerangel oder Gemeckere auf den Zuschauerrängen. Ein laut werdender Staatsanwalt wurde umgehend von ihm zur Ordnung gerufen. Ein aufmüpfiger Strafverteidiger wurde von ihm gemaßregelt. Er hatte seine strikten Regeln, und alle befolgten strikt seine Regeln. Unter dem Strich hatte es nie einen ersichtlichen Grund gegeben, seinen Führungsstil zu kritisieren.
Daher sollte diesbezüglich besonders sein letzter Prozess, dem er wenige Stunden vor seinem Versterben vorsaß, einigen Leuten noch sehr zu denken geben.
Das Verfahren gegen Klaus Hummel (21) wegen des Doppelmordes an Wilfried Manherr (30) und Walter Hack (29) lag Richter Mühsam von Anfang an schwer im Magen. Vieles sprach eindeutig gegen den Angeklagten und nur wenig für ihn.
Mühsam hatte sich in den ersten drei Prozesstagen ein sehr genaues Bild von den Taten, den Umständen, den Zeugen, den Opfern und vom Angeklagten gemacht. Überwiegend hatte er es der Anklage und der Verteidigung überlassen, die Fragen zu stellen, und ihnen in Maßen erlaubt, gelegentlich ihre Zwischeninterpretationen kundzutun. Wie bereits erwähnt, hatte er sich im Wesentlichen darauf beschränkt das Wort zu erteilen oder zu entziehen. Da die Staatsanwältin Antonia Wimmer (34) und der Rechtsanwalt Volker Liebmann (46) bereits mit seinem Führungsstil von früheren Prozessen her vertraut waren, hatten sie sich artig seiner Moderation angepasst.
Alle anderen Richter hätten bei einem Doppelmord mindestens sieben Sitzungstage veranschlagt. Mühsam meinte aber, schon jetzt genug gehört zu haben, um ein Urteil fällen zu können. Die gesamte Anklage basierte auf Schwammigkeiten.
Um die wenigen Zweifel, die er noch hatte, auszuräumen, zitierte er eine halbe Stunde vor der anberaumten vierten Sitzung Antonia Wimmer, Volker Liebmann und den Hauptkommissar Harald Steiner, der den Fall bearbeitet hatte, in sein Richterbüro.
Der Richter sprach sogleich Klartext. „Meine Dame, meine Herren, ich kann es drehen oder wenden, wie ich will, aber der angeklagte Herr Hummel ist meines Erachtens nicht überführt. Was mir vorgetragen wurde, ist von geringem Gehalt. Da hieß es, Herr Hummel sei ein Alkoholiker, der in einem gewissen Zyklus von nüchtern und beschlagen zu lustig wechselt, dann zu nörglerisch, schließlich zu aggressiv, um dann nach einer Pause von zwei Tagen der Apathie wieder nüchtern zu sein. Die beiden Morde wurden nicht von einer Person ausgeführt, die halbwegs weggetreten ist. Sehen Sie das anders?“
Sofort erfolgte Liebmanns Reaktion. „Natürlich nicht.“
Anders die Wimmer. „Gerade der verwirrte Geist kann seltsame Dinge projizieren.“
Mühsam schien keinem der beiden Kommentare eine Bedeutung beizumessen und wandte sich nahezu demonstrativ KHK Steiner zu. „Was ist Ihre Meinung?“
Steiner zeigte sich ziemlich desinteressiert, während er antwortete. „Ich pflichte Ihnen bei, Herr Vorsitzender, Klaus Hummel ist in keinem Punkt der Anklage überführt.“
„Aber Herr Steiner“, regte sich die Wimmer auf, „Sie selber haben doch sämtliche Beiträge geliefert, die zur Anklage geführt haben.“
Hierauf widersprach Harald energisch. „Meine Leute und ich haben Beiträge geliefert, aber die Entscheidung, daraufhin eine Anklage zu erheben, lag in Ihrem Ermessen.“
Mühsam brach diesen Abschnitt der Diskussion entschieden ab. „Frau Wimmer, meine Herrn, wir brauchen gar nicht über den Geisteszustand des Herrn Hummel während der Tatzeiten zu diskutieren, nicht über seine Alibis oder Motive. Die Beisitzer und ich werden darüber zu entscheiden haben, ob ein junger Mann für fünfzehn Jahre oder mehr hinter Gittern wandert oder nicht. Wenn Ihnen jetzt nichts Besseres einfällt, als was Sie mir während den letzten drei Sitzungstagen vorgetragen haben, werde ich mich gezwungen sehen, den Angeklagten in dubio pro reo freizusprechen.“
„Aber Herr Vorsitzender…“, sprudelte es aus dem Mund der Staatsanwältin hervor, ohne dass eine Fortsetzung folgte.
Ehe das überhaupt geschehen konnte, ergriff Mühsam wieder die Parole. „Noch habe ich mir kein endgültiges Urteil gebildet. Hummel ist nicht der Mann, dem ich meine Spargroschen anvertrauen würde. Er ist aber auch nicht der Typ, der mir beim bloßen Ansehen Angst einflößen könnte, wenn ich ihm im Dunkeln auf der Straße begegnete. Mich hat mein Gefühl für Menschen noch selten getäuscht.“
Wie untertänige Lakaien beugten sich gleichzeitig Liebmann und Wimmer vor und lächelten heuchlerisch zustimmend, während Harald Steiner ungerührt stocksteif in seinem Sessel saß.
Der Richter setzte seinen Diskurs fort. „In wenigen Minuten beginnt die vierte Sitzung dieses Verfahrens. Der Angeklagte ist gehört worden, die Zeugen sind gehört worden, die Ermittler sind gehört worden, die Anklage hat ihre Fragen vorgetragen, und die Verteidigung hat ihre Fragen vorgetragen. Mir ist nicht zu Ohren gekommen, es gäbe da noch etwas, was das Gericht sich in diesem Fall anhören müsste…“
Читать дальше