1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 „Darf ich vorstellen: Dies ist Rogopol, der Leiter des Raumhafens.”
Knud stellte ihm seine terranischen Freunde vor. Rogopol begrüßte sie freundlich und warmherzig.
Dieser hatte ein graues, etwas silbrig glänzendes Gesicht, zwei funkelnde, tiefgrüne Augen, hohe Wangenknochen, einen Mund, der ständig zu schmunzeln schien und eine dünne, schmale Nase. Sein ganzer Körperbau wirkte eigenartig disproportioniert: Arme und Beine waren überdimensional lang und schlaksig, sein ganzer Bewegungsablauf seltsam ruckartig und eckig.
Die ausgesprochen melodische und volltönende Stimme passte so gar nicht zu seinem eigenartigen Äußeren. Wahid sah ihn nachdenklich an.
„Sie müssen eine künstliche Lebensform sein”, bemerkte er nach einer Weile, nachdem sich alle eine Zeitlang mit Rogopol unterhalten hatten.
„Das ist richtig. Ich bin, wie ihr es auf der Erde nennen würdet, ein Maschinenwesen. Mein Gehirn verhält sich aber ganz ähnlich wie das Eure, denn es besitzt ebenfalls eine sehr komplexe Verschaltungsarchitektur aus künstlich erschaffenen, neuronalen bioelektrischen Bausteinen.”
„Ihr überlegt bestimmt”, mischte sich Knud ein, als er die überraschten Gesichtsausdrücke seiner Freunde sah, „wie ich nur mit einem Roboter befreundet sein kann. Ihr müsst wissen, dass unsere Nanotechnologie so weit entwickelt ist, dass künstliche Lebewesen mindestens so komplex denken können wie ihre biologischen Vorbilder. Sie sind zu den gleichen Gefühlen, Empfindungen und Gedanken wie Liebe, Furcht, Trauer und Freude fähig wie Menschen. Daher sind sie genauso vollwertige Föderationisten wie alle Lebewesen, die in diesem Staate leben. Natürlich gilt dies nur für Roboter, die ein hoch entwickeltes neuronales Netzwerk besitzen. Tumbe Apparate fallen jedoch nicht darunter. Als man technologisch so weit war, selbstständig denkende Maschinen zu konstruieren, hat man glücklicherweise einige wichtige moralische Hürden berücksichtigt beziehungsweise aus dem Weg geräumt: Es wurde nämlich in weiser Voraussicht ein enormer konstruktionstechnischer Entwicklungsabstand zwischen den so genannten einfachen Geräten, die so beschaffen sind, dass sie keine denkenden und fühlenden Wesen sein können, und den bewusst handelnden Maschinenwesen erzeugt. Dadurch ist man in voller Absicht Diskussionen aus dem Weg gegangen, ab welchem Denkniveau man Robotern staatsbürgerliche Rechte zugestehen musste und ab welchem nicht.
Seitdem diese sehr sinnvolle politisch-wissenschaftliche aber auch moralische Entscheidung herbeigeführt wurde, war jedermann klar, dass es eine weitere Rasse in diesem Schmelztiegel geben würde: Die der ,denkenden Maschinenwesen’. Niemand käme dank dieser weitsichtigen Entscheidung in diesem Staat auf die Idee, diese Roboterart arrogant und respektlos als gefühlskalte Automaten zu beschimpfen. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen biologischen Lebensformen, sich kreativ zu entwickeln, sich politisch zu engagieren, sich zu verlieben oder auch, wenn sie es aus freien Stücken wollen, in letzter Konsequenz Selbstmord zu begehen.”
Mouad blickte Knud und Rogopol fasziniert an.
„Das heißt, es hat hier noch nie Aufstände der Maschinenwesen gegeben?”
Rogopol und Knud wirkten sehr amüsiert über diesen Einwand.
„Ich befürchte”, begann der Androide schmunzelnd, „dass ich Sie alle in dieser Hinsicht schwer enttäuschen muss. Ich weiß, dass es auf der Erde unzählige Zukunftsromane und Fernsehserien gibt, die mörderische Kämpfe zwischen Menschen und Robotern schildern, die fast zur Ausrottung Ihrer gesamten Rasse führen.
Nun, theoretisch könnten wir Maschienwesen so einen Aufstand durchführen. Hoch entwickelte künstliche Lebensformen gibt es schon seit etwa 19 000 Jahren. Aber noch niemals sind wir von irgendwem in dieser Gesellschaft schlecht behandelt worden. Daher gibt es nicht den geringsten Anlass, gegen unsere Schöpfer und Konstrukteure aufzubegehren. Am einfachsten für euch ist es wahrscheinlich, uns als eigenständige, hoch entwickelte, weitere Lebensform in diesem Staat zu betrachten.”
Knud nickte zustimmend.
„Kommt”, meinte Knud endlich zu seinen Freunden, „Rogopol ist ein exzellenter Kenner Narodas. Er hat mir angeboten, uns ausführlich diese sehr interessante und lebendige Stadt zu zeigen und uns zu den Sehenswürdigkeiten zu führen.”
Der gigantische Raumhafen schien übergangslos in eine unterirdische Stadt überzugehen, die Knud ihnen als Naroda vorstellte. Panoramascheiben, die an allen Seiten des Raumports aufragten, ermöglichten Besuchern, die hinter ihnen saßen oder standen, einen Einblick in die kontinuierlich stattfindenden Start- und Landevorgänge. Von Ferne konnten sie unzählige Gäste erkennen, die an Tischen saßen oder schwebten, die sich ihrerseits in langen Reihen auf verschiedenen Geschossebenen hinter den kolossalen Fensterfronten befanden. Selbst aus dieser Entfernung konnten sie sehen, dass diese Etablissements gemütlich mit unzähligen Pflanzen, Wasserspielen und Lampen, die ein warmes Licht verströmten, eingerichtet waren. Bei näherem Betrachten konnten sie Cafés, Restaurants, Bibliotheken (es gab sogar altmodische Bücherregale), Kinos und Geschäfte erkennen. Transportbänder und Fahrstühle verbanden die verschiedenen Einrichtungen miteinander.
Knud und Rogopol hielten zielstrebig auf einen bereits von Weitem auszumachenden, rundherum verglasten Lift zu. Sie erreichten den Fuß der Wand und betraten die Kabine, die sich fast augenblicklich in vertikaler Richtung in Bewegung setzte, während die kolossale Landefläche des Raumhafens unter ihnen versank.
„Wieso konnten wir einfach zwischen den startenden und landenden Maschinen hindurchspazieren? Auf der Erde ist so etwas auf Flughäfen viel zu gefährlich, denn wie leicht könnten dort Passagiere durch abhebende oder einfliegende Flugzeuge zu Schaden kommen”, meinte Saleh, nachdem er eine Weile auf das geschäftige Treiben unter ihnen geblickt hatte.
Knuds Augen leuchteten vor Freude auf. Endlich schien sich dieser junge Mann aus seinem tiefen psychischen Loch herauszuarbeiten.
„Zunächst einmal können alle Maschinen hier vertikal starten und landen und darüber hinaus wesentlich besser auf engstem Raum manövrieren als eure Fluggeräte. Zweitens haben sämtliche Raumschiffe zusätzlich zu einer Technik, die ähnlich dem irdischen Radar funktioniert, einen so genannten Lebewesendetektor, der verhindert, dass Kollisionen mit Föderationisten stattfinden. Bei solch kleinen Gruppen, wie wir es sind, ist es drittens dem Piloten unbenommen, selbst zu entscheiden, ob er zu Fuß den Raumhafen verlässt, oder ein Personentransportgerät anfordert. Weiterhin müsstet ihr die Farbänderung von sandfarben nach grün auf dem Boden bemerkt haben. Sie gibt den rechnergesteuerten kürzesten Weg zum Ausgang an. Und als letzten Punkt ist natürlich die enorme Höhe dieser Halle zu erwähnen. Sie hat den Vorteil, dass reichlich Raum zum Manövrieren verfügbar ist.”
Fast 400 Meter oberhalb des Hangarbodens stoppte der gläserne Lift. Kanei, Aaron, Assiz, Chansu und Ajaz waren froh, das Gerät endlich zu verlassen. Denn nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft war es ihnen zum Schluss ihrer vertikalen Reise gelungen, die beinahe übermächtige Höhenangst zu überwinden. Aber ihre Neugierde hatte anfangs den Ausschlag für ihre Entscheidung gegeben, sich in die optisch völlig offene Kabine zu wagen.
Als Knud in ihre schweißgebadeten Gesichter und auf ihre zitternden Körper blickte, zeigte er sich sehr betrübt.
„Warum sagt ihr mir denn nicht, dass ihr Angst vor Abgründen habt? Mit einem einzigen Befehl hätte ich doch die optischen Eigenschaften des Materials, aus dem die Kabine bestand, so ändern können, dass ihr an Stelle der gläsernen Konstruktion einen massiv metallenen Transportzylinder vorgefunden hättet.”
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