„Ich frage mich immer, wie das zum Beispiel mit dem Beten funktionieren soll. Tausende, vielleicht Millionen Menschen beten zur gleichen Zeit! Und jeder einzelne denkt, Gott hört ihn, wie bitteschön, soll das denn gehen?“ „Ich habe darüber auch sehr oft nachgedacht, Nora. Aber vielleicht ist es so wie am Weihnachtsfest. Millionen von Kindern in aller Welt schreiben ihre Wunschzettel an das Christkind. Jedes von ihnen ist sich sicher, dass zumindest ein Herzenswunsch in Erfüllung geht. Und die meisten werden wahrscheinlich auch nicht enttäuscht, weil das Christkind, Santa Claus, Väterchen Frost oder der Weihnachtsmann unzählige Helfer hat, nämlich die Eltern oder andere liebe Menschen, die die Geschenke besorgen. Und so könnte ja auch Gott unzählige Helfer haben, vielleicht sogar für jeden Menschen einen.“
„Ja, einen Schutzengel! Und dabei fällt mir ein, dass Gott ja auch Kraft und Energie ist. So wie das Sonnenlicht. Und jeder, der sein Haus verlässt und aus dem Schatten tritt, bekommt etwas von diesem Licht und der Wärme ab. Und der Sonne ist es ja egal, ob sie auf eine Million oder auf eine Milliarde Menschen herab scheint. Jeder erhält die gleiche Kraft von ihr.“
„Das ist ein super Beispiel, Nora! So könnte man sich ein Gebet zum Beispiel als den Türöffner und ersten Schritt vorstellen, mit dem man in die Sonne, also im übertragenden Sinne, in das Kraftfeld Gottes eintritt. Und das können unzählige Menschen zugleich tun! Denn diese Kraft ist unerschöpflich und wirkt in jedem einzelnen von uns, wenn man sich ihr öffnet.“ „Lars, ich mag es, wenn Du mir etwas erklärst. Vor allen Dingen machst Du es so, dass ich es auch verstehe. Das ist richtig super!“ „Und ich lerne von dir, Nora!“ „Von mir? Das hast Du jetzt nicht ernst gemeint, oder?“ „Aber ja, ich nehme alles viel intensiver wahr, seit wir uns kennen. Ich finde Deine Leichtigkeit, Deine unbändige Freude und Deine Fröhlichkeit einfach toll. Deine unkomplizierte, frische Sicht auf Dinge hilft mir, manches einfach mal aus anderen Blickwinkeln zu sehen und besser zu verstehen. Denn Deine Ansichten sind nicht verstellt und verbrettert von den vielen Erfahrungen und Bedenken, die Erwachsene nun einmal haben.“
Der Mann und das Mädchen wussten mittlerweile so viel über sich und sie mochten sich mehr und mehr, je näher sie sich kennenlernten. Etwas irgendwie übersinnlich Vertrautes schien sie fest zu verbinden. So, als ob sie sich schon eine Ewigkeit kennen würden. Es beunruhigte Lars allerdings sehr, dass er eigentlich nur noch zwei Zustände kannte: Entweder war Nora bei ihm oder er vermisste sie voller Sehnsucht. Besonders schwer waren die Nächte für ihn, die langen Stunden, in denen er nicht schlafen konnte, wenn die Sehnsucht nach ihrer Gesellschaft in seinem Kopf Karussell fuhr. Sehnsucht nach ihren strahlenden Mädchenaugen, die ihn anblitzten, nach dem frischen Geruch ihrer Haare und ihrer Haut, nach ihren geschmeidigen Bewegungen. Sehnsucht nach ihrem glücklichen Gesicht, wenn der Tag für sie schön war. Und er hatte Sehnsucht nach ihrem Lachen, wenn irgendwas Lustiges passierte, Sehnsucht nach ihrer Stimme, die so ruhig und klar war. In jedem gemeinsamen Augenblick saugte er die Energie der unverbrauchten Jugend auf, die ihm aus allen Zellen ihres Körpers entgegenstrahlte.
Starke Gefühle
Starke Gefühle
An einem hellen Morgen fuhren Nora und er hinaus. Wieder ein herrlicher Tag, sonnig und warm, es herrschte guter Wind und nur wenige Boote waren unterwegs. Nora drängte ihn, sie wollte heute die Yacht unbedingt selbst einmal steuern. Lars erfüllte ihr den Wunsch, stand aber zur Sicherheit hinter ihr am Steuerrad. „Eigentlich ist es verboten.“ „Was denn?“, fragte sie mit Unschuldsmiene. „Ohne Bodenseeschifferpatent - also einem Segelschein - am Ruder zu stehen.“
Sie drehte ihren Kopf nach hinten und warf ihm einen betont unschuldigen Blick zu. „Machst Du eigentlich immer nur Sachen, die erlaubt sind?“. Da war es wieder, dieses unvergleichliche Aufblitzen in ihren schönen Augen. ‚Bleib ruhig Alter‘, sagte er zu sich, ‚ganz ruhig‘, denn er fürchtete sich absolut vor dem, worauf sie jetzt anspielte. An jedem neuen Tag ihres Zusammenseins bemerkte er, dass die Luft zwischen ihnen immer mehr und mehr zu brennen begann. So gelassen wie möglich erwiderte er: „Naja, wenn man erwischt wird oder es passiert etwas, kann das sehr unangenehm werden.“ Er tat so, als ob er ihre Anspielung nicht begriffen hätte. „Hast Du wirklich Angst, dass man uns erwischen könnte?“, fragte sie und drehte sich dabei ganz langsam zu ihm um. Sie stand jetzt so dicht vor ihm, dass ihre Körper sich berührten. Herausfordernd warf sie ihren Kopf in den Nacken und schaute ihm verführerisch in die Augen.
Lars wurde heiß und er fing an zu vibrieren, als er das Verlangen und die Sehnsucht seines Körpers spürte, dieses unbeschreibliche, intensive Gefühl, das in den Nervenbahnen an den Innenseiten seiner Oberschenkel in die Mitte seines Körpers hinaufkroch, er schluckte. Das Mädchen reckte sich an ihm hoch und küsste ihn auf den Mund. Ihre Zunge presste sich durch seine Lippen hindurch. Ihre schlanken Arme wanden sich wie kleine Schlangen um seinen Nacken und ihre Augen lockten ihn. Noras Blick rief ihm zu: ‘Ich will mehr, mehr, mehr, ich will Dich --- heute, jetzt! Dafür bin ich für Dich zu allem bereit!‘ Er wollte von ihr zurückweichen, denn sie sollte seine Erregung nicht spüren. Aber sie ließ es nicht zu und hielt ihn ganz fest. Sie presste sich an seinen Körper und nichts blieb ihr verborgen.
„Nora, bitte quäl mich nicht so. Du spielst mit einem Feuer in dem wir beide verbrennen, wenn wir das tun, wonach wir uns jetzt sehnen.“ Kaum hatte er das ausgesprochen, ließ sie ihn abrupt los und sprang - vollständig angezogen wie sie war - kopfüber in das grünschimmernde Wasser des Sees. Als ihr Kopf endlich wieder auftauchte rief er: „Mach keinen Unsinn Nora, Du jagst mir Angst ein!“ „Wieso hast Du denn Angst, um mich etwa? Oder um Dich oder um was? Du liebst mich doch nicht wirklich!“, schrie sie im Wasser neben dem Boot schwimmend zu ihm hinüber. Er hörte sich ganz ruhig sagen: „Ich liebe dich Nora und genau das ist der Grund, warum wir uns nicht lieben dürfen!“
Mit schnellen Zügen schwamm sie weit von der Yacht weg, während ihre Tränen sich mit dem Wasser des Sees vermischten. Als sie wieder ruhiger geworden war, kehrte das Mädchen um und kletterte ins Boot. Nilsson zog sie sofort an sich, so nass, wie sie war und hielt sie ganz fest umarmt. „Ach, könnte ich doch immer in Deine Arme kommen und so nah bei dir sein, dann wäre alles so gut!“, schniefte sie. Nachdem sie eine halbe Ewigkeit so gestanden hatten und der Mann inzwischen vorne genauso nass war, wie sie, flüsterte Nora ihm ins Ohr. „Ich habe verstanden, was Du eben gesagt hast - und ich lerne zu warten, versprochen. Ich muss Dich und auch mich einfach noch besser kennenlernen.“ Dann ging sie hinunter in die Kabine, um sich trockene Sachen anzuziehen.
Nilsson hatte das blauweiße Schiff schon von weitem kommen sehen und natürlich auch erkannt. Somit war er vorbereitet, als es näher kam und direkt auf seine Yacht zusteuerte. Schon bellte es blechern aus dem Bordlautsprecher: „Herr Nilsson, bitte stellen Sie die Segel in den Wind und stoppen Sie das Schiff!“ Er tat, was die Wasserschutzpolizei verlangte. „Wir drehen jetzt bei und kommen an Bord.“ „Warum wollen Sie das tun?“, fragte er. „Das würden wir gerne zusammen bei Ihnen auf dem Boot besprechen.“ Der Polizist und seine junge Kollegin kletterten sogleich über die Bordwand auf das Deck seines Seglers. „Oh, gleich zu zweit! Was gibt es denn so Wichtiges?“ Die junge Beamtin ergriff sofort diensteifrig das Wort: „Herr Nilsson, wir haben einen Hinweis bekommen, dass Sie vermutlich eine gesetzwidrige Beziehung zu einem minderjährigen Mädchen unterhalten. Wenn dem wirklich so ist, wäre das eine strafbare Handlung.“
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