Bei Brecht ist die ästhetische Theorie vom Marxismus durchdrungen, die „marxistisch-leninistischen“ Ästhetiker haben auf idealistische Ästhetik nur Materialismus darüber gesetzt.
Bei Friedrich Engels die Vorliebe für das englische Recht …
Der „allseitig entfaltete Mensch“ des „entwickelten Sozialismus“ – ein Mensch mit allseitig entfalteten Beziehungen?
Ein bekannter Schriftsteller (Max Walter Schulz): Heute kann man vieles objektiver darstellen als noch vor zehn Jahren. Etwa, dass es KZ-Häftlinge gab, die auch im KZ nicht zu Kommunisten wurden wie Schuhmacher oder Kogon.
Trotzdem gilt der Bezirk Leipzig unter Künstlern weiterhin als „Klein-China“.
Gerstein-Problematik: Um mehr über den Sumpf zu erfahren, muss ich mich ihm nähern. Kaum zu vermeiden, dass man dann dort seine Abdrücke hinterlässt. Derjenige, der die eigene Haut rein erhalten will, bleibt sauberer als der, der sich bei seinen Forschungen beschmutzt. Was man tut, ist einzig eine Frage des Temperaments (der Neugierde).
Filmen auf einem Schiff im Meer: Die Kamera (das Subjekt) schaukelt. Aber auch das Fotografierte (das Objekt) schaukelt. Aber beide schaukeln nicht unbedingt im Takt. Sondern unabhängig voneinander. Wenn auch auf Grund der gleichen Ursache. Der entstandene Film aber soll die Realität wahrheitsgemäß abbilden?
Dogmatiker warnen: Wir sollten Leute wie Peter Weiß nicht so aufwerten als Schon-Fast-Marxisten. Es ist nicht sicher, ob sie alle Maßnahmen verstehen werden, die „wir“ unter Umständen durchführen müssen.
Da sie mit ihrer „Gesellschaftswissenschaft“ nicht den Großteil der Jugend gewonnen haben, betonen sie seit vorigen Herbst (11.-Plenum-Zeit) den „Klasseninstinkt“ bzw. „klassenmäßige Emotionen“. Werden derart „Überzeugte“ einmal – schockartig – mit den wahren Tatsachen konfrontiert, ist der „Totalumfall“ die Folge (wie bei jenen Rot-Frontkämpfern, die nach 1933 hinter der SA hermarschierten, weil sie vordem nur den „Klassenhass“ gelernt hatten, und der für die Erklärung von KdF usw. nicht mehr ausreichte).
Prof. Basil Spiru soll zu Zeiten des Dialogvorschlags in einer Parteiversammlung geäußert haben: Wehner sei ihm in Moskau auch über den Weg gelaufen. Er wäre schon dort sehr barsch gewesen. Eine richtige Feldwebelnatur.
(Der „Dialogvorschlag“ war ein Vorschlag Ulbrichts zu öffentlichen Veranstaltungen in beiden „Deutschlands“ mit Rednern von SED und SPD)
Ein Bekannter: Ca. zehn Jahre ginge das nun schon mit China. 1960 habe noch niemand etwas gegen den „großen Sprung“ gesagt. Jetzt erst wäre man bei uns darauf gekommen, dass der schon 1957 falsch war.
Sich selbst beschädigt man mit einem Brett vor dem Kopf seltener.
Nach einundeinhalb Jahren wieder in den Havemann-Vorlesungen geblättert.
Eine Studentin: Warum ist Solschenizyns „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ nicht bei uns erschienen? Der Professor antwortete mit langen Sätzen, das Buch schade, weil der Westen damit eine Analogie Faschismus-Kommunismus, die es nicht gäbe, zu beweisen versuche. Nach einer Pause mit feinem Lächeln: Im übrigen sei für manchen, der in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gewesen sei, der XX. Parteitag gar nicht so etwas Neues gewesen. Ein anderer Student: Ich habe aber ein Zitat von Lenin gefunden, dass man den Proletariern immer die ganze Wahrheit sagen solle. Der Professor, kein Lächeln mehr: Wo steht das? Das hat Lenin sicher in einem ganz bestimmten Zusammenhang, für einen ganz bestimmten Fall gesagt. So etwas darf man nicht aus dem Zusammenhang reißen. Und er brach das Thema ab.
Intelligenzangehörige aus nichtkommunistischen Familien glauben manchmal der Propaganda, weil sie es von einer Regierung gesagt bekommen.
Der westliche Studentensender hier in Leipzig ist der NDR, bei der Freiwilligenarmee soll man stellenweise sogar noch den Rias gehört haben. In den Studentenheimen wird allerdings zunehmend nur noch Radio DDR angeschaltet. An den Wochenenden zuhause wird jedoch noch der Westen gehört und gesehen.
Schwejk: Über die erste Parteiversammlung, an der er teilgenommen hat: Ach, weißt du, da erzählt man sich gegenseitig, was in der Zeitung steht. Und wenn dann niemandem mehr etwas einfällt, was nicht schon ein anderer gesagt hat, wird die Veranstaltung beendet.
Über seine zweite Versammlung: Auf der wurde mir klar, wie wichtig es ist, dass ich jetzt in der Partei bin. Da wurde nämlich über das Bewusstsein der Kollegen gesprochen. Wie weit jeder bei der Bewusstseinsbildung gekommen sei. Und, weißt du, da ist es doch besser, ich rede über die anderen mit, als dass andere über mich reden.
Die Führung sollte sich endlich an die Existenz von zwei deutschen Staaten gewöhnen und ihre Partei umbenennen: SEderDDR.
Es gibt Leute, die darauf warten, dass Ulbricht stirbt, weil die Sowjetunion dann bestimmte Akten über Wehner veröffentlichen könnte, die sie jetzt noch in Schränken behält, weil auch Ulbricht damit belastet werden könnte.
Junge Ingenieure in der Straßenbahn. Gespräch über Arbeit, Plan, Termine: „Das schaffen die doch nicht.“ „Was die tun?“
Eine Studentin, der ich die Havemann-Vorlesungen gegeben hatte: Das muss jeder kennen! Sie wollte das Büchlein am liebsten ihren Genossen allen unter die Nase halten. Jetzt hält sie mich für einen Feigling, weil ich sie bat, das nicht zu tun.
Ihr Ziel ist nicht mehr das Erreichen der ökonomischen Überlegenheit, sondern die Schaffung eines „neuen Menschen“. Da sie den aber niemals zustande bringen werden, werden sie dessen „Formung“ niemals beenden können. Also niemals ihre Herrschaft aufgeben.
1967
„Ole Bienkopp“ gefällt einigen Funktionären überhaupt nicht. Er guckt dem System zu oft unter die Röcke. Die Schriftsteller sollen aber von oben schauen, aus der „Perspektive der Planer und Leiter“.
Der Künstler ist kein Abbildner der Wirklichkeit. Er reagiert auf sie mit seinem Kopf und seiner Emotion. In seinem Kopf baut er die Wirklichkeit neu auf. In unserer vulgärmaterialistischen Ästhetik ist der Künstler ein widerspiegelndes Wesen, bei Marx ist er jedoch ein schöpferisches Individuum .
Die Angst der Führung davor, von Wehner umarmt zu werden wie die CDU. Der neue Propaganda-Satz: „Nichts verbindet uns mit dem imperialistischen westdeutschen Staat.“ Ich zum Parteisekretär: „Uns verbindet doch etwas: die gleiche Sprache.“ Er zog ein Gesicht.
Die objektiven Grenzen des Sozialismus: die subjektiven Grenzen seiner Spitzenfunktionäre?
Ich habe etwas gegen Kollektive. In ihnen herrschen die lautesten Schreier. Und die Feiglinge sind ihre Verbündeten.
Die stärkste „Waffe“ des Westens hier ist „Panorama“ – eine im Westen sehr umstrittene Einrichtung.
Die (in Ostberlin sitzende ) KPD-Führung soll gegen den Versuch gewesen sein, Havemann nach Westdeutschland abzuschieben. Er würde dort unter den KPD-Mitgliedern zuviel „Verwirrung“ stiften.
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