Walter Brendel
Kriminalfälle aus der DDR
2. Band
Nach Gerichtsakten, Vernehmungsprotollen und Stasi-Unterlagen
Texte: © Copyright by Walter Brendel
Umschlag: © Copyright by Walter Brendel
Verlag:
Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag
Gunter Pirntke
Mühlsdorfer Weg 25
01257 Dresden
gunter.50@gmx.net
Inhalt
Impressum Impressum Texte: © Copyright by Walter Brendel Umschlag: © Copyright by Walter Brendel Verlag: Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag Gunter Pirntke Mühlsdorfer Weg 25 01257 Dresden gunter.50@gmx.net
Einführung
13. Die Hinrichtung des Wolfgang M.
14. Tod eines Funktionärs aus dem Volksbildungsministerium
15. Die kopflose Leiche
16. Zweifacher Totschlag durch einen Stasi-Mann
17. Missbraucht und ermordet
18. Der Tod zweier Jugendlicher
19. Tod einer Pastorin
20. Geheime Privatsache
21. Die Monster-Mutter
22. Das verschwundene Kind
23. Serienvergewaltigung
24. Hetzjagd in Merseburg
25. Zwangsadoption
Zusammenfassung des 2. Bandes
Quellen
Die DDR investiert viel in die Aufklärung von Verbrechen, auch die, die es eigentlich gar nicht geben darf. Bei einen Angriff auf dem Staat kennt die Führung keine Gnade, und was, wenn auch der Klassenfein noch darin verwickelt ist? Viele Fragen bleiben bis heute offen. Als die DDR schon fast an ihrem Ende war, wurde die Todesstrafe abgeschafft. Ihre Aufarbeitung in der Bundesrepublik wird bis heute kontrovers beurteilt. Die Geschichte der DDR spaltet noch immer die Gesellschaft in Ostdeutschland. Das letzte Zeugnis, das der Mensch hinterlässt, ist ein Eintrag in den Friedhofsakten. Wird der Verstorbene verbrannt, macht das Einäscherungsbuch Angaben zur Person, zum Sterbetag und zum Ort der Beisetzung. Jeder Eintrag erhält eine fortlaufende Nummer; diese wird auch auf dem Stein eingraviert, den man vor der Einäscherung in den Sarg legt und dann mit der Urne beisetzt. Für jeden Verbrennungsofen wird zudem ein eigenes Verzeichnis geführt, das sogenannte Ofenbuch. Anonyme Beisetzungen gebe es nicht, versichert Günter Schmidt von der Verwaltung des Leipziger Südfriedhofs. Das gilt auch für Gemeinschaftsgräber ohne individuelle Grabsteine, die erst in der DDR und jetzt in ganz Deutschland Verbreitung gefunden haben.
Blick ins Innere des ehemaligen Gefängnisses in der Südvorstadt von Leipzig, der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR. Vor 25 Jahren, am 26. Juni 1981, wurde mit der Erschießung des Stasi-Offiziers Werner Teske zum letzten Mal ein offizielles Todesurteil in der DDR vollstreckt
Die Akten des Südfriedhofs sind allerdings nicht vollständig. Für den 14. Dezember 1979 heisst es im Einäscherungsbuch unter der Nummer 360 595 nur „Anatomie“. Der Leichnam stammte also angeblich aus dem anatomischen Institut der Universität. Der Vermerk ist unleserlich an den Seitenrand gekritzelt, auch die Nummerierung stimmt nicht. Auf die 599 folgt die 595. Solche Unregelmässigkeiten finden sich in dem penibel geführten Buch sonst nirgends. Als Grabstelle ist das Feld J 30 angegeben, doch dort ruht keine Urne mit der angegebenen Nummer. Der fingierte Eintrag diente der Irreführung. Bei dem anonymen Toten handelt es sich um den Stasi-Offizier Gert Trebeljahr, der am 10. Dezember 1979 wegen Spionage hingerichtet worden war.
Obwohl die Todesstrafe bis zu ihrer Abschaffung im Jahr 1987 die vom Strafgesetzbuch vorgesehene Höchststrafe war, umgab der kommunistische Staat die Ausführung mit einem Geheimnis. Die Todeskandidaten wurden am Tag der Exekution in die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR verlegt: die separat gelegene ehemalige Hausmeisterwohnung des Leipziger Stadtgefängnisses. Hier erfuhr das Opfer, dass es jetzt sterben werde. Der Verurteilte wurde in einen fensterlosen Raum mit einem Abfluss im Boden geführt. Bis 1968 fand die Hinrichtung mit der Guillotine statt. Später trat der Scharfrichter nach sowjetischem Vorbild von hinten an den Delinquenten heran und tötete ihn mit einem Genickschuss. Im Gefängnis wussten nur wenige, dass dessen stellvertretender Direktor als Henker amtierte.
Zeugen waren außer einem Staatsanwalt, dem Leiter der Haftanstalt und einem Arzt der Volkspolizei nicht zugegen. Auch der Totenschein wurde gefälscht. Bis heute kann man nur spekulieren, was die SED zu dieser Heimlichtuerei veranlasste. Vielleicht war es das sowjetische Erbteil der DDR, jene Mischung aus Paranoia und Konspiration, die das Regime Lenins und seiner Nachfolger von Anbeginn begleitete. Nach der Exekution wurden die sterblichen Überreste nicht den Angehörigen übergeben, sondern an einem unbekannten Ort verscharrt. „Jeder Mensch hat das Recht auf sein Grab, das ist so etwas wie ein Grundrecht“, sagt Günter Schmidt.
Nach dem Zusammenbruch der DDR untersuchten Staatsanwälte die anonymen Einäscherungen auf dem Südfriedhof. Mit Hilfe von Gerichtsurteilen und Zeugenaussagen fanden sie die Namen heraus. Da die Herkunft mehrerer Leichen nicht geklärt worden sei, will Tobias Hollitzer vom Leipziger Bürgerkomitee nicht ausschließen, dass es noch unbekannte Hinrichtungsopfer gibt. Konkrete Anhaltspunkte hierfür existieren nicht. Doch der ehemalige Dissident, der die Geschichte der Todesstrafe in seiner Heimatstadt untersuchte, hat bei der Aufarbeitung der Vergangenheit manch Unvorstellbares gesehen. Die DDR vollstreckte die Todesstrafe 160 Mal, überwiegend aus politischen Motiven oder wegen sogenannter Staatsverbrechen. Ab Mitte der siebziger Jahre wurde sie nur noch selten vollzogen. Vier der fünf letzten Opfer waren Geheimdienstleute, denen man Spionage vorwarf.
Der erste Mann im Staat – erst Ulbricht und dann Honecker – konnte jederzeit das Strafmaß verändern.
Auch Sabine Kampf kann die Erinnerung an die DDR nicht abschütteln. Sie war verheiratet mit dem Stasi-Hauptmann Werner Teske, der im Juni 1981 als Letzter in Leipzig hingerichtet wurde. Während im Kinofilm „Das Leben der Anderen“ ein Stasi-Hauptmann eine Überwachungsoperation unbemerkt austrickst, sah die Realität im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) anders aus. Es herrschte ein Misstrauen, das auch kleine Abweichungen von der Norm hart bestrafte.
Aus Frustration über seinen unbefriedigenden Job im Auslandgeheimdienst wandelte sich der ehrgeizige junge Ökonom Teske zum renitenten Kader. Er wollte Wissenschafter sein, nicht Spion. Hinzu kamen familiäre Probleme und Alkohol. Er schimpfte über die SED, vernachlässigte seine Arbeit und unterschlug 20 000 D-Mark, die für Agenten in der Bundesrepublik bestimmt waren. Er gehörte zu den Ermittlern, welche die Flucht eines Stasi-Offiziers in den Westen untersuchten. Auch Teske erwog überzulaufen, doch wollte er seine Frau nicht verlassen. Also blieb er, obwohl er sich dank einem Spezialausweis jederzeit hätte absetzen können.
Einen ersten „strengen Verweis“ erhielt Teske, weil er einen Dienstwagen für eine private Fahrt benutzt hatte. Allmählich kamen die anderen Unregelmäßigkeiten ans Licht. Bei der Durchsuchung der Wohnung fand man in der Waschküche Geheimpapiere, darunter Angaben zu 18 Agenten in Westdeutschland. Teske hatte das Material gesammelt, um es bei einer Flucht mitzunehmen. Damit stand das Urteil fest. Der Chef der Stasi, Erich Mielke, kannte in diesen Fällen keine Gnade: „Das ganze Geschwafel von wegen nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil – alles Käse. Genossen, hinrichten, wenn notwendig auch ohne Urteil.“ Im Jahr nach Teskes Tod machte Mielke in einer internen Besprechung noch einmal deutlich, wie mit Verrätern in den eigenen Reihen zu verfahren sei.
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