„Gott sei Dank, habe ich das endlich kapiert! Vielleicht komme ich dann auch mal mit einer besseren Note nach Hause! Ich glaube, meiner Mutter würde das sicher auch gut gefallen!“, holte Jenny ihre Freundin wieder aus den Gedanken. Sie lachte bei dem Gedanken an Jennys Mutter und an ihr Gesicht, wenn sie tatsächlich mal mit einer guten Note nach Hause kam.
Insgeheim beneidete Jenny Tina, die damit keine Probleme hatte. Tja, was soll`s. Mathematiker wollte sie eh nicht werden. Aber dennoch würde sie sich bald entscheiden müssen. Lange war es nicht mehr bis zu den Sommerferien und damit zum ersten Praktikum. Sie hatte absolut keine Vorstellung davon, was sie machen sollte. Am besten wäre etwas, wobei sie ihre Kraft und nicht ihr Gehirn brauchte. Gab es so was eigentlich?
„Jenny!“, wurde sie plötzlich aus ihren Gedanken gerissen. Ihre Mutter war von der Arbeit zurück.
„Ja, ich komme gleich!“, rief sie zurück, packte ihre Sachen zusammen und stopfte sie in ihre Schultasche, warf sie auf ihr weißes Metallbett und war froh, dass dieses blöde Mathethema erst einmal vom Tisch war. Nach dem Essen könnte sie sich immer noch den Kopf darüber zermartern. Endlich Denkpause.
„Komm, lass uns runtergehen, ich habe einen Bärenhunger!“ Tina stimmte mit einem knurrenden Magen ein. Schnell hielt sie sich den Bauch und lächelte beschämt. Sie hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und das war nicht zu überhören. Jenny lachte, packte ihre Freundin an der Hand und zog sie lachend mit sich die schmale Holztreppe nach unten in die Küche. Ihre Mutter hatte schon eingekauft und nach erster Begutachtung schien es Spaghetti zu geben. Jennys Lieblingsessen.
„Ah, da bist du ja! Hallo Tina!“, begrüßte sie die beiden lächelnd, als sie die Küche betraten. Doch plötzlich sah sie ihre Tochter verwundert an, die die ganze Zeit von einem Ohr zum anderen grinste. „Ist etwas passiert?“
Tina wollte gerade etwas sagen, doch Jenny trat sie leicht gegen ihr Bein.
„Nein, nichts besonders!“, versuchte sie ihr Grinsen zu unterdrücken. Sie wollte nicht vorgreifen und ihrer Mutter von der verstandenen Matheaufgabe erzählen. Wenn sie die auch noch am nächsten Tag in der Arbeit konnte und einmal im Leben eine gute Note mit nach Hause brachte, wäre es noch immer früh genug.
„Bist du sicher?“, sah sie ihre Tochter ernst an.
„Natürlich bin ich mir sicher. Ich musste nur lachen, weil Tinas Magen so laut knurrte, dass du es eigentlich schon hier unten hättest hören müssen!“, zwickte sie ihre Freundin mit warnendem Blick ins Gesicht. Tina kapierte sofort und machte einen verlegenen Gesichtsausdruck.
Laura lächelte die beiden an. Tina war schon Dauergast bei ihnen und manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie nicht nur eine Tochter hatte. Sie kannte Tina schon so lange, dass sie fast zur Familie gehörte und sie konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie mal nicht da war.
„Tina, was ist, bleibst du zum Abendessen?“, strahlte sie. Und wieder meldete sich Tinas Magen. Und das nur bei dem Gedanken an leckere Spaghetti. Sie wurde auf der Stelle rot und verlegen.
„Gerne!“, sah sie ihren Bauch böse an. Plötzlich mussten alle lachen, als dieser nicht auf ihre Warnung hörte.
„Also gut, dann lasst uns mal Spaghetti kochen!“, grinste Jenny und drehte das Glas mit der Soße schon mal auf.
„Hör auf zu grinsen!“, warnte Tina Jenny, die immer wieder lachen musste, weil Tinas Magen zunehmend lauter knurrte.
„Ich kann nicht glauben, dass du seit heute Morgen nichts mehr gegessen hast!“, grinste sie wieder breit.
„Na und, ich bin eben anders als du, ich muss auf meine Figur achten, wenn ich nicht kugelrund werden will!“, sah sie empört mit verschränkten Armen an die Decke.
„Ich kann doch nichts dafür, dass ich nicht zunehme. Und du hast es bestimmt auch nicht nötig zu hungern! Du hast doch eine Top Figur!“, sah sie sie von oben bis unten an.
„Ja, und das nur, weil ich darauf achte. Ich bin eben nicht wie du. Wenn ich ein Stück Schokolade schon sehe, habe ich zwei Kilo drauf!“ Jenny konnte nicht aufhören zu grinsen.
„Das findest du wohl lustig, was? Na warte!“ Sie steckte einen Finger in die Tomatensoße und wischte ihn an Jennys Nase ab. Verdutzt sah Jenny ihr ins Gesicht. Jetzt grinste Tina.
„Siehst du, das hast du jetzt davon!“, streckte sie ihr die Zunge heraus.
Knurrend sah Jenny erst auf den Topf und dann grinsend auf Tina.
„Wag’ es nicht!“, machte sie grinsend einen Schritt zurück, aber nicht weit genug. Schon hatte Jenny den Finger in der Soße und diese in Tinas Gesicht geschmiert. Siegesbewusst verschränkte sie die Arme vor der Brust.
„Das kommt davon, wenn man sich mit mir anlegt!“, musste sie ein Lachen unterdrücken.
„Igitt!“, sah Tina sie entgeistert an.
Nach mehrmaligem Hin und Her hatten sie das Gefühl, dass mehr Soße in ihren Gesichtern und in der Küche verspritzt war als im Topf. Sie sahen sich beide böse an, um dann in schallendes Gelächter zu platzen.
„Ist alles klar bei euch?“, wollte Laura wissen, die gerade den Tisch im Esszimmer deckte.
„Ja klar doch, alles bestens!“, lachten die zwei wieder. Schnell holte Jenny einen Lappen aus der Spüle, um wenigstens die Küche ein wenig sauber zu machen, bevor ihre Mutter einen Herzinfarkt bekommen würde.
„So sieht es bei euch also aus, wenn alles bestens ist?“, stand sie plötzlich hinter Jenny und begutachtete ihr Werk. Zu spät! Jenny sah sie verlegen an und wischte noch an dem Fleck auf dem Küchenschrank. Laura sah von ihr zu Tina. Dann ging sie zur Arbeitsplatte, wo die restlichen Zutaten standen, nahm den geriebenen Käse und ging wieder zurück zu Tina. Sie sah sie sich etwas genauer an.
„Mhh, ich glaube, da fehlt noch etwas!“, hob sie das Tütchen Käse hoch und schüttete es über Tinas Nase. Die war so verdutzt und sah sie mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an. Nur Jenny konnte ein lautes Lachen nicht unterdrücken und schlug sich lachend auf die Knie. Doch dann blieb auch sie stocksteif stehen, nachdem sie die nächste Ladung Käse überbekam. Laura versuchte ernst und böse auszusehen. Doch nach einigen Sekunden hielt sie sich den Bauch vor Lachen und schließlich stimmten Jenny und Tina mit ein.
Nachdem sie endlich gegessen hatten, brachten sie alle zusammen die Küche wieder auf Vordermann. Die Spülmaschine lief schon und auch der Tisch im Esszimmer war schon wieder sauber. Jenny und Tina hatten ihre Gesichter von der Tomatensoße befreit und auch Tinas Magen knurrte nicht mehr. Es wurde langsam dunkel und Tina wollte noch im Hellen nach Hause kommen.
„Bis Morgen!“, verabschiedeten sie sich voneinander.
Jenny versuchte, sich noch einmal an den Matheaufgaben und gab schließlich nach einer Stunde auf. Sie hatte zwar die erste Aufgabe unter Tinas Anleitung verstanden, aber wo sie jetzt auf sich alleine gestellt war, erwies es sich doch als schwieriger, als sie gedacht hatte. Die Mathearbeit würde sie bestimmt wieder verhauen.
In der Nacht träumte sie von Zahlen und Gleichungen und wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Jetzt verfolgte sie diese verdammte Arbeit auch noch im Schlaf. Das konnte ja heiter werden. Den Rest der Nacht schlief sie Gott sei Dank ohne Probleme durch.
Frau Peters, eine Frau an die fünfzig, die nicht gerade mit der Mode ging und schon einige graue Haare hatte, teilte die Arbeitsblätter aus und wie immer wurden Jenny und Tina auseinandergesetzt. Sie glaubte immer, dass Jenny abschrieb. Als würde sie so was machen. Na ja manchmal. Aber bis jetzt hatte sie noch nie jemand erwischt.
Sie sah sich den Zettel an und freute sich über die erste Aufgabe, bis sie sich die Zweite und Dritte ansah. Die Erste war die gleiche, die sie mit Tina geübt hatte, bevor sie keine Lust mehr hatte. Doch jetzt verfluchte sie ihre Lustlosigkeit. Denn die nächsten Aufgaben waren genau die, die sie nach Tinas Verabschiedung alleine geübt hatte. Vergebens. Verdammt, jetzt würde sie wieder nicht das strahlende Gesicht ihrer Mutter sehen können. Denn über eine Vier würde sie wohl wieder nicht hinaus kommen. Die erste Aufgabe war schnell gelöst und bei den nächsten hätte sie genauso gut einen Würfel benutzen können.
Читать дальше