"Ich schlage also vor, dass wir schleunigst Bergbaumaterial anschaffen und Herrn De Geet unsere Aufwartung machen. Zudem sollten wir schnellstmöglich eine Bergbausiedlung aus dem Boden stampfen. Das, meine Freunde, wird die Insel verändern und unserem infrastrukturellen Aufbau neue Impulse geben." Sein Blick wurde glasig, er schien durch die beiden anderen durchzusehen, lächelte dabei jedoch. "Es wird nötig sein, die neue Siedlung irgendwie anzubinden. Wir werden Straßen bauen und Fahrzeuge anschaffen müssen. Könnt ihr euch an die Tunnel erinnern, die Mark und ich gefunden haben?" "Du hast Recht, aber eins nach dem anderen", unterbrach Birga ihn recht unsanft. "Wir sollten De Geet besuchen und herausfinden, was er braucht. Ich würde vorschlagen, zwei von uns gehen, während einer wie gehabt die repräsentativen Aufgaben vor Ort übernimmt."
"Ich bleibe", bot Mark an. Konnte sich dann jedoch nicht verkneifen zu sagen: "Ich will schließlich keine zweite Birgatisierung erleben."
Kapitel III – Am Fuß der Berge – Eine zweite Stadt
De Geet fehlte die Ehrfurcht. Birga sah es genauso wie Mark, doch jetzt gab es Wichtigeres zu tun. Höchstpersönlich waren zwei der drei wichtigsten Männer an die Fundstelle der Rohstoffe gereist. Trotz des erfreulichen Anlasses machte sich dabei eine gewisse Unzufriedenheit breit: Um auf ihrer Insel von A nach B zu kommen, mussten sie immer noch wie die Wilden durch den Busch laufen. Am Fuß der Berge angekommen, brach Sammy vor Freude in Tränen aus. Er bildete das arbeitende Rückgrat des Forschungstrupps. Seine überschwängliche Reaktion auf die Ehre, die ihm zuteil wurde, da die Herrscher ihn persönlich besuchten, unterstrich De Geets Mangel an Wertschätzung. Er verfolgte die Szene eher mit Befremden. Aber wen sollte das wundern? Schließlich war er noch keine Woche auf der Insel, als er schon mit der wichtigen Suche betraut wurde.
Ivan sah das in diesem Moment jedoch nicht. Sofort versank er mit De Geet in ein Gespräch voller technischer Details: Er zählte auf, welche Mittel zum Rohstoffabbau zur Verfügung standen und wollte wissen, was am dringendsten benötigt wurde.
Wie mit Mark abgesprochen, schlugen Ivan und Birga De Geet vor, das Projekt vor Ort zu leiten und Verantwortung dafür zu übernehmen. Der Mittvierziger mit dunklen Haaren, die bereits von grauen Strähnen durchsetzt waren, stimmte zu. Seine Aufgabe in der kommenden Zeit würde es sein, den Rohstoffabbau mit dem begrenzten menschlichen Potenzial auf der Insel voranzutreiben – dabei würde es gerade anfangs unausweichlich sein, mitanzupacken.
Während Ivan und De Geet sich noch weiter in Details vertieften, sah Birga sich die Ebene direkt nördlich der Berge an. Hier würde in den nächsten Wochen ein Bergarbeiterdorf entstehen. Zurück bei Ivan und De Geet sah er, dass sein Regierungskollege bäuchlings in einem kleinen Schacht verschwand, den Sammy und der Geologe gegraben und mit Holzbalken abgestützt hatten. Als Ivan wieder herauskam, versuchte er seine Begeisterung in Grenzen zu halten um sein staatsmännisches Auftreten gegenüber De Geet nicht vollständig zu verlieren. Langsam, Wort für Wort, klärte er ihn über den eigentlichen Clou an der Sache auf: das Höhlensystem, das er und Mark vor über einem Jahr entdeckt hatten. "Von dort aus ist ein problemloser Zugang zu den Ressourcen möglich. Wir können schweres Gerät und die Rohstoffe selbst unterirdisch durch vorhandene Tunnel transportieren und müssen nur noch kurze Schächte zu den eigentlichen Vorkommen graben. Der Arbeitsaufwand hält sich in Grenzen. Wir müssen die Höhlen natürlich etwas an unsere Bedürfnisse anpassen."
"Vielleicht wäre es auch eine gute Idee, einen zusätzlichen Zugang vom Arbeiterdorf zu graben", warf Birga ein.
Ivan und De Geet nickten. "Eine gute Idee".
Birga war erleichtert. Schließlich hatte er jetzt einen wichtigen Teil zu der ganzen Angelegenheit beigetragen, anstatt nur in der Gegend herumzustehen.
Nach dem Austausch erster Ideen verabschiedeten sich die Politiker mit dem Versprechen, das Bergbauprojekt prioritär zu behandeln und dem Geologen die nötigen Mittel zukommen zu lassen. Zudem kündigten sie an, sich um die infrastrukturellen Schritte zu kümmern, die für einen reibungslosen Arbeitsablauf umso wichtiger waren.
Zurück in Settlers Port ordneten sie an, nur dort zu holzen, wo die Bergbausiedlung entstehen sollte. Ein Teil des Holzes blieb für spätere Bauarbeiten direkt vor Ort. Um das Gebiet besser zu erschließen, legten die Holzarbeiter zuerst eine 600 Meter lange Schotterpiste an. Dazu verlängerten sie die Straße, die den inländischen Teil von Settlers Port jenseits des Living River durchquerte. Zudem bauten sie eine simple Holzbrücke über den Rich River, der von den Hängen des Alp Peak herab floss und in einem Delta südlich von Settlers Port in das Meer mündete. Wenige Tage später war am Fuß der Berge eine Lichtung entstanden, die groß genug war, um erste Hütten zu bauen, in denen die Waldarbeiter, aber auch De Geet schlafen konnten.
Sammy half in dieser Zeit den Holzfällern aus. Birga hatte ihn darum gebeten. Außer ihm arbeiteten noch zwei Zugezogene in den Wäldern südlich von Settlers Port. Für die Wegearbeiten wurde auch die Armee herangezogen, was Juan vorübergehend davon abhielt in der Sonne zu liegen und Bier zu trinken – zu seinem Missfallen. Allerdings klärten Mark und Ivan als seine Befehlshaber ihn auf, dass diese Inlandstraße auch militärischen Nutzen habe, weil sie den flachen Norden der Insel mit dem gebirgigen Süden verbinden werde.
Porter und Tanja arbeiteten in dieser Zeit weiterhin in der Behörde, Tanja mit je einer halben Stelle im Finanz- und im Einwohnermeldeamt. Nebenbei kümmerten sie sich selbstverständlich noch um ihre Gärten.
Manuel Arnan arbeitete als einziger ausschließlich in seinem Garten. Er war zwar fleißig, hatte sich jedoch nicht vom Aufruf der Führung begeistern lassen, bei den Holz- und Wegarbeiten zu helfen.
Auch auf politischer Ebene blieb die Inselregierung aktiv. Mit ihrem neugewonnenen Gewicht als international anerkannter und souveräner Staat nahm sie nach und nach diplomatische Beziehungen zu Kiribati, Tuvalu, den Marshall Inseln, Nauru, den Salomonen, Palau, Belize, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und den Grenadinen, Burkina Faso, Gambia, São Tomé und Príncipe sowie Swasiland auf. Vor allem die Karibikstaaten waren dabei wichtig, da die Insel nun auch auf dem amerikanischen Kontinent anerkannt wurde. Verantwortung für die Verbindungen zu den "Freunden in Amerika" übernahm Birga.
Die erfreulichen außenpolitischen Entwicklungen stellten die Inselregierung jedoch vor eine neue Herausforderung: Internationale Kontakte konnten nicht nur per Kommuniqué gepflegt werden und Diplomatenreisen per Boot waren nach Tuvalu oder auf die Cookinseln vielleicht noch machbar. Nach Europa oder in die Karibik zu reisen, war dagegen ein unvertretbarer Aufwand. Kurzum: Ein Flughafen war notwendig geworden. Diesen Punkt hatten die Herrscher, von ihrem eigenen Erfolg überrascht, schlichtweg noch nicht bedacht. Schließlich waren die vereinten Kräfte der Insel bereits auf den Bergbau konzentriert und selbst dieser könnte sich ihrem Willen nach schneller entwickeln.
Bei einem Krisentreffen im geheimen Besprechungsraum stellte Birga Pläne für ein Rollfeld vor: Es sollte im Westteil der Insel vom Fuß des Mt Eden bis auf den kleinen Landvorsprung führen, der die Right-Said-Bay im Westen begrenzte. Dort war Platz vorhanden und es musste nur ein kleiner Hügel abgeflacht werden. Doch alle drei waren sich in der Besprechung einig, dass der Bergbau Vorrang habe. Sobald die erste Schiffsladung Rohstoffe in Taiwan ankäme, würde sich die finanzielle Lage der Insel ein weiteres Mal verbessern. Es war also Eile geboten. Die Bevölkerung würde diese Ansicht teilen.
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