Was sie sprachen, verstand ich nicht, doch die Szene war eindeutig. Der Bauer hatte Angst vor den Besuchern. Immer wieder nickte er und verbeugte er sich vor ihnen. Sie dagegen traten herrisch auf und schienen ihn nicht um etwas zu bitten, sondern ihm Befehle zu erteilen.
Zum Schluss allerdings drückte einer der Kurrether dem Mann einen kleinen Lederbeutel in die Hand - der konnte nur Geld enthalten. Die Dankesgesten und sein leuchtendes Gesicht bestätigten diese Vermutung.
Es wurde Zeit, dass ich mich zurückzog. Von dem treuen Hofhund begleitet verließ ich den Bauernhof und ging bis zum Weg. Dort schickte ich den Hund mit ein paar Gesten zurück, die er sogar verstand. Ich sah ihn wieder, als sich die Tür des Hauses öffnete und die Kurrether herauskamen. Der Hund lief mit dem Schwanz wedelnd auf sie zu, fing sich aber einen Tritt ein, der ihn aufheulend davonrennen ließ.
Die Kurrether verschwanden in der Dunkelheit. Kurz darauf hörte ich den Hufschlag ihrer Pferde, der bald verhallte.
Meine Neugier trieb mich dazu, noch einmal zu dem Bauernhaus zu gehen. Der Hund freute sich, nun wieder gestreichelt zu werden. Durch das Fenster sah ich, wie der Bauer Münzen aus dem Beutel nahm und zum Zählen auf den Tisch legte. Ich öffnete leise die Eingangstür, aber er hörte es und rief: „Was denn nun noch?“ Er dachte, die beiden Besucher kämen zurück.
Schnell trat ich aus dem Flur in den Wohnraum und zog dabei den Degen. Ich bedrohte den Mann nicht damit. Vielmehr hielt ich die Waffe zur Seite, aber bereit zuzuschlagen. Zu meiner Überraschung kam die erste Reaktion nicht von dem Bauern, sondern von seinem Hund. Der zog die Lefzen hoch, sträubte das Fell und knurrte.
„Ich tue ihm nichts, wenn er mir sagt, wofür er das Geld bekommen hat“, sagte ich in beruhigendem Tonfall, wobei meine Worte zwar an den Hund gerichtet schienen, aber ich sah dabei den Mann an.
Das Geld lag noch auf dem Tisch, und die natürliche Reaktion des Mannes war es, mich für einen Dieb zu halten, der es darauf abgesehen hatte. Er schob sich langsam einen halben Schritt nach links, um mir die Sicht auf die Münzen zu nehmen.
„Also, wofür haben die Kurrether dir das bezahlt?“ Mein harscher Tonfall und dass ich ihn duzte, sollten ihm den Eindruck vermitteln, ich sei eine höhergestellte Person.
Es wirkte, denn er begann stotternd: „Sie wollen wissen, ob Fremde hier durchkommen, die auf dem Weg von Dongarth nach Krenndorf sind. Und ob Fuhrwerke oder Kutschen von dort hier vorbeifahren Richtung Hauptstadt. Ich habe ihnen gesagt, dass niemand diesen Umweg durch unsere Gegend machen würde. Aber das war denen egal. Sie haben mir Geld gegeben, als Anzahlung, und mir mehr versprochen, wenn ich jemanden melde.“
„Und wie sollst du ihnen das melden?“
„Ich soll es dem Dorfwachmann in Grebbingen sagen, das ist zwei Meilen von hier. Der gibt es dann weiter.“
„Ein Dorfwachmann, der für die Kurrether arbeitet“, sagte ich abschätzig. „Ist das normal hier?“
Er zuckte mit den Schultern. „Mir egal. Warum wollen Sie das wissen?“
„Weil mich interessiert, was die Kurrether so treiben. Besonders, wenn sie es heimlich tun. Man muss ihnen auf die Finger schauen.“
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie der Hund den Kopf wegdrehte und zu der Tür hinter mir sah. Mit einem Ausweichschritt ging ich zur Seite, hob den Degen und drehte mich um. Ein großer Mann mit dümmlichem Gesichtsausdruck stand im Türrahmen. Er hielt einen Holzknüppel in der Hand. Vermutlich war es ein Knecht, der seinem Herrn helfen wollte.
„Knüppel fallen lassen und langsam hereinkommen!“, befahl ich.
Er befolgte die Anweisung und stellte sich neben den Bauern.
Ich deutete auf das Geld auf dem Tisch. „Egal, wie viel man für Verrat an seinen Landsleuten bekommt, man bezahlt irgendwann mit seinem Leben dafür. Verstanden?“
Der Bauer nickte, ebenso der Knecht, obwohl der vermutlich gar nicht wusste, wovon ich redete.
„Vergesst, dass ich hier war!“ Mit diesen Worten ging ich hinaus, verfolgt von dem knurrenden Hund, der sein Verhalten aber gleich wieder änderte, als ich das Haus verlassen hatte. Er wedelte mit dem Schwanz und begleitete mich bis zum Weg.
Ich kehrte zu meinen Pferden zurück und führte sie an den Zügeln so leise wie möglich an dem Bauernhof vorbei. Als der hinter mir lag und am Horizont das erste rötliche Zeichen des Sonnenaufgangs zu sehen war, stieg ich auf und ritt noch einige Meilen. Dabei passierte ich das Dorf Grebbingen in gebührendem Abstand.
8
Als die Sonne aufging, suchte ich mir einen Lagerplatz an einem Bach, weitab vom Weg. Ich hätte Krenndorf von hier aus sogar zu Fuß bis zur Mittagszeit erreichen können. Aber es schien mir nun angeraten, möglichst die Dunkelheit zu nutzen. Wenn die Kurrether Verräter und Zuträger in den Dörfern und Bauernhöfen der Umgebung bezahlten, durfte man mich auf meinem Weg sehen. Der Auftrag, den mir Fürst Borran erteilt hatte, war schwieriger, als ich gedacht hatte.
Die Frage stellte sich, warum Krenndorf und seine Handwerker so interessant für die Kurrether waren. Denn sie wollten ja insbesondere über Transporte informiert werden, die von dort aus über Umwegen nach Dongarth gebracht wurden. Immerhin jedoch war man nicht gezielt auf der Suche nach mir - falls der Bauer die Wahrheit gesagt hatte. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief ich ein.
Rollender Donner weckte mich am frühen Nachmittag. Ein Gewitter war herangekommen, dunkle Wolken zogen über den östlichen Horizont. Noch hatten sie meinen Standort nicht erreicht. Ich beschloss, das Unwetter als besondere Gunst zu sehen und in seinem Schutz den Weg fortzusetzen.
Ich ritt, bis ich in der Ferne die ersten Häuser sah. Dann suchte ich einen geschützten Ort für die Pferde und ging zu Fuß weiter.
Krenndorf war entgegen dem Namen eine kleine Stadt mit gepflasterten Straßen, fünf Dutzend oder mehr Gebäude und einem Tempel am Stadtrand, der einer mir unbekannten Göttin der Fruchtbarkeit geweiht war.
Das Gewitter fuhr mit einem Windstoß über die Stadt, Regen setzte ein.
Borran hatte mir beschrieben, wo sich die Werkstatt des Kunstschmieds Meister Strutz befand. Ich musste zum anderen Ende der Siedlung, wo ein schmaler Fluss entlang lief. An dessen Ufern hatten sich einige Handwerksbetriebe angesiedelt.
Statt außen herum zu gehen, durchquerte ich den Ort. Wegen des Regens zog ich die Kapuze meines Umhangs über den Kopf und ging leicht vorgebeugt, mich gegen den Wind stemmend. Die wenigen Menschen, denen ich begegnete, verhielten sich nicht anders. Niemand würde vermuten, dass ich kein Bürger Krenndorfs war.
Ich gelangte zu einem großen Gebäude, es war das dritte entlang des Ufers. An das zweistöckige Wohnhaus war eine Werkstatt angebaut, die über einen gewaltigen Schornstein verfügte. Ob Rauch herauskam, konnte ich wegen des strömenden Regens nicht erkennen.
Das Grundstück war von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben, in den ein kunstvoll gearbeitetes Gartentor eingefügt war. Es war nicht verschlossen. Ein Weg führte zur Tür des Hauses. Sie war aus Holz, hatte aber Eisenbeschläge, die ebenfalls verziert waren. Das Muster sah aus wie Blätter, aus denen kleine Blüten wuchsen. Ein Löwenkopf mit mächtiger Mähne, so groß wie meine Faust, diente als Türklopfer.
Ein wuchtiger Mann öffnete. Er trug eine Laterne in der Hand, vermutlich weil es im Haus wegen der Gewitterwolken und des Regens zu dunkel war, um etwas zu erkennen.
„Wer sind Sie?“, fragte er.
„Meister Strutz?“
„Ja.“
„Fürst Borran schickt mich, um etwas abzuholen. Ich habe ein Schreiben für Sie dabei.“
Nachdem er mich ein paar Atemzüge lang gemusterte hatte, wandte sich um und brummte: „Kommen Sie herein.“
Er war groß und kräftig, ging gebeugt und war von unbestimmbarem Alter. Seine krausen, feuerroten Haare und die helle Haut passten so gut zu einem Mann um die dreißig wie zu einem um die fünfzig.
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