1 ...8 9 10 12 13 14 ...23 „Der Tempel und die Akademie verfügen über Geld. Außerdem hat sich Fürst Borran bereit erklärt, bei Bedarf einen Teil der Kosten zu übernehmen.“
„Und das Königshaus?“, fragte ich aus einer Eingebung heraus.
„Wurde nicht von uns gefragt“, antwortete Achain. Es klang, als habe man das Königshaus nicht einmal informiert über dieses Vorhaben.
Ich wartete auf eine Erläuterung, aber vergebens. „Verstehe“, behauptete ich schließlich. Achain hatte Grund genug, über die Königin-Witwe und ihre Ratgeber verärgert zu sein. Er wäre der nächste Erzmagier der Akademie geworden, aber man hatte eine kurrethische Magierin benannt. Als Entschädigung bot man ihm eine Position im Rat der königlichen Verwalter an. Das war ehrenvoll, aber es war bekannt, dass dort nur einer entschied, was gemacht wurde: Rat Geshkan, der mächtigste aller Kurrether.
Für einen selbstbewussten, fähigen Mann wie Achain war es keine Option, als Mitläufer zu agieren - nicht in der Akademie und nicht im Rat. Nun hatte er also eine neue Aufgabe für sich gefunden: das Sammeln allen Wissens der Ringlande. Nur, was hatte das mit mir zu tun?
„Auch die Allgemeinheit soll profitieren von dem, was wir vorhaben“, fuhr der Magi fort. „Deshalb wird die Arbeit der Schreiber nicht in einem abgeschlossenen Bereich des Tempels oder hier in der Akademie stattfinden, sondern in einem Haus, das wir eigens dafür gekauft haben. Das Beben hat die Umbauarbeiten unterbrochen, aber in Kürze wird es seiner Bestimmung übergeben werden. Kennen Sie das ehemalige Handelshaus Prehm? Es war zum Verkauf ausgeschrieben, weil der Erbe des alten Prehm ein moderneres Gebäude nahe dem West-Tor bezogen hat.“
Natürlich kannte ich es. Das Haus stand am Rand der Altstadt. Es war ein ungewöhnlich großes, dreistöckiges Haus aus früheren Zeiten, das genug Platz geboten hatte für den Handelsherrn und seine Familie, sein Warenlager, das Kontor und sogar Pferde und Kutschen. Ich wusste auch, dass es seit einigen Monaten leer stand, eine Seltenheit in der überfüllten Hauptstadt. Aber die Kosten für die Renovierung wurden so hoch geschätzt, dass ein Abriss und Neubau billiger wäre. Das wollte aber der junge Prehm nicht, aus Andenken an seinen Vater.
„Eine gute Wahl“, sagte ich und zwinkerte kaum merklich. „Südlich des Tempels des Einen Gottes, unterhalb der Residenz von Fürst Borran gelegen, und nicht weit von der Akademie entfernt.“ Was meiner Überzeugung nach nur bedeuten konnte, dass dieses Haus an das Tunnelsystem angeschlossen war, dessen Pläne ich mit Merion aus dem Archiv der Königsburg gestohlen hatte. Oder man schuf einen solchen unterirdischen Gang im Rahmen der Umbauarbeiten.
Achain reagierte auf mein Zwinkern mit einem kurzen Lächeln. „Ja, die Lage ist ideal für ein öffentlich zugängliches Gebäude. Dort soll die Bibliothek von Dongarth eingerichtet werden. Sie wird offenstehen für jeden Bürger der Stadt, der sein Wissen erweitern will oder ein Buch sucht, um sich zu unterhalten.“
Das war eine unerwartete, seltsame Idee. Bücher waren teuer und wer eines kaufte, gab es an seine Familienangehörigen und Bekannten weiter, sobald er es gelesen hatte. Es war ein Zeichen von Wohlstand, eine eigene Bibliothek zu besitzen, selbst wenn sie nur wenige Bände umfasste. Eine solche Sammlung von Büchern jedermann zugänglich zu machen, würde bestimmt Anklang finden in der Stadt.
„Ich verstehe immer noch nicht, welche Aufgabe mir in diesem Zusammenhang zugedacht ist“, begann ich nun aufs Neue. „Sollten Sie auf der Suche nach einem ersten Nutzer der Bibliothek sein - Sie haben ihn gefunden! Aber ansonsten habe ich keine Beziehung zu Büchern. Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen kann.“
„Sie haben vielleicht keine Beziehung zu Büchern, aber zu Menschen. Wir möchten zwei Aufgaben in Ihre Hände legen: den Schutz der Bibliothek und die Beschaffung von Informationen aus abgelegenen Gegenden unserer Heimat.“
Meine Augen mussten vor Überraschung groß geworden sein, denn er machte eine begütigende Geste.
„Selbstverständlich sollen Sie das nicht alleine auf sich nehmen. Sie sollen es organisieren.“
„Das bedeutet?“, fragte ich.
„Sie sehen sich das Gebäude der Bibliothek an und entscheiden, wie man am besten verhindern kann, dass wertvolle Bücher daraus gestohlen werden. Sie können nicht abstreiten, dass Sie auf diesem Gebiet über Erfahrung verfügen.“ Er schmunzelte, bevor er fortfuhr. „Deshalb hatte ich gehofft, dass Sie heute ihren Freund Merion mitbringen. Wir möchten auch mit ihm eine Vereinbarung treffen, was die Sicherheit der Bibliothek betrifft.“
Was bedeutete, die Diebesgilde sollte sich verpflichten, ihre Finger von den Büchern zu lassen. Ich nickte verstehend, dachte mir aber, dass das teuer werden würde.
„Und was die Beschaffung seltener Unterlagen angeht, so wünschen wir uns Ihre Unterstützung, indem Sie entscheiden, wer auf die Reise geht und gegebenenfalls, wie viele Personen. Fürst Borran sagte, auch darin haben Sie Erfahrung.“
Das war mir nun regelrecht peinlich. Im Jahr zuvor hatte ich im Auftrag des Fürsten meinen Freund Jonner auf die Suche nach einem Elfenstein geschickt. Jonner war prompt in die erste ihm gestellte Falle gelaufen und ums Leben gekommen. Das als besondere Erfahrung meinerseits zu bezeichnen ...
Nun ja, ich hatte gelernt, mich in wichtigen Dingen hauptsächlich auf mich zu verlassen. Aber das durfte nun nicht bedeuten, dass ich mich jedes Mal auf die Reise machte, wenn ein spezielles Buch aus einer anderen Provinz zu holen war.
„Das ist ein ehrenvoller Auftrag“, begann ich, doch Magi Achain war noch nicht fertig.
„Leviktus und seine Kolleginnen und Kollegen sind hier, um Sie kennenzulernen. Sie alle stehen gemeinsam vor einer neuen Aufgabe, die viele Jahre in Anspruch nehmen wird. In dieser Zeit sollen die Schreiber vertrauensvoll mit Ihnen zusammenarbeiten.“ Er wandte sich an die Schreiber, die schweigend zugehört hatten. „Aron von Reichenstein besitzt das Vertrauen von Fürst Borran, und auch ich konnte mich bereits davon überzeugen, dass er die gefährlichsten Herausforderungen zu meistern versteht. Er ist einer der wenigen Menschen in den Ringlanden, die eine Waffe aus dem alten Kaiserreich ihr Eigen nennen.“
Nun kam Bewegung in die Gruppe. Um sie nicht zu enttäuschen, zog ich den Degen und hielt ihn vor mich, damit sie das Symbol am Ansatz der Klinge sehen konnten: den Löwen über der fünfzackigen Krone. Das sorgte für bewunderndes Gemurmel. Was diese Leute, die ihr Leben in Schreibstuben verbrachten, an so einer Waffe finden mochten, wusste ich nicht. Aber beeindruckt waren sie auf jeden Fall.
Achain sah mich nun durchdringend an. „Sind Sie bereit, der Bitte des Fürsten Borran, und natürlich auch von mir, Folge zu leisten und diese Aufgaben zu übernehmen?“
Die darin verborgene Drohung war, dass ich Borran nicht nur Dank schuldete, sondern auch meinen Lebensunterhalt verdiente, indem ich kleinere Aufträge für ihn erledigte. Einmal davon abgesehen, dass ich seit einem Jahr ein Zimmer in seiner Residenz hatte und mir eine neue Wohnung suchen müsste, wenn ich dieses Angebot ablehnte.
Also akzeptierte ich.
Achain strahlte mich an, als habe er von mir ein Geschenk bekommen, und die Schreiber klatschten sogar Beifall, wenn auch zögerlich. Ich verstand, warum es nötig war, mich als Vertrauensperson darzustellen, ausgestattet mit einer besonderen Waffe. Diese Menschen waren keinerlei Gefahren gewohnt. Es war gut, ihnen das Gefühl zu geben, beschützt zu werden.
„Selbstverständlich wird es Ihr erster Schritt sein, zuverlässige Mitstreiter zu gewinnen“, fuhr Achain nun fort. „Die Bezahlung ist gut und die Herausforderungen sind überschaubar. Machen Sie sich gleich auf den Weg. Und vergessen Sie nicht, mit Merion zu sprechen!“
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