Das Grinsen des schwarzen Redners wurde noch breiter.
„Sie haben uns das ja auch geglaubt. Warum sollten Seelen denn aber nicht unterschiedlich geformt sein und auch mal die Größe von Champagner erreichen. Woher sollten denn die Arbeiter überhaupt wissen wie die Seelen aussehen?“
Gottfried und Gottlieb sahen sich an und berieten in einer kurzen, hektischen Flüsterrunde, während sie in ihrem „Buch der unbekannten Dinge“ nachschlugen. Jetzt erfuhren sie auch etwas mehr über Champagner und die Form seiner Verpackung. Mit neuen Argumenten bewaffnet versuchte Gottfried anschließend die Unverschämtheiten doch noch abzuwehren.
„Champagner gibt es aber nur in diesen harten Dingern …die F l a s c h e n heißen, und die kann man nicht so gut ins Fegefeuer werfen. Die dürfen auch nicht erhitzt, sondern müssen gekühlt werden. Was wollt ihr denn dann euren Arbeitern sagen?“
„Dann sollen sie sie eben in den Kühlschrank stellen, warmer Champagner soll ja sowieso nicht schmecken habe ich gehört. Und ewige Eiseskälte hört sich doch ähnlich schlimm an wie Fegefeuer. W i e und w a s wir unseren Arbeitern erzählen, darum macht ihr euch man keine Sorgen.“
Gottfried und Gottlieb berieten sich erneut im Flüsterton. Ihre Strategie kam ins Schlingern und sämtliche vorbereiteten Argumente waren plötzlich wie Seifenblasen zerplatzt. Auch von den restlichen Delegationsmitgliedern, die jetzt ihre Köpfe dazusteckten, kamen keine zündenden Ideen. Und so wie man bei einem angeschlagenen Boxer nachsetzt um ihm den endgültigen Knockout zu versetzen, meldete sich Ichsachmaa gleich wieder zu Wort.
„Eigentlich müsste euch das doch entgegen kommen. Ihr habt doch selber schon gejammert dass ihr nicht mehr soviel Kartoffeln besorgen könnt.“
Gottfried zog ein entschuldigendes Gesicht.
„Na ja die eine oder andere Missernte mehr kann man den Menschen schon vorgaukeln, aber ob und wo man bei ihnen Champagnerflaschen in d e n Mengen abzweigen kann …hmm …das weiß ich nicht.“
Ichsachmaa, der diese edlen Dinge ja nur vom Hörensagen kannte, guckte ehrlich verdutzt bevor er antwortete.
„Sind denn bei Champagnerflaschen keine Missernten möglich?“
Nun sahen sich die Weißen untereinander belustigt an und kicherten über die scheinbar etwas unterbelichteten Provinzler auf der anderen Seite des Tisches. Obwohl sie ja gerade selber erst aus dem erfahren hatten, dass es sich bei Champagner um eine Flüssigkeit handelte, die in Flaschen aufbewahrt wurde.
Argwöhnisch registrierte Ichsachmaa diese Reaktion. Ausgelacht zu werden war für ihn schlimmer als über ein frisch gestrichenes Kruzifix zu stolpern. Auf seiner Stirn bildeten sich drei Zornesfalten, die den Weißen aber verborgen blieben. Vergnüglich lachten die immer noch ausgelassen, wobei sie sich vorstellten, wie Menschen auf Leitern stehend die Champagnerflaschen vom Baum pflückten, oder per Spaten aus der Erde wühlten. So hatten sie sich ja schon lange nicht mehr amüsiert.
Über das nicht enden wollende Gelächter wurde Ichsachmaa aber immer ungehaltener und bockig versuchte er eine andere Strategie.
„Ach …sollten wir vielleicht doch den Menschen einen Tipp geben, dass ihre Seelen gar nicht ins Fegefeuer kommen …und ihnen auch verraten, wohin ihre Kartoffeln verschwinden …und dass i h r es mit der Wahrheit nicht immer so ganz genau nehmt?“
Schlagartig war das Gelächter verstummt, und Ichsachmaa schrieb sich im Stillen auf seinem imaginären Kriegs-Konto einen weiteren Punkt gut. Gottfried wischte sich verlegen die letzte Lachträne aus dem Auge und wurde wieder Ernst.
„Natürlich sind wir an einer Einigung interessiert …nur eben diese Mengen?“
Ichsachmaa wurde wieder gelassener als er sah dass er genau an der richtigen Stelle angesetzt und nun einen Fuß in der Tür hatte.
„Wir können ja erst mal klein anfangen. Sagen wir mal …zu jedem Sack Kartoffeln gibt’s eine Kiste Champagner.“
Die Weißen bekamen große Augen und die Schwarzen neben Ichsachmaa rieben sich erwartungsvoll die haarigen Hände. Zwischen ihrem glucksenden Gekicher waren immer wieder Wortfetzen zu hören.
„Genau, zum nachspülen …das fetzt …endlich wird’s mal lustig …“
Gottfried, der die auf Antwort wartenden Blicke von Ichsachmaa auf sich gerichtet sah, knabberte auf seiner Unterlippe bevor er langsam mit dem Kopf schüttelte.
„Das schaffen wir nicht …das ist zuviel.“
„Z w e i Säcke und eine Kiste …“, kam Ichsachmaas verbessertes Angebot wie aus der Pistole geschossen.
Gottfried, der als Gewerkschafts-Mitglied in anderen Sphären lange der Tarikkommission angehört hatte, kannte dies Prozedere aus vielen Verhandlungen nur zu gut. Er beugte sich zur Seite und beriet sich einen Moment flüsternd mit Gottlieb bevor er wieder zu Ichsachmaa sah. „Wir beantragen eine Beratungspause.“
Zufrieden über die verunsicherten Weißen nickte Ichsachmaa generös. Auch die anderen Schwarzen sahen die Verhandlung auf einem guten Weg. Während die weiße Delegation auszog um in einem der kleineren abhörsicheren Nebenräume über das Angebot zu beraten, wurde auf der anderen Seite eine Zigarettenpause ausgerufen. Die Stimmung bei den Schwarzen war gut, bestand doch die Aussicht, dass das Leben bald viel bunter würde. Kartoffeln waren ja nicht schlecht, aber irgendwann wurden eben auch die leckersten Aufläufe, mit Käse überbackenen Gratins, Folienkartoffeln oder sonst irgendwie kreativ angerichteten Kartoffelgerichte langweilig. Und da die Weißen ja offensichtlich seeehr an der weiteren Verschwiegenheit der Schwarzen interessiert waren, mussten sie eben auch umfassendere Zugeständnisse machen, ganz einfach. Und warum sollte es dann nicht möglich sein, sich zu beiderseitiger Zufriedenheit zu einigen.
Bei den Weißen sah es dagegen eher düster aus. Einige waren dafür, diesen zwar unverschämten Forderungen trotzdem nachzugeben um wieder Ruhe einkehren zu lassen. Andere dagegen forderten, die Verhandlungen abzubrechen und es einfach drauf ankommen zu lassen um die schwarzen Erpresser ein für allemal loszuwerden. Auch auf die Gefahr hin, dass der Menschheit dann bekannt würde, dass statt der Seelen nur ihre Kartoffeln ins Fegefeuer wanderten.
„Aber wenn keine Strafen mehr drohen wird auch niemand mehr zu uns beten. Unsere jetzt schon immer kleiner werdende Schar der Anhänger wird weiter schrumpfen bis wir alle in Vergessenheit geraten. Niemand wird uns mehr brauchen …“
Der Schriftführer der Weißen hatte das mit besorgter Stimme vorgetragen. Bevor aber jemand antworten konnte, hob Gottfried die Hand und mahnte zur Stille. In seinem Kopf meldete sich die Stimme von Allmächtiger.
Alle Götter haben ja die Möglichkeit untereinander auch über sehr weite Entfernungen per DLMVHZH (Direkte lautlose Mitteilung von Hirn zu Hirn) zu kommunizieren. Diese Methode hatte mehrere Vorteile. Zum einen benötigte man keine Geräte, dessen Akkus in entscheidenden Momenten sowieso immer leer waren, und zum anderen brauchte niemand Angst vor ungebetenen Mithörern zu haben, da diese Übertragungstechnik mit Flüsterfaktor zwölf arbeitete. Wurde jedoch gewünscht, andere mithören zu lassen, konnte bei Empfang auch die Lautstärke geregelt werden. In diesem Fall funktionierten dann die Ohrmuscheln des Empfängers ähnlich wie der Schalltrichter beim Megaphon. Diese Funktion wählte Gottfried nun um alle Beteiligten an der Nachricht teilhaben zu lassen. Weil aber aus seinen Ohren auch Haare wuchsen, klangen Allmächtigers Worte wie durch dichtes Unterholz kletternde Mäuse, raschelnd und besorgt.
„Ich habe die Verhandlung mit angehört …nehmt die Bedingungen an, uns bleibt keine andere Wahl. Beendet das unwürdige Geschacher.“
Ein Knacken folgte, dann waren nur noch leise Schritte zu hören, die wohl von Gottfrieds Gedanken kamen, die im Gehirn wandernd auf- und abgingen. Eilig schaltete er den Außenempfang ab um sich bei seiner Verwirrung nicht zuhören zu lassen, sah dann aber gehorsam in die Runde.
Читать дальше