Für all meine Freunde bei Harcourt Brace Jovanovich.
Personenverzeichnis
Mit Ausnahme der historischen Gestalten sind alle Figuren in diesem Roman frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Menschen aus Vergangenheit oder Gegenwart ist zufällig.
Die Hazards
George Stahlindustrieller in Lehigh Station, Pennsylvania.
Constance Georges Frau.
Stanley Ein farbloser Beamter in Washington mit wachsender Neigung zum Alkohol.
Isabel Stanleys ehrgeizige Frau.
Billy Berufsoffizier, sucht nach dem Bürgerkrieg sein Glück als Bauunternehmer in Kalifornien.
Brett, geb. Main Billys Frau.
Virgilia Militante Verfechterin der Gleichberechtigung für Schwarze.
Die Mains
Cooper Erbe der Main-Plantage in South Carolina, Beamter in Charleston.
Judith Coopers Frau.
Marie-Louise Judiths und Coopers halbwüchsige Tochter.
Charles Coopers Cousin, hat als Berufsoffizier auf der Seite der Sezession gekämpft, wurde deshalb aus der US-Armee ausgeschlossen.
Madeline Witwe von Coopers im Krieg gefallenem Bruder Orry, Verwalterin der Main-Plantage.
Ashton Das verstoßene schwarze Schaf der Familie, schreckt vor nichts zurück, um sich zu rächen.
Weitere wichtige Personen
Elkanah Bent Intimfeind der Familien Main und Hazard, hat nach einer schweren Kopfverletzung den Verstand verloren.
Willa Parker Eine junge Schauspielerin, die alles daransetzt, um Charles Main sein Kriegstrauma bewältigen zu helfen.
Desmond LaMotte Ein Tanzlehrer alter Schule, Verwandter von Madeline Mains erstem Mann, will eine alte Schmach seiner Familie rächen.
Scipio Brown Ein schwarzer Lehrer und Kinderheimleiter, alter Bekannter Virgilia Hazards.
Theo German Ein junger US-Offizier im Dienst in South Carolina, findet große Sympathie bei Marie-Louise Main.
Prolog
Die große Parade 1865
... Friede, Friede rufend, wenn es keinen Frieden gibt.
JEREMIAS 6,14; 8,11
Die ganze Nacht hindurch regnete es in Washington. Kurz vor Tagesanbruch des 23. Mai - ein Dienstag - erwachte George Hazard in seiner Suite im Willard-Hotel. Er legte eine Hand auf die warme Schulter seiner Frau und lauschte.
Kein Regen mehr.
Die Stille war ein gutes Omen für diesen Feiertag. Heute morgen begann eine neue Ära, eine Ära des Friedens, mit einer geretteten Union.
Warum hatte er dann dieses Gefühl drohenden Unheils?
George glitt aus dem Bett. Das Flanellnachthemd umflatterte seine behaarten Waden, als er sich aus dem Zimmer stahl. George war jetzt einundvierzig, ein untersetzter Mann mit kräftigen Schultern, dessen unterdurchschnittliche Größe ihm bei seinen Klassenkameraden in West Point den Spitznamen >Stumpf< eingetragen hatte. Grau durchsetzte sein dunkles Haar und den sauber gestutzten Bart, den er wie so viele andere noch trug, um zu zeigen, daß er in der Armee gedient hatte.
Er schlurfte ins Wohnzimmer, das mit Zeitungen und Zeitschriften übersät war; gestern abend war er zu müde gewesen, um sie noch aufzuheben. Er begann sie einzusammeln und zu stapeln, wobei er sich bemühte, so leise wie möglich zu sein. Im zweiten und dritten Schlafzimmer schliefen seine Kinder. William Hazard III. war im Januar sechzehn geworden. Ende des Jahres würde Patricia dieses Alter erreichen. Das vierte Schlafzimmer gehörte Georges jüngerem Bruder Billy und dessen Frau Brett. Billy würde heute in der Parade mitmarschieren, hatte aber die Erlaubnis erhalten, die Nacht außerhalb des Pionierlagers von Fort Berry zu verbringen.
Die Zeitungen und Zeitschriften schienen Georges düstere Vorahnung verspotten zu wollen. Die New York Times, die Tribune, der Washington Star, die letzten Ausgaben von Army und Navy Journal hörten sich alle gleichermaßen triumphierend an. Während er auf dem Nebentisch einen sauberen Stapel auftürmte, stachen ihm die Sätze ins Auge:
Obwohl unser gigantischer Krieg erst seit einigen Tagen beendet ist, haben wir bereits mit der Auflösung der großartigen Unionsarmee begonnen ...
Sie hat die Rebellion zerschmettert, die Union gerettet und für sich und uns ein Land gewonnen ...
Das Kriegsministerium hat angeordnet, sechshunderttausend Blankoentlassungen auf Pergamentpapier zu drucken ...
Unsere selbstbewußte Republik entläßt ihre Armeen, schickt ihre treuen Soldaten heim, schließt ihre Rekrutierungszelte, hebt ihre Materialkontrakte auf und bereitet sich darauf vor, den düsteren Pfad des Krieges zu verlassen, um die breite, helle Straße des Friedens zu beschreiten .
Die Feierlichkeiten dafür fanden heute und morgen statt: eine große Parade von Grants Potomac-Armee und Uncle Billy Shermans rauhbeiniger Armee des Westens. Grants Männer würden heute marschieren; Shermans Truppen morgen. Shermans Wes-terner taten Grants Männer aus dem Osten spöttisch als >Pa-pierkragen< ab. Vielleicht würden die Westerner ihre Parade mit Kühen und Ziegenböcken, Mulis und Kampfhähnen abhalten, die sie in ihr Camp an den Ufern des Potomac mitgebracht hatten.
Nicht alle Männer, die in den Krieg gezogen waren, würden mitmarschieren. Einige ruhten, getrennt von ihren Lieben, für immer in der Erde, so wie Georges bester Freund Orry. George und Orry hatten sich 1842 als Rekruten in West Point kennengelernt. Gemeinsam hatten sie als Soldaten in Mexiko gekämpft und sich ihre Freundschaft über die Kapitulation von Fort Sumter hinaus bewahrt, in deren Folge der Krieg sie auf verschiedene Seiten stellte. In dessen letzten Tagen fand Orry den Tod bei Petersburg. Nicht in der Schlacht - er fiel der dummen, sinnlosen, rachsüchtigen Kugel eines verwundeten Unionssoldaten zum Opfer, dem er hatte helfen wollen.
Einige der jungen Männer, die der Krieg alt gemacht hatte, zogen immer noch über die Straßen des Südens, auf dem Heimweg zu Not und Elend und Armut in einem Land, das vom Hunger und von den Feuern der Eroberungsbataillone beherrscht wurde. Andere saßen noch in nordwärts fahrenden Zügen, an Körper und Geist verstümmelt von den Kloaken, die als Rebellengefängnisse herhalten mußten. Manch einer der konfö-derierten Soldaten war nach Mexiko verschwunden oder weiter nach Westen gegangen, um seine unsichtbaren Wunden zu vergessen. Orrys junger Cousin Charles hatte den Weg nach Westen gewählt.
Für viele andere hatte der Krieg in Schmach und Schande geendet. Das galt in erster Linie für Jeff Davis, der sich nach Ir-winville, Georgia, geflüchtet hatte. Viele Zeitungen des Nordens behaupteten, er habe der Gefangennahme zu entgehen versucht, indem er sich unter einem Damenkleid versteckte. Wie immer auch die Wahrheit lauten mochte, für gewisse Elemente im Norden war Gefängnis für Davis bei weitem nicht ausreichend. Sie schrien nach dem Strick.
George zündete sich eine seiner teuren kubanischen Zigarren an und ging hinüber zu den Fenstern mit Blick auf die Pennsyl-vania Avenue. Von der Suite aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Route, die die heutige Parade nehmen würde, doch er hatte Sonderkarten für die Tribüne direkt hinter dem Präsidenten. Vorsichtig schob er ein Fenster hoch.
Der Himmel war wolkenlos. Er lehnte sich vor, um den Zigarrenrauch hinauszulassen; überall an den drei- und vierstöckigen Gebäuden der Avenue hingen patriotische Flaggen. Lebhaftere Dekorationen hatten endlich die Trauertücher verdrängt, die man allerorten nach Lincolns Ermordung hatte sehen können.
Ein scharlachrotes Lichtband über dem Becken des Potomac markierte den Horizont. Unten auf der schlammigen Avenue begannen sich Vehikel, Reiter und Fußgänger in Bewegung zu setzen. George sah zu, wie eine schwarze Familie - Eltern und fünf Kinder - in Richtung des Präsidentenparks eilte. Für sie gab es mehr als nur das Kriegsende zu feiern. Der dreizehnte Nachtrag zur Verfassung garantierte ihnen, daß die Sklaverei für immer abgeschafft war; die Staaten mußten ihn nur noch ratifizieren, um ihn zum Gesetz zu erheben.
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