Für Julian Muller, Kein Schriftsteller hatte je einen besseren Freund
Mit Ausnahme der historischen Gestalten sind sämtliche Figuren in diesem Roman frei erfunden. Jede Ähnlichkeit zu realen Personen aus Vergangenheit oder Gegenwart ist rein zufällig.
Es gibt zwei Dinge, die größer sind als alle andern: Das eine ist die Liebe, das andere der Krieg.
Kipling
Die Hazards (Norden)
George Stahlindustrieller in Pennsylvania, West-Point-Absolvent.
Constance Georges Frau, stammt aus dem Süden.
Stanley Ein farbloser Beamter in Washington.
Isabel Stanleys ehrgeizige Frau.
William, genannt Billy Berufsoffizier, West-Point-Absolvent.
Brett, geb. Main Billys Frau, stammt aus dem Süden.
Virgilia Militante Abolitionistin, das schwarze Schaf der Familie.
Die Mains (Süden)
Orry Plantagenbesitzer in South Carolina, Klassenkamerad von George Hazard in West Point und dessen engster Freund.
Cooper Ingenieur, entschiedener Gegner der Sklaverei, setzt sich trotzdem für die Sache des Südens ein.
Judith Coopers Frau.
Ashton Eine schöne Frau, die vor nichts zurückschreckt, um ihren gesellschaftlichen Ehrgeiz zu befriedigen.
James Huntoon Ashtons Ehemann, ein glückloser Anwalt.
Brett Verheiratet mit Billy Hazard in Pennsylvania.
Charles Ein verwaister Cousin, der mit den Main-Geschwistern aufwuchs, Berufsoffizier, Klassenkamerad von Billy Hazard in West Point und dessen engster Freund.
Clarissa Gault Main Das greise Familienoberhaupt.
Weitere wichtige Personen
Elkanah Bent Untalentierter Berufsoffizier, West-Point-Absolvent, Intimfeind von George Hazard und Orry Main.
Madeline LaMotte Justins Frau, floh vor dessen Gewalttätigkeit zu Orry Main, mit dem sie eine langjährige Liebe verbindet.
Justin LaMotte Nachbar der Mains, ein brutaler Sklavenhalter.
Am letzten Tag im April, eine Stunde vor Mitternacht, brannte das Haus. Das ungestüme Läuten der fernen Feuerglocken weckte George Hazard. Er stolperte den dunklen Flur entlang, die Treppen hoch zum Turm des Wohnhauses und trat auf den schmalen Balkon hinaus. Ein kräftiger, warmer Wind fachte die Flammen an und verstärkte ihr Licht. Selbst von seinem Standort aus, hoch oben über der Stadt Lehigh Station, erkannte er das brennende Haus – das einzige ordentliche Haus, das in der schäbigen Gegend nahe beim Kanal noch übriggeblieben war.
Er rannte hinunter in sein schwach erleuchtetes Schlafzimmer und schnappte sich seine Kleider, ohne mehr als einen flüchtigen Blick darauf zu werfen. Er versuchte sich leise anzuziehen, konnte aber nicht vermeiden, daß Constance, seine Frau, aufwachte. Sie war beim Lesen der Heiligen Schrift eingeschlafen – nicht ihre eigene Douay-Version, sondern eine der Familienbibeln der Hazards, in die sie ihren Rosenkranz gelegt hatte, ehe sie das Buch geschlossen und George einen Gutenachtkuß gegeben hatte. Seit dem Fall von Fort Sumter und dem Kriegsausbruch hatte Constance mehr Zeit als üblich über der Bibel verbracht.
»George, wohin rennst du?«
»Es brennt in der Stadt. Hörst du nicht den Feueralarm?«
Immer noch schläfrig rieb sie sich die Augen. »Aber du springst doch nicht immer gleich an die Pumpen, wenn die Glocken läuten.«
»Das Haus gehört Fenton, einem meiner besten Vormänner. In seinem Haushalt hat es kürzlich Ärger gegeben. Vielleicht ist das Feuer kein Zufall.« Er beugte sich über sie und küßte ihre warme Wange. »Schlaf weiter. In einer Stunde bin ich wieder im Bett.«
Er drehte das Gaslicht aus und begab sich schnell nach unten zum Stall. Er sattelte sich selbst ein Pferd; das ging bei weitem schneller, als wenn er einen Stallknecht geweckt hätte. Die Besorgnis spornte ihn zur Eile an. Seine spontane Anteilnahme verwirrte ihn geradezu, denn seit Orry Mains Besuch vor genau zwei Wochen hatte sich George in einem merkwürdig dumpfen Zustand befunden. Er fühlte sich fern vom Leben um sich herum und vor allem fern vom Leben einer Nation, deren eine Hälfte sich losgelöst und die andere Hälfte angegriffen hatte. Die Union war abgetrennt; Truppen wurden zusammengestellt. Und George hatte sich in die Isolation zurückgezogen, als hätte das keinerlei Auswirkungen auf sein Dasein oder seine Gefühle.
Kaum im Sattel, galoppierte er weg vom Herrschaftshaus, das er auf den Namen Belvedere getauft hatte, die gewundene Hügelstraße hinunter auf das Feuer zu. Die starken Windstöße bliesen wie die fauchenden Öfen des Hazard-Eisenwerks; das Haus des Vormanns mußte sich in ein Inferno verwandelt haben. War die freiwillige Werksfeuerwehr schon am Schauplatz? Er betete darum.
Auf der holprigen Straße mußte er sein Pferd fest unter Kontrolle halten. Sein Weg führte ihn an den zahlreichen Gebäuden des Eisenwerks vorbei, wo selbst zu dieser Stunde noch Licht brannte und Rauch und Lärm aufstiegen. Hazard war rund um die Uhr in Betrieb und produzierte Schienen und Bleche für die gerade anrollenden Kriegsanstrengungen der Union. Jetzt jedoch waren Geschäfte das letzte, was der an den Terrassen der besseren Heime vorbeihetzende Mann im Sinn hatte. Durch die ebenen Straßen des Handelsviertels galoppierte er der grellen Hitze des Feuers entgegen.
Seit einiger Zeit schon wußte George von den Problemen in Fentons Haus. Für gewöhnlich hörte er immer, wenn ein Arbeiter Schwierigkeiten hatte. Er wollte es so. Gelegentlich war Disziplin nötig, aber er bevorzugte den Einsatz von Diskussion. Verständnis und Rat, erwünscht oder nicht erwünscht.
Im vergangenen Jahr hatte Fenton seinen herumstreunenden Cousin aufgenommen, einen kraftstrotzenden Burschen, zwanzig Jahre jünger als er. Da ihm das Geld ausgegangen war, brauchte der junge Mann einen Job. Der Vorarbeiter verschaffte ihm einen bei Hazard, und der Neuankömmling führte sich einige Monate recht ordentlich.
Obwohl verheiratet, hatte Fenton keine Kinder. Seine gutaussehende, aber nicht mit besonderer Intelligenz gesegnete Frau stand altersmäßig dem Cousin näher als ihm. Bald schon bemerkte George, daß der Vorarbeiter an Gewicht verlor. Er schien seine Arbeit mit ungewohnter Gleichgültigkeit zu verrichten. Schließlich wurde George Bericht erstattet von einem teuren Fehler, der zu Lasten des Vorarbeiters ging. Und eine Woche später wiederholte sich das.
Letzte Woche hatte ihn George, sowohl um neuerliches Versagen zu verhindern als auch um dem Mann zu helfen, zu einem Gespräch geholt. Normalerweise locker und entspannt, sogar im Gespräch mit dem Besitzer, hatte Fenton nun einen kalten, angespannten, gequälten Ausdruck in den Augen und ließ sich nur ein Zugeständnis entlocken: Er hatte mit häuslichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Mehrfach betonte er die beiden Worte – häusliche Schwierigkeiten. George drückte sein Mitgefühl aus, stellte aber klar, daß die Fehler aufhören müßten. Fenton versprach, dafür zu sorgen, indem er die ›Schwierigkeiten‹ behob und den Cousin aus seinem Haus warf. Mit einem unbehaglichen Gefühl beließ es George dabei, da er die Natur der ›häuslichen Schwierigkeiten‹ ahnte.
Vor sich sah er nun Silhouetten, die vor den Flammen hin und her sprangen; Wasserstrahlen spritzten wirkungslos über das bereits eingestürzte Haus. Das rote Licht spiegelte sich im Metall der veralteten Pumpe und färbte die vier Pferde, die Pumpe und Schlauchwagen vor Ort gezogen hatten; wie schreckliche Bestien aus der Hölle scharrten sie mit den Hufen und schnaubten.
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