„Wann musst du denn wieder bei Mama sein“ fragte sie ihn und er verstand es nicht als Beleidigung.
„Zum Abendbrot“ antwortete er entspannt „nein stimmt nicht, zum Sandmann“, sie lachte.
„Dann, mein Lieber, haben wir ja noch eine Weile Zeit und ich weiß, dass du jetzt mit mir als angehender Intellektueller über die Werke von Sartre philosophieren willst, richtig?“
„Nein, eher über die von Schiller, die Klassiker liegen mir eher.“
„Na gut, dann fang an.“
„Schiller hat sein erstes Werk mit achtzehn geschrieben, ich habe meine erste Frau heute mit achtzehn gehabt. Natürlich fragt sich der Dichter, ob es eine Fortsetzung geben kann.“
„Weißt du, an einer Fortsetzung nach dem ersten erfolgreichen Akt bin ich natürlich interessiert, vielleicht hat der Dichter jetzt auch vor, den zweiten anders zu gestalten, Stoff hat er vermutlich mehr als genug“ sagte sie mit einem Blick auf seinen Schwanz der schon wieder steif wurde.
„Den Vorschlag zur Gestaltung würde ich gern der erfahrenen Dichterin überlassen“ sagte er noch und schob sich auf sie.
Sie küssten sich lange, sie rieb seinen Schwanz, zog ihm ein Kondom über, er streichelte sie am ganzen Körper, mit geschlossenen Augen nahm sie seine Zärtlichkeiten entgegen und stöhnte bald leise, er hatte schon gelernt ihre Erregung zu prüfen und fasste ihr vorsichtig zwischen die Beine. Als er die Feuchte spürte drängte er sich zwischen ihre Schenkel, sie spreizte sie weit und half ihm, das Glied einzuführen. Langsam bewegte er sich in ihr und schaute sie ununterbrochen an als könnte er immer noch nicht fassen was passierte, sie erwiderte seinen Blick und ein Lächeln trat auf ihr Gesicht. Er stieß langsam zu, diesmal wollte er sich zurückhalten und ihren Orgasmus bewusst erleben. Ruth war schnell erregbar und nach kurzer Zeit schloss sie die Augen und begann laut zu stöhnen. Sei es, dass es sie besonders erregte ihn entjungfert zu haben, oder dass sie seit Wochen keinen Sex mehr gehabt hatte, sie kam bald. In diesem Moment stöhnte sie mit geschlossenen Augen lang anhaltend, ihre Finger gruben sich in seinen Rücken und ihre Schenkel pressten sich wie eine Zange hinter ihm zusammen, er hatte den Eindruck dass es bei ihr gar nicht aufhörte und erst als sie schlaffer wurde stieß er kräftig zu, er kam nochmals heftig.
Sie redeten später noch eine Weile miteinander, dann zog er sich an und machte sich auf den Heimweg. Vor sich hin pfeifend kam er zu Hause an, es war ein sensationeller Tag gewesen und auch sein mürrischer Vater war ihm heute egal.
Erste Trennung, Berlin, 1980
„Glaube mir Dieter, es ist sinnlos daran zu glauben, dass es mit uns etwas werden könnte“ sagte Ruth.
„Du wirst bald studieren und wie ich dich kenne wirst du dem alles unterordnen. Wenn ich mit dir etwas unternehmen will hast du keine Zeit, nur für das Bett reichen die wenigen Stunden. Es ist schön mit dir, so gut bin ich noch nie befriedigt worden, aber das ist nicht alles. Und irgendwie wirst du dich später immer so orientieren, dass du im Beruf vorankommst, für mich ist es wichtiger etwas zu erleben, etwas zu unternehmen, rauszugehen, verstehst du?“
Natürlich verstand er sie, in allem hatte sie Recht, doch er klammerte sich an die Vorstellung, mit ihr zusammen bleiben zu können. Ein halbes Jahr währte ihre Beziehung und er wusste, dass er bei ihr vor allem körperliche Befriedigung suchte, auf die Gespräche mit ihr legte er weniger Wert. Er begriff, dass „gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“ schon zutreffen konnte, aber ihre Vorstellungen von der Zukunft lagen zu weit auseinander, er würde sich verbiegen müssen wenn er ihren Wünschen folgen wollte. Zu manchen Dingen die sie vorhatte wäre er körperlich kaum in der Lage, im Gebirge zu wandern ließ seine schwache Konstitution nicht zu.
Als er sie diesmal verließ war klar, dass sie sich nicht wieder treffen würden. Sie hatte ihm eindeutig erklärt, dass von ihrer Seite her Schluss sei weil sie nicht glaubte, dass sie zusammen passen würden. Für ihn war das schmerzhaft, aber mit seiner kontrollierten Art sagte er sich, dass es wohl für sie beide die beste Lösung sei. Außerdem würde er in drei Wochen zur Armee einrücken müssen, er war Innendiensttauglich und würde trotz seiner gesundheitlichen Einschränkung 18 Monate dienen müssen. Besonders sein Vater hatte es so gewollt, es sollte sein Beitrag für den Staat sein, der ihm danach ein Studium gewähren würde. Dieter Becker sah das im gewissen Sinne ein. Auf die Zeit bei der Armee freute er sich jedoch überhaupt nicht.
Die Spannung war spürbar. Die Gruppe von Männern und Frauen die sich in der kleinen Werkhalle befand hatte sich an zwei Orten verteilt: an einem stabilen Tisch, auf dem ein Monitor und eine Tastatur zu erkennen waren, und vor einer Werkzeugmaschine, deren ringförmiger Werkzeugspeicher mit verschiedensten Teilen bestückt war. In die Maschine war ein länglicher Metallblock eingespannt. Ein Mann in Arbeitskleidung betätigte einige Knöpfe und der Block begann sich zu drehen, anfangs noch langsam aber dann immer schneller, bis sich die Konturen auflösten. Der Mann entfernte sich von der Maschine und die Frauen und Männer an dem Tisch blickten gespannt zu der Maschine. Der Werkzeugspeicher bewegte sich, die Maschine griff sich eines der Teile heraus, dann war Druckluftzischen zu hören und das Werkzeug war eingespannt, es wurde in Position gebracht und begann das Werkstück zu bearbeiten. Als der Fräskopf zurückfuhr war eine gleichförmige Vertiefung in dem Metallblock zu erkennen, die Bewegung stoppte langsam bis der Block zum Stillstand kam. Wieder zischte Druckluft als die Maschine das Werkzeug in dem Werkzeugspeicher ablegte, um sofort ein anderes zu greifen und einzuspannen. Als dieses vor dem Block platziert war und sich dem Block langsam näherte, begann sich der Bohrer zu drehen, arbeitete eine Weile, kam in seine Ausgangsposition zurück, der Block machte eine achtel Drehung und der Bohrer fuhr wieder in Position. Das wiederholte sich so oft, bis alle Löcher gebohrt waren, die Maschine kam zum Stillstand.
„Alle Achtung Frau Professor“ sprach ein gedrungener Mann im Anzug Petra Becker an „es hat alles perfekt funktioniert, genau wie wir es uns vorgenommen hatten, Glückwunsch.“
„Danke“ erwiderte sie „das ist aber unser aller Verdienst, ohne Ihre Maschinensteuerung wäre das nicht möglich gewesen und ohne den Computer den Herr Fühmann mit entwickelt hat wäre gar nichts passiert, wir sollten uns alle freuen. Und lassen Sie bitte den Professor weg, das höre ich ja täglich von meinen Studenten.“
Als Petra Becker ihre Habilitation vor knapp zwei Jahren abgeschlossen hatte wurde sie sofort zur Professorin berufen, es war das erste Mal in der Geschichte der Hochschule, dass eine Frau einen Lehrstuhl für Kybernetik und Rechentechnik einnahm. Vor zehn Jahren hatte sie als Assistentin dort angefangen, und ohne dass sie es besonders darauf anlegte ihre akademische Karriere vorwärts zu treiben, kam sie Schritt für Schritt voran und überflügelte bald die alteingesessenen Wissenschaftler, die sich lieber an komplizierten Formeln delektierten, die in der Praxis aber kaum eine Rolle spielten. Sie hatte bald erkannt, dass Forschung schnell zum Selbstzweck führte, wenn keine greifbare Umsetzung dahinter stand und da sie eine Vielzahl von Belegen und Diplomarbeiten betreute auch einen Blick dafür, wo, auch unter den Bedingungen der knappen Ressourcen, etwas machbar war. Gezielt hatte sie Studenten für Themen der Maschinensteuerung interessiert, und die jungen Frauen und Männer lieferten neben ihrer eigenen Arbeit wichtige Beiträge für ihr Fachgebiet. Dazu kam, dass sie eine enge Beziehung zu ihren betrieblichen Partnern schätzte und oft vor Ort war, manchmal war sie erstaunt, welche Produkte die heruntergekommenen Hallen verließen, manchmal beeindruckt, dass es auch Inseln der Hochtechnologie gab, wo Arbeiter in sauberen Fabrikhallen gepflegte Maschinen bedienten. Das alles nahm sie wahr, war aber von ihrer Aufgabe viel zu sehr gefangen um zu erkennen, dass der Großteil der Fertigungsanlagen seine beste Zeit lange hinter sich hatte und dass offensichtlich viel improvisiert werden musste. Diese Dinge hatten andere zu klären, jeder musste halt seinen Part in diesem sozialen und wirtschaftlichen System spielen, so wie Bernd Fühmann.
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