Damaso hatte das mit einem Blick registriert, der Freya erschaudern ließ. Es war deutlich zu spüren, dass die beiden Männer sich nicht allzu gut leiden konnten. Aber war das früher auch schon so gewesen? Freya konnte sich zwar nur ein ganz wenig an die Nacht erinnern, als Kieran zu ihnen gestoßen war, um sie zu warnen, aber sie hatte das Gefühl gehabt, dass sie sich eigentlich gut verstanden. Dann lag es also wohl an ihr! Hatte sie mit ihrem Verhalten die beiden gegeneinander aufgebracht? Damaso, weil er sie nur beschützen wollte, und Kieran, weil sie ihm so offen misstraute und eigentlich keinen wirklichen Grund dafür hatte?!
Plötzlich fühlte sie sich wieder schrecklich. Sie hatte ihn darauf ansprechen wollen, doch er hatte nur abgewunken und gemeint, sie solle sich darum keine Sorgen machen.
Sie saß an diesem Mittag alleine und in ihren eigenen Gedanken versunken da. Es war eine bedrückenden Stimmung zwischen den dreien entstanden. Niemand wagte es die Stille zu durchbrechen.
Stunden später saßen sie dann wieder auf den Pferden und ritten immer weiter schweigend in die Wüste hinein. So ging auch dieser Tag endlich vorbei und machte einem neuen Morgen platz. Bis zum Mittag verlief der aber nicht anders, als der gesamte gestrige Tag, und auch der war ein Tag gewesen, wie sie ihn bereits schon zur Genüge kannte: schweigend, grämend, brütend heiß!
Nachdem sie ihr karges Mittagessen eingenommen hatten legten sie sich hin. Nur Kieran blieb wieder wach und beobachtete die Umgebung, wie er es stets tat.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als Kieran sich bereits daran machte das Zelt abzubauen. Er schien in Eile zu sein, sagte aber nichts, sondern wartete nur, dass auch Damaso und Freya sich endlich den Schlaf abschüttelten und mit anpackten. Dann entzündete er ein kleines Feuer.
Kieran legte eine solche Hast an den Tag, dass Damaso ihn dann doch endlich ansprach.
„Was gibt es, dass wir uns jetzt beeilen sollten? Die Mittagszeit ist kaum vorüber!“ Statt einer Antwort deutete Kieran nur mit dem Kinn in die Ferne in eine ganz bestimmte Richtung. Damaso verstand nicht, was er damit sagen wollte. Er versuchte irgendetwas zu erkennen, aber die Luft war so heiß, dass sie vor seinen Augen zu zerlaufen schien und er kein klares Bild zu sehen bekam. „Ich sehe nichts außer Staub und Sand. Wärst du wohl so freundlich, uns mitzuteilen, warum wir unser Zelt abbrechen?“
„Wir sind nicht mehr alleine!“, sagte Kieran nur knapp.
„Und was hast du jetzt vor?“, bohrte Damaso ärgerlich nach. Er konnte noch immer nichts am Horizont erkennen, außer dem Flimmern der Hitze.
„Wir werden einen großen Bogen reiten und in einem kleinen Gebirge ein Versteck suchen!“ Kieran hatte sein Pferd bereits gesattelt. „Ihr solltet euch beeilen. Ich weiß nicht wer oder wie viele da kommen. Aber ich will es auch nicht wissen!“
Damaso stieß einen Fluch aus. Das fehlte gerade noch! Aber hätte Kieran sie nicht eher warnen können?
„Hättest du Mistkerl nicht mal was sagen können?“, maulte er ihn an. Kieran maß ihn dafür mit einem Blick, der Freya erschaudern ließ. Besorgt sah sie von einem zum anderen und fühlte sich schuldig, weil sich die Männer stritten. Und alles nur wegen ihr!
„Emily?“ Kieran nannte sie bei dem Namen, den Damaso ihr gegeben hatte, und sie stutzte. „Komm her zu mir!“ Er trat mit einem Fuß das kleine Feuer wieder aus und bückte sich nach der Asche des verkohlten Stückchen Holzes. „Es ist besser, wenn wir dir deine Haare färben! Mit deinen blonden Haaren bist du in diesem Land viel zu auffällig. Es wird sich bereits herumgesprochen haben, dass mein Bruder nach einer blonden Sklavin sucht!“ Er wartete erst gar keine Zustimmung von ihr ab, er ging ganz automatisch davon aus, dass sie sich fügen würde und vermischte die Asche mit etwas Flüssigem, dass er aus seiner Satteltasche hervorgeholt hatte. Freya konnte sich nur darüber wundern, aber Kieran schien tatsächlich um ihr Wohl besorgt zu sein. Strähne für Strähne färbte er ihr geschickt mit der noch warmen Asche und bald darauf sah auch sie ihre sonst blonden Haare in einem stumpfen schwarz-braun. Kieran drehte sie an den Schultern zu sich herum und sah ihr geradewegs ins Gesicht. Dann hob er seine Hände an ihre Augen und strich mit kräftigem Daumendruck ihre Augenbrauen entlang. Sie hatte erwartet, dass er grob zu ihr sein würde! Aber das war er nicht. Hastig vermischte er die restliche Asche mit dem Sand unter seinen Füßen, rieb sich seine eigenen Hände mit Sand ab und gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie jetzt dringend weiter mussten.
Freya beeilte sich jetzt lieber auf ihr Pferd zu kommen. Kieran war bereits los geritten, hielt sein Pferd aber noch im Schritt zurück, um auf die beiden zu warten. Erst als sie aufgeschlossen hatten, ließ er seine Stute antraben.
Der Ritt wurde sehr viel länger als Freya befürchtet hatte. Das lange Traben fiel ihr schwer. Die Hitze, das karge Essen und die Strapazen hatten an ihren Kräften gezerrt. Sie konnte sich nicht mehr lange im Sattel halten. Ihre Beine fühlten sich langsam taub und eigenartig kraftlos an.
„Vielleicht könnten wir etwas langsamer reiten?“, fragte Damaso Kieran unwirsch, der Freya auf ihrem Pferd gegen ihre Schwäche ankämpfen sah. „Sie ist das Reiten nicht gewohnt.“
„Und genau deshalb wollte ich es ihr beibringen!“, entgegnete Kieran ruhig, aber mit einem schwelenden Tadel. „Wir halten erst an, wenn wir bei den Felsen sind!“
Es waren tatsächlich nicht mehr als ein paar Felsen. Der Ritt hatte irgendwann ein Ende gefunden und sie waren dort angelangt, wo Kieran sie verstecken wollte. Sie ritten zwischen die Felsen, von denen einer so groß war, dass er immerhin ein kleines Plateau bildete, auf das sie sich zurückziehen wollten. Von dort oben würden sie einen besseren Ausblick haben.
Oben angekommen schaute Kieran angestrengt in die Richtung aus der sie gekommen waren.
Eine Staubwolke war nun deutlich im schwindenden Licht am Horizont zu erkennen, und sie hielt genau auf sie zu! Kieran hatte gehofft, dass, wer auch immer durch die Wüste ritt, nichts von ihnen mitbekommen und einfach seines Weges ziehen würde. Aber genau wie er, hatte dieser andere wahrscheinlich ebenfalls eine Staubwolke am Horizont ausgemacht, die Staubwolke die sie selber aufgewirbelt hatten.
Kieran schickte Freya und Damaso wieder nach unten, sie sollten sich nach einem guten Versteck umsehen, so dass auch die Pferde nicht zu sehen wären und gab ihnen seine Stute mit. Er selbst blieb noch auf dem Plateau und wartete darauf, dass er erkennen würde, wer sich dort näherte.
Damaso hatte schnell einen Spalt in einem der Felsen entdeckt, der groß genug war sie alle zu verbergen. Aber sie hatten die Tiere rückwärts Schritt für Schritt, und ein Tier nach den anderen hereinführen müssen, was den Tieren nicht gerade behagte. Freyas Pferd war so nervös, dass es schon an ein kleines Wunder grenzte, es überhaupt halbwegs ruhig zu halten. Immer wieder redete sie beruhigend mit dem Tier und strich ihm zärtlich über den Hals.
Endlich kam Kieran vom Plateau herunter. Seine Miene verriet nichts Gutes.
„Konntest du jemanden erkennen?“, fragte Damaso.
„Ja.“, sagte Kieran gedehnt. Er holte hörbar Luft, bevor er weiter sprach. „Mein Bruder ist hier!“
„Was?“ Damasos Stimme überschlug sich fast. Im gleichen Moment hörte er aber auch schon Hufgetrappel von mehreren Pferden. „Mit wie vielen Männern?“
„Sieht fast wie ein kleiner bewaffneter Trupp aus! Etwa zwanzig!“ Kieran sah ihn fest an. Damasos Gesichtsfarbe wechselte plötzlich, als er verstand. Er stieß einen leisen Pfiff aus. „Dann befindet er sich nicht zufällig hier!“
„Nein.“, pflichtete Kieran ihm trocken bei. Er musste Damaso nicht erst erklären, warum sie wohl gerade jetzt auf seinen Bruder stoßen würden. Damaso kannte ihn selber. Kierans Blick suchte den Freyas. Sie hatte nicht die Worte verstanden, wohl aber deren Sinn. In ihren Augen stand die Furcht geschrieben. „Wir können nur warten.“, sagte er kopfschüttelnd zu ihr. „Es macht keinen Sinn in die Wüste zu fliehen.“
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