Achaz fasste den Entschluss ihm El Eligo nicht zur Hochzeit zu schenken. Sie hatten zwar nur eine kleine Zucht, aber die Pferde, die er sich gerade besah, wirkten auf ihn nicht so, dass sie all zu gut versorgt würden. In einigen Stuten steckte Potential, das konnte er erkennen, und sie würden hervorragende Fohlen zur Welt bringen, egal von welchem Hengst, aber er fühlte hier bei den Tieren, dass sein Sohn nicht mit dem Herzen bei der Sache war.
Nein, El Eligo blieb noch bis auf weiteres in seinem Besitz!
Kieran hatte Damaso und Freya sehr früh am nächsten Morgen geweckt. Er hatte bereits alle Pferde gesattelt und mit schweren Packtaschen beladen. Während die beiden Turteltäubchen sich vergnügt hatten, war er fleißig gewesen.
Gestern Abend noch hatte er mit Markward und Kosmo vereinbart, dass die drei sehr früh los reiten würden, um einen möglichst großen Teil des Tagesrittes noch vor der Mittagshitze hinter sich gebracht zu haben. Sie hatten sich des Abends von einander verabschiedet, und Kieran hatte die beiden anderen weiter schlafen lassen.
Damaso half Freya ihr Pferd zu besteigen und warf noch einen Blick auf seine schlafenden Freunde, die er nun, für wie lange auch immer, verlassen würde. Es war ein eigenartiges Gefühl für ihn, jetzt mit Kieran zu reiten, um Freya zu seinem Vater zu bringen, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte. Doch er saß auf und folgte Kieran, der bereits voraus ritt.
Damaso hatte nicht mit seinen knappen Worten übertrieben, stellte Freya fest. Das Land, das sie nun sah war von Horizont zu Horizont aus dem gleichen feinpuderigen Gelb, der unter den Hufen der Pferde nachgab und ihren Tieren die Schritte etwas schwerer fallen ließ. Nur Kierans Pferd war an dem weichen Sand gewöhnt. Freya konnte deutlich die Muskeln des Pferdes bei jedem Schritt sich unter dem seidig-schwarzem, glänzenden Fell bewegen sehen.
Mittags stand die Sonne so hoch, dass Freya sich fragte, wie sie wohl durch diese Gluthitze weiter reiten und zu ihrem Ziel kommen sollten. Kurze Zeit später saß Kieran dann von seinem Pferd ab und verkündete das Ende ihres Ritts für diesen Tag.
Freya war überrascht, gleichzeitig aber auch froh nicht mehr weiter reiten zu müssen, da ihr die Hitze mehr als zu schaffen machte. Kieran gab Damaso zu verstehen, dass er seine Hilfe benötigte. Gemeinsam machten sich die beiden Männer daran eine Decke als Plane zwischen vier Holzstangen zu spannen, die sie zuvor fest in den Boden gerammt hatten. Die Decke spendete genug Schatten, um die Mittagshitze halbwegs erträglich werden zu lassen. Nur die Pferde taten Freya leid. Sie mussten in der prallen Sonne mit gesenktem Kopf ausharren.
„Keine Sorge.“, sprach Kieran sie recht sanft an, als er ihren mitfühlenden Blick auf die Pferde sah. „Pferde können sich Temperaturen sehr viel besser anpassen, als wir Menschen. Das Beste ist sie einfach gewähren zu lassen. Glaub mir, dass sie nicht leiden, so wie sie da stehen, sondern nur einfach vor sich hindösen.“
Freya schien ein wenig beruhigter zu sein und legte sich ihrerseits ebenfalls hin, um ein wenig zu schlafen. Das war anscheinend wirklich das Einzige, was man bei der Hitze machen konnte. Damaso hatte es sich schon mit hinter dem Kopf verschränkten Armen gemütlich gemacht. Irgendwann waren auch ihm die Augen zu gefallen. Nicht unbedingt aus Müdigkeit, vielleicht sogar vielmehr aus Langeweile. Er hatte keine Lust sich mit Kieran zu unterhalten. Ihm war klar, dass sie sich nicht alle bis zum Ende der Reise würden anschweigen können, aber heute brauchte er noch keine Unterhaltung seitens Kierans.
Kieran selbst lag auf seinen Ellbogen gestützt da und beobachtete aufmerksam die Umgebung. Er hielt es schon aus Gewohnheit für besser stets auf der Hut zu sein.
Spät am Nachmittag, als die Hitze deutlich nachgelassen hatte, wurde Freya durch ein Geräusch wach. Sie sah auf und sah Kieran, wie er den Pferden etwas zu fressen gab, was sie vorher noch nie gesehen hatte. Und wie Kieran selbst etwas von dem aß, was er den Pferden gab. Fassungslos schüttelte sie leicht den Kopf. Sie stellte sich gerade vor wie sie selbst Pferdefutter aß. Es kam ihr komisch vor. Aber er würde doch nicht ernsthaft Gras essen?
Sie drehte sich noch einmal zu ihm um, vielleicht konnte sie ja doch erkennen, was er den Pferden da fütterte und zuckte zusammen, als sie feststellte, dass Kieran sie schon wieder beobachtet hatte. Er grinste sie frech an und hielt ihr eine kleine bräunlich-grüne Frucht entgegen, die in seiner Hand lag. Er wartete. Freya wollte ihn ignorieren, aber Kieran hielt ihr einfach weiterhin geduldig die Frucht entgegen und sagte kein Wort.
Damaso brach nach einer ganzen Weile die Stille.
„Was gibt das hier? Der Unbändigen Zähmung?“, wollte er von Kieran leicht tadelnd wissen. „Lass sie einfach in Ruhe!“
„Ich mach doch gar nichts!“, entgegnete Kieran ruhig.
Damaso wendete sich an Freya. „Emily?“ Sie sah ihn an. „Dattel.“, sagte er in ihrer Sprache, und nickte mit dem Kopf zu Kieran hinüber. „Süß und gut. Probier.“ Damit nahm er Kieran die Frucht aus der Hand und gab sie Freya.
Kieran schnaubte leicht sauer und wandte sich ab. Na toll, so wurde das bestimmt nichts mit ihnen. Konnte er nicht einfach verschwinden? Aber gut! Dann würde er ihr Spielchen eben mitspielen. Ignorieren konnte er auch andersherum sie! Und sie würde sehr schnell merken, dass in der Wüste einiges anders lief, als sie es bisher gewohnt war. Sie würde schon von sich aus mit ihm kooperieren!
Kieran stand auf und machte sich daran, das improvisierte Zelt abzubauen und ihre Vorräte einzupacken. Damaso half ihm die Pferde zu satteln, fragte aber nicht, warum er jetzt, kurz vor dem Abend weiter reiten wollte.
Sehr bald aber wurde ihm Kierans Verhalten klar. Die Nacht war wirklich so kalt, wie man sich erzählte, und es war besser sich zu bewegen, als still da zu liegen und zu frieren. Außerdem kannte sich Kieran offensichtlich hier bestens aus, so dass sie nicht Gefahr liefen in die falsche Richtung zu reiten.
Sie kamen erstaunlich schnell voran. Den Pferden fiel es ebenfalls sehr viel leichter, wenn sie sich warm laufen mussten, statt am Tage mit einem Hitzschlag zu kämpfen. Freyas und Damasos Pferde folgten Kierans Stute auf Schritt und Tritt. Manchmal glaubte Freya, Kierans Pferd sei mit der Nacht verschmolzen. Nur manchmal konnte sie einen schwarzen Umriss in dem Dunkel der Nacht sehen, aber Hauptsache die Pferde wussten, dass die Stute da war und folgten ihr brav, ohne dass sie groß etwas dazutun mussten.
Stunden für Stunden waren sie geritten, die Sonne war längst wieder aufgegangen, und sie hatten immer noch im Sattel gesessen. Dann erst, nach einer Ewigkeit, hielten sie endlich wieder an, um wieder ihr Lager aufzuschlagen, das sie vor der Sonne schützen sollte. Und wieder sah Freya, dass Kieran die Pferde mit Datteln fütterte, konnte aber nun die Pferde verstehen. Sie hatte gestern die Dattel gekostet. Sie war klebrig, schmeckte aber so süß, wie sie es sonst nur von Honig kannte. Kein Wunder, dass es den Pferden schmeckte. Allerdings gab es hier aber auch nichts, was sie sonst hätten fressen können! Die Welt um sie herum bestand nur aus Sand und Staub! Unverständig schüttelte sie den Kopf. Hier konnte man doch nicht leben! Und trotzdem war dies die Heimat von diesem Kieran. Sie mochte sich nicht vorstellen, wohin ihre Reise wohl ging, wo sie enden würde. Aber ihre Laune verschlechterte sich nur umso mehr.
So ging es nun weiter, Tag ein, Tag aus! Irgendwann hatte Freya vergessen, wie lange sie schon unterwegs waren.
Kieran hatte beschlossen sie zu ignorieren und genau das tat er auch. Er aß von jetzt an immer alleine, und hatte sie beide mit seinem stillen Tun nicht im Unklaren darüber gelassen, dass von jetzt an sie für sich selbst zu sorgen hatten.
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