„Tja, ja“, stotterte sie. „Das bin ich.“ Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen und als Oliver begann, ihren Mann ebenfalls zu mustern, sagte sie: „Darf ich dir“, sie wandte sich zu Damian um, „meinen Mann Damian vorstellen?“
Sogleich streckte er Oliver eine kräftige Hand entgegen. Oliver sperrte vor Überraschung Mund und Augen auf, blinzelte dann wie eine Eule und nahm schließlich die dargebotene Hand. „Freut mich…“, sagte er mit sichtlicher Irritation. Er runzelte die Stirn und warf Sydney einen verwirrten Blick zu. „Dein Mann?“
„Ja, wir sind verheiratet… Es ist eine lange Geschichte“, antwortete sie ihm ausweichend und Oliver beeilte sich zu nicken. „Natürlich…ähm…na ja…Ich würde mich freuen, wenn wir voneinander hören würden. Vielleicht könnten wir ja einen Kaffee zusammen trinken gehen…“ Er warf Damian einen unsicheren Blick zu. „…und quatschen.“
„Das würde ich wirklich gerne, Oliver“, erwiderte Sydney schnell, ehe Damian für sie sprechen konnte. „Ich fürchte nur, ich werde bald schon wieder abreisen.“
„Abreisen?“
Sydney nickte. Ihr blieb keine andere Möglichkeit. Es war offenkundig, dass sie nicht bleiben konnten. „Ich bin sozusagen auf der Durchreise.“
Oliver warf ihnen beiden einen skeptischen Blick zu. „Auf der Durchreise?“, wiederholte er etwas dümmlich. Sydney nickte.
„Ich werde in Zukunft in Damians Heimat leben.“
Wie um ihre Worte zu unterstreichen, straffte sich Damian und gewann auf die Art noch ein paar Zentimeter mehr an Größe. Unweigerlich schmunzelte Sydney über sein Getue. Endlich fasste sich Oliver. „Wie kann ich dich denn erreichen?“, fragte er.
Sydney überlegte kurz. „Gar nicht.“ Es fiel ihr schwer, das zu sagen, doch es musste sein. Sie konnte es sich nicht leisten, Kontakt zu halten. Ihre Zukunft lag nicht länger in dieser Welt.
„Auch nicht über’s Internet?“, fragte Oliver. Hoffnung schwang in seiner Stimme mit und Sydney begann sich zu fragen, ob er sich schon immer so anhänglich verhalten hatte. Aber sie konnte – wollte – sich nicht erinnern. Ihre letzte Begegnung schien zu lange zurückzuliegen.
~
Die kleinen Kiesel, die an das Glas der Fensterscheibe klickten, ließen sie aufhorchen. Draußen schien der Vollmond an einem wolkenlosen Himmel. Sterne funkelten schwach herab. Es war die perfekte Nacht. Sydney trat ans Fenster ihres Zimmers und öffnete es. Draußen stand Oliver und grinste breit. In der Hand hielt er bereits den nächsten Kiesel.
„ Hey, komm’ herunter“, forderte er sie mit einem Blick zum Rest des Hauses auf. Sydney lauschte kurz, hörte ihren Vater leise in seinem Zimmer husten.
„ Ich kann nicht“, flüsterte sie durch die Nacht und zuckte bedauernd mit den Schultern. Oliver zögerte nicht und kletterte flink das Rosengitter zu ihrem Fenster hinauf. Ehe sie sich versah, stand er bereits vor ihr und bereitete ihr Herzklopfen.
Sie war siebzehn und ihr unschuldiges Herz war voller Hoffnung für die romantische, ewig andauernde Liebe. Sydney schluckte nervös, als Oliver einen Schritt auf sie zutrat und ihren Hals umfasste, während er zugleich seinen Kopf neigte, um sie zu küssen. Er schmeckte noch schwach nach seiner letzten Zigarette, doch der frische Geschmack von Minze überlagerte es. Sein Kuss fühlte sich warm, zärtlich, ja, gar liebevoll, an und in seiner Berührung loderte ein stilles Feuer, das Sydneys reine Seele sofort entflammte.
Ihre Hände klammerten sich an seine etwas zu schmalen Schultern und ein Seufzen entwich ihren Lippen in dem Bruchteil der Sekunde, die sie beide Luft holten.
Als er sich von ihr löste, stand ihr Körper längst in Flammen. Träge lächelte er sie an. „Es stört mich nicht, wenn du nicht hinunterkommen kannst.“
Seine Finger umfassten eine Haarsträhne und strichen damit über die zartgerötete Haut über dem Saum ihres viel zu weiten Nachthemds. Es kitzelte.
„ Oliver…“, begann Sydney unsicher.
Sie sollte ihn wegschicken, sicherstellen, dass ihr Vater nicht Wind von der Sache bekam. Stattdessen griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest.
„ Soll ich wieder gehen?“, fragte er und blickte sie aus seinen grüngrauen Augen derart leidenschaftlich an, dass Sydney den Blick abwandte. „Mein Vater wird uns hören“, flüsterte sie mit einem nervösen Blick zur Tür. Sie hörten sein Husten über den Flur schallen. Danach lag alles still. Oliver trat einen Schritt zurück und setzte sich auf die Bettkante.
Ihr Laken war zerwühlt, das Kissen wies noch immer die Einbuchtung auf, die ihr Kopf hinterlassen hatte. Er betrachtete die Stelle für einen Moment. Dann sah er sie wieder an, Unschuld im Blick. „Setzt du dich zu mir?“
Sydney zögerte. Sie wusste, ging sie jetzt, in dieser perfekten Nacht zu ihm hin, gäbe es kein Zurück mehr. Sie würde nicht verhindern können, was dann geschah. Ihr Herz klopfte wie verrückt gegen ihre Rippen und mit jeder weiteren Sekunde, die verstrich, schärfte sich der Entschluss in ihrem Kopf.
Langsam trat sie zu Oliver und setzte sich neben ihm. Warm legte sich sein Arm um ihre Schultern und zog sie näher heran.
~
„Ich fürchte nicht, nein“, erklärte sie jetzt und verdrängte den Gedanken an das Bett, in dem sie einst ihre Unschuld verloren hatte. Hingegeben einem Rebell, von dem sie dachte, er sei die Liebe, die sie gesucht hatte. „Das ist so eine gottverlassene Gegend, da gibt’s nur Brieftauben“, scherzte sie und war sich doch allzu bewusst, dass sie der Wahrheit wohl kaum je näher kommen würde. Trotz des schwachen Lächelns blickte ihr Enttäuschung entgegen.
„Vielleicht bist du ja nochmal hier in der Gegend…“, meinte er. Damian seufzte leise neben ihr.
„Ich muss dann auch wieder los“, setzte Oliver an. „Es war schön dich wiederzusehen, Sydney.“ Sein lockerer Ton verflüchtigte sich, als er mit einem Blick auf Damian hinzufügte: „Es tut gut zu sehen, dass es dir gut geht.“ Sydney nickte.
„Es war auch schön, dich wiederzusehen, Oliver.“
Er verabschiedete sich und Sydney schloss die Tür. Sofort hielten Damians Hände sie umfangen.
„Damian…“, begann sie. „Es ist nicht wie du denkst. Oliver ist ein alter Freund von mir“, versuchte sie ihre Beziehung zu erklären.
Der Drang, sich vor Damian zu rechtfertigen, ihm zu versichern, dass er sich keine Gedanken machen musste, überwältigte sie. „Es war nur einmal…“, murmelte sie, als Damian ihren Nacken küsste und sein Atem auf ihr Ohr traf, „…und das ist Jahre her.“
Sofort festigte sich der Griff an ihren Hüften und er wirbelte sie zu sich herum. „Nur einmal also, hm?“, knurrte er leise und ein erregendes Prickeln glitt über ihre Haut. Er drängte sie gegen die Haustür, hob sie hoch, presste seine Lippen auf ihre. Sein Kuss war hart, ein wildes Feuer, dass sie beide erfasste, je länger sie einander ausgesetzt waren. Sydney schlang ihre Beine um seine Hüften und dachte daran, wie getroffen Damian in ihrer Hochzeitsnacht war, als er erfuhr, dass sie keine Jungfrau mehr war. Sie konnte nur noch schwach „Vergiss es einfach…“ murmeln, daran denken, wie besitzergreifend Damian war – und dann nichts mehr.
Sie ließ sich treiben und wegtragen auf der Welle des Verlangens. Es kroch heiß über ihre Haut, brannte in ihrer Seele. Damian schwieg. Zu groß war das Begehren, das ihre Herzen aneinander band. Er presste sich an sie und küsste sie mit einer Leidenschaft, die sie dahinschmelzen ließ. Sie wollte ihn, wollte diesen Mann mehr als alles andere auf dieser und der anderen, jeder anderen, Welt.
Leise stöhnend rieb sie sich an ihm, reizte und provozierte ihn, wollte sich ihm nahe fühlen und die Verbundenheit zu ihm spüren. Sie benötigte einen Moment, um festzustellen, dass Damian innehielt. Unruhig wand sie sich in seinen Armen. „Was ist los?“, murmelte sie.
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