Der Krieg der Welten
H. G. Wells
Inhaltsverzeichnis
IMPRESSUM IMPRESSUM Fragen oder Wünsche? Instagram: mehrbuch_verlag Facebook: mehrbuch_verlag Public Domain (c) mehrbuch
Erstes Buch Erstes Buch
Die Ankunft der Marsianer
1. Am Vorabend des Krieges
2. Der fallende Stern
3. Auf der Horsell-Weide
4. Der Zylinder öffnet sich
5. Der Hitzestrahl
6. Der Hitzestrahl in der Chobham Road
7. Wie ich nach Hause kam
8. Freitag Nacht
9. Der Kampf beginnt
10. Im Sturm
11. Am Fenster
12. Was ich von der Zerstörung von Weybridge und Shepperton gesehen habe
13. Wie ich mit dem Kuraten zusammentraf
14. In London
15. Was in Surrey geschah
16. Der Exodus aus London
17. Die »Thunder Child«
Zweites Buch
Die Erde unter den Marsianern
1. Unterwegs
2. Was wir von dem zerstörten Haus aus sehen konnten
3. Die Tage der Gefangenschaft
4. Der Tod des Kuraten
5. Die Stille
6. Das Werk von fünfzehn Tagen
7. Der Mann auf dem Putney Hill
8. Das tote London
9. Die Verwüstung
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»Wer aber soll hausen in jenen Welten, wenn sie bewohnt sein sollten? …
Sind wir oder sie die Herren des Alls? …
Und ist dies alles dem Menschen gemacht?«
Kepler, zitiert in Burtons »Anatomie der Melancholie«, 1621
Erstes Buch
1. Am Vorabend des Krieges
Keiner hätte in diesen letzten Jahren des 19. Jahrhunderts geglaubt, dass die menschlichen Angelegenheiten beobachtet würden; dass andere intelligente Wesen, größer als die menschlichen und doch ebenso sterblich, uns bei unserem täglichen Tun fast ebenso eifrig belauschen und erforschen könnten, wie jemand mit dem Mikroskop jene kurzlebigen Lebewesen erforscht, die in einem Wassertropfen umherschwärmen und sich darin vermehren. Mit einem unendlichen Behagen schlenderte die Menschheit mit ihren kleinen Sorgen kreuz und quer auf dem Erdball umher, in gelassenem Vertrauen auf ihre Herrschaft über die Materie. Es ist möglich, dass die mikroskopischen Lebewesen unter dem Brennglas dasselbe tun. Niemand gab einen Gedanken auf die alten Worte von der Quelle des Weltraums als Gefahr für das menschliche Leben. Jede Vorstellung, dass Leben auf anderen Planeten existieren könnte, wurde als unwahrscheinlich oder unmöglich abgetan. Es ist seltsam, sich heute der menschlichen Vorstellungen jener vergangenen Tage zu entsinnen. Es kam allenfalls vor, dass Erdbewohner sich einbildeten, es könnten Wesen auf dem Mars leben, minderwertige bestenfalls, zumindest aber solche, die eine irdische Expedition freudig begrüßen würden. Aber jenseits des leeren Ozeans des Weltraums blickten Geister, uns gegenüber so überlegen wie wir den Tieren, ungeheure, kalte und unheimliche Geister, mit neidischen Augen auf unsere Erde und langsam und sicher schmiedeten sie ihre Pläne gegen uns. Und am Beginn des 20. Jahrhunderts kam die große Ernüchterung.
Der Planet Mars, ich muss den Leser wohl kaum daran erinnern, umkreist die Sonne in einer mittleren Entfernung von 140.000.000 MeilenNote 1). Und er erhält von ihr kaum halb so viel Licht und Wärme wie wir. Der Mars muss, wenn die Nebularhypothese nur einen Kern von Wahrheit hat, älter sein als unsere Erde, und lange, ehe unser Planet zu schmelzen aufgehört hatte, muss das Leben auf seiner Oberfläche bereits begonnen haben. Weil er kaum ein Siebtel des Volumens unserer Erde ausmacht, muss seine Abkühlung bis zu der Temperatur, bei der Leben beginnen konnte, sich beschleunigt haben. Er besitzt Luft und Wasser und alles Nötige zur Erhaltung von Lebewesen.
Jedoch ist der Mensch so eitel, und so verblendet durch seine Eitelkeit, dass bis zum letzten Ende des 19. Jahrhunderts nicht ein einziger Schriftsteller jemals den Gedanken äußerte, dass dort geistiges Leben überhaupt oder sogar weit über das irdische Maß hinaus entstehen könnte. Auch wurde aus den Tatsachen, dass der Mars älter ist als unsere Erde, dass er nur ein Viertel ihrer Oberfläche besitzt, und dass er weiter von der Sonne entfernt ist, nie der zwingende Schluss gezogen, dass er nicht nur von den Anfängen des Lebens entfernter, sondern auch dessen Ende näher ist.
Die allmähliche Abkühlung, die auch unserem Planeten bevorsteht, ist bei unserem Nachbarplaneten schon weiter fortgeschritten. Seine physikalische Beschaffenheit ist zum größten Teil noch ein Geheimnis. Doch wissen wir jetzt, dass selbst in seinen äquatorialen Regionen die Mittagstemperatur kaum die unserer kältesten Winter erreicht. Seine Atmosphäre ist viel dünner als die der Erde, seine Meere sind so weit zurückgetreten, dass sie kaum mehr ein Drittel seiner Oberfläche bedecken, und während des langsamen Wechsels seiner Jahreszeiten bilden sich ungeheure Schneekappen, die an jedem Pole schmelzen und seine gemäßigten Zonen periodisch überfluten. Jenes letzte Erschöpfungsstadium, für uns noch so unglaublich entfernt, ist für die Marsbewohner zu einem Tagesproblem geworden. Der unmittelbare Druck der Not hat ihren Verstand geschärft, ihre Kräfte verstärkt, ihre Herzen verhärtet. Und während sie den Weltraum überblickten, sahen sie, ausgerüstet mit Werkzeugen und geistigen Gaben, die wir uns kaum träumen lassen, in nächster Entfernung, nur 35.000.000 MeilenNote 2) sonnenwärts, einen Morgenstern der Hoffnung: unseren eigenen, wärmeren Planeten, grün mit Vegetation, grau mit Wasser, mit einer bewölkten Atmosphäre, die Fruchtbarkeit andeutet und bei klarer Sicht den Blick auf breite Streifen bevölkerten Landes und schmale, dicht befahrene Seen freigibt.
Und wir Menschen, die diesen Stern bewohnen, müssen den anderen mindestens so fremdartig und niedrig erscheinen wie die Affen und Lemuren uns. Der intellektuelle Teil der Menschheit gibt bereits zu, dass das Leben ein unaufhörlicher Kampf ums Dasein ist, und es scheint, dass dieser Glaube auch von den Marsbewohnern geteilt wird. Auf ihrem Stern ist die Abkühlung bereits weit vorangeschritten. Diese Welt ist noch voller Leben, aber in ihren Augen ist es nur minderwertiges, tierisches. Den Krieg Richtung Sonne zu tragen, ist wirklich ihre einzige Rettung vor der Vernichtung, die von Geschlecht zu Geschlecht immer näher an sie herannaht.
Und bevor wir sie zu hart beurteilen, müssen wir uns erinnern, mit welcher schonungslosen und grausamen Vernichtung unsere eigene Gattung nicht nur gegen Tiere wie den verschwundenen Bison und den Dodo, sondern gegen unsere eigenen eingeborenen Rassen wütete. Die Tasmanier wurden trotz ihrer Menschenähnlichkeit in einem von europäischen Einwanderern geführten Vernichtungskrieg innerhalb von fünfzig Jahren vollkommen ausgerottet. Sind wir solche Apostel der Gnade, dass wir uns beklagen dürfen, wenn die Marsleute uns in demselben Geist bekriegen?
Die Marsianer scheinen ihren Angriff mit erstaunlicher Präzision berechnet zu haben ihre Kenntnisse in Mathematik sind den unseren offenbar weit überlegen und ihre Vorbereitungen trafen sie mit fast vollkommener Einmütigkeit. Hätten unsere Instrumente es erlaubt, wir hätten die drohende Gefahr schon früh im 19. Jahrhundert bemerken können. Männer wie Schiaparelli beobachteten den roten Planeten nebenbei bemerkt, ist es nicht seltsam, dass seit ungezählten Jahrhunderten der Mars der Stern des Krieges war? aber sie waren nicht in der Lage, die schwankenden Erscheinungen zu erklären, die sie auf ihren Karten so genau verzeichneten. Während dieser ganzen Zeit müssen die Marsbewohner sich vorbereitet haben.
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