Völlig erstaunt sah Peter die beiden an. „Sag mal, freust du dich gar nicht?“ „Na, und wie! Aber momentan bin ich einfach völlig sprachlos! Das klingt ja alles wie ein Märchen! Wie ein modernes Märchen!“ Rosorius legte seine Hand auf Peters Arm und sah ihn eindringlich an: „Du weißt aber schon, dass das auch eine große Verpflichtung für dich ist. Wir beide haben uns für dich in Wolfsburg weit aus dem Fenster gelehnt. Enttäusche uns also nicht! Setz‘ dich gleich im Neuen Jahr mit dem Fuchs Rennwagenbau, in Rutesheim bei Stuttgart, in Verbindung. Die sind dort voll informiert und warten auf deinen Anruf.“
„Jetzt gibt es noch etwas Gutes zum Essen und dann kannst du nach Hause fahren und am besten gleich morgen mit deinem Fitnesstraining beginnen. Mens sana in corpore sano – du weißt schon – ein gesunder Geist möge in einem gesunden Körper wohnen!“
Doch vor der Fitness musste erstmal in zwei Tagen richtig Silvester gefeiert werden, beschloss Peter. Frei nach dem Motto: “ Mens sana in corpore Campari “…
Gleich am 5. Januar besuchte Peter Heinz Fuchs. Ein Formel VAU- Konstrukteur der ersten Stunde! Ein Vollbluttechniker mit „Benzin im Blut“.
Obwohl Peter mit seinen 1,90 Meter Körperlänge nicht gerade die Idealmaße eines Rennfahrers mitbrachte, konnten diese – auf der anderen Seite – durch die Verlängerung des Radstandes genutzt werden. Die erstmalig in der FV verwendete „Monocoque-Bauweise“, sah anstelle eines Gitterrohrrahmens Aluminiumbleche vor. Weniger Gewicht und mehr Steife ergaben – mehr Sicherheit! Als Letztes musste nur noch die Polyesterschale für den Sitz körperkonform ausgegossen werden, dann war der neue, wunderschöne Einsitzer fertig zur Vorführung. Der F73 überzeugte schon rein optisch durch seinen langen Radstand und die Aerodynamik.
Auf der „ Racing Car Show “ in London wurde Peters Auto erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt.
Für ihn hatte das Sponsoring von VW-Motorsport ausschließlich Vorteile. Mit dem besseren Equipment, dem guten Material und der erheblichen Zeiteinsparung, konnte er seine Konzentration auf das Wesentliche lenken und vor allem jede Woche von Montag bis Donnerstagabend mit vollem Einsatz seinem eigentlichem Beruf nachgehen. Denn er durfte nie vergessen: “No money – no honey“.
1973 gewann er souverän: Hockenheim, Zolder und Nivelles. Am Nürburgring wurde er Vierter, ebenso wie beim Flugplatzrennen in Sembach. Es war eine sensationelle Saison. Und Peter wusste, dass er immer noch Luft nach oben hatte. Nun musste er sich entscheiden: Wollte er 1974 versuchen wirklich Profi-Rennfahrer zu werden, oder nicht?
P R O F I! Die Entscheidung war gefallen! Er wechselte in den Silberpokal, die deutsche Antwort auf die internationale Formel Ford -Rennwagenserie.
Das war eigentlich für ihn das Ausschlaggebende! Schließlich wurde eine Europameisterschaft natürlich auch von den Formel 1-Team-chefs sehr beachtet. Die Konkurrenten kamen aus den Niederlanden, Belgien, Schweden, Finnland, Österreich, der Schweiz und selbstverständlich aus Deutschland.
In Mannheim gab es einen gewissen Erich Hitchfel, dessen RSM Rennwagenbau nicht nur für den vielleicht elegantesten Monoposto stand, sondern eben auch für absolute Zuverlässigkeit und Speed. Der RSM galt als Diva unter den Rennwagenbauern. Vielleicht stand ja der Ferrari F1 Pate? Dieser Erich Hitchfel zeigte großes Interesse, Peter als Fahrer zu verpflichten. Erich wollte unbedingt mit ihm die Zentral-Europäische-Meisterschaft gewinnen! Leider gab es natürlich noch circa sechzig andere Piloten, die genau das gleiche Ziel hatten…
Kurz und gut, die Saison ‘74 hatte letztlich viele Höhen, aber auch ihre Tiefen. Die Höhen kamen sofort. Von Anfang an hatte Peter gute Platzierungen und fuhr auch zwei Siege heim. Später dann, kamen auch Ausfälle hinzu – selbst verschuldet oder eben auch nicht. Motorschäden, Reifenplatzer und ähnliches, auf die ein Rennfahrer keinen Einfluss nehmen kann.
Im Juli 1974 errang Peter Eichner jedoch seinen größten Sieg! Es war ein lauer Samstagabend. Er war gerade mit seiner damaligen Freundin Gloria von einem Rundstreckenrennen in Diepholz zurückgekommen. Der 6. Platz, den er doch noch hereingefahren hatte, obwohl er aufgrund eines Drehers in der Startrunde sogar schon mal kurzfristig Letzter war, erfreute ihn zwar nicht sonderlich, konnte aber seiner guten Laune nichts anhaben. Mittlerweile fuhr er einen VW-Porsche mit Mittelmotor. Dies war nicht nur ein schönes, modernes Auto, sondern von den Fahreigenschaften her, dem Formel- VAU-Rennwagen sehr ähnlich. Sozusagen ein Trainingsmobil…
Durstig auf ein kühles Bier und hungrig nach einem langen Tag, entschieden sich die beiden jungen Leute, von der Autobahn zwischen Karlsruhe und Pforzheim abzufahren und im Gasthaus „Das Laub“ einzukehren. Hier gab es im schattigen Innenhof einen Biergarten unter alten Kastanienbäumen. „Kein Platz im Moment!“, rief ihnen die Bedienung zu.
Sie wollten schon wieder gehen, als aus Richtung Stammtisch gerufen wurde: „Kommt doch zu uns! Hier ist noch Platz!“ Freudig nahmen sie das Angebot an. Vier Männer und zwei Frauen saßen in der Runde. “Guten Abend, das ist aber wirklich sehr nett von euch!“ Alle rückten zusammen und die beiden zwängten sich in ihre Mitte. Sofort ging’s lustig und ungezwungen zu. Jeder unterhielt sich mit jedem.
Doch nach kurzer Zeit sprach Peter nur noch ausschließlich – mit Renate! Sie war bildhübsch mit ihren kurzen, blonden Haaren, etwa 1,75 groß, schlank und sportlich. Gloria unterhielt sich inzwischen sehr angeregt mit einem gut aussehenden, durchtrainierten Typen…
Peter hatte dauernd das Gefühl, dass ihm gleich mal irgendjemand auf die Schulter klopfen würde, der dann sagte: “So, jetzt reicht‘s aber, junger Freund! Könntest du dich vielleicht mal wieder deiner Gloria widmen?“ Aber nichts geschah. Irgendwann entschuldigte er sich bei Renate: „Bin gleich wieder da, muss mal kurz für kleine Rennfahrer!“ – und verschwand im Gasthof.
Als er wieder heraus kam, stand Renate plötzlich vor ihm: “Ich wollte dir nur sagen, dass ich ohne Begleitung hier bin. Ich habe nämlich den Eindruck, dass du etwas irritiert bist – stimmt das?“ Peter lachte befreit. Über beide Ohren grinsend antwortete er dann: “Da kannst du recht haben! Eine Frau wie du – ohne Begleitung – das geht ja gar nicht! Aber das trifft sich gut! Ich hab‘ dir nämlich auch was zu sagen: Gloria ist zwar meine Freundin, aber wir haben uns bestimmt schon viermal getrennt. Irgendwie funktioniert das nicht mit uns beiden!“ „Ja“, lachte Renate, “hab‘ schon gemerkt, wie heftig sie mit René flirtet…!“
„Gut, wenn du mir deine Telefonnummer gibst, rufe ich dich gleich morgen früh an. Ich möchte dich unbedingt so schnell wie möglich wiedertreffen. Was meinst du, könnten wir vielleicht zusammen ins Rheinbad gehen?“ „Toll, ich würde mich riesig freuen!“
Wieder am Tisch, blinzelte ihm Gloria zu. Er hatte verstanden und nickte. „Sollen wir so in einer Viertelstunde weiterfahren?“ „Ja, super.“ Als Renate zurück war, steckte sie ihm unter dem Tisch einen Zettel zu. Gloria und Peter verabschiedeten sich. “Es war unheimlich nett mit euch! Nochmals vielen Dank, aber nun müssen wir weiter! Tschüüs!!“
Im Auto schaute ihn Gloria an: “Peter, du bist mir aber nicht böse, oder? Ich bin dir nämlich auch nicht böse!“ „Warum solltest du mir böse sein?“ „Peter Eichner, glaubst du eigentlich, dass ich blind bin? Glaubst du, ich habe nicht gemerkt wie ihr beide euch angesehen habt?“ „Na ja Gloria, also um die Wahrheit zu sagen, das hast du schon richtig gesehen. Ich finde diese Renate umwerfend nett. Doch dein blonder Nachbar schien ja auch bereits nach fünf Minuten sehr zutraulich zu werden – um es mal salopp auszudrücken!“
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