-„Einverstanden.“ Opal Gamma klopfte Colin auf die Schulter. „Also, viel Glück und bis später. Ich habe hier übrigens noch etwas für Sie, dass Ihnen vielleicht helfen wird.“ Er reichte Colin eine Brille, die an den Außenseiten der Gläser eingebaute Spiegel hatte, mit denen man problemlos seinen Hintermann beobachten konnte ohne dabei bemerkt zu werden.
Dankend nahm er die Brille entgegen und stieg aus. Opal Gamma winkte noch einmal ermutigend aus dem Taxi und da fuhr es auch schon weiter in Richtung Quay Grand Suites Sydney . Colin würde sich zunächst einmal aufs Beobachten konzentrieren.
Er wollte mehr über diesen Kerl und seinen Gesprächspartner vom Flughafen, Mister Brown, erfahren. Der Mann stellte eine akute Bedrohung dar und schien von einer höheren Stelle beauftragt zu sein. Ein engagierter Killer - oder war er mehr als das? Colin würde es herausfinden. Außerdem war da jetzt noch ein anderer Mann aufgetaucht, der sich angeregt mit dem großen Osteuropäer unterhielt. Vielleicht der erste Schritt, eine Verbindung herzustellen.
Colin betrat den Coffeeshop. Ein schöner, heller Raum mit vielen Sitzmöglichkeiten und einer großen Theke, hinter der eine gelangweilte, Kaugummi kauende Frau saß. Der Coffeeshop war gut gefüllt und Colin fiel sofort dieser angenehme Kaffeeduft auf, der im gesamten Café herrschte. Er setzte sich vorsichtig an einen Tisch, nahe dem der beiden Männer und bestellte einen Kaffee Royal.
Während Colin langsam seinen Kaffee trank, lauschte er angespannt dem Gespräch der beiden Gestalten, die er durch seine Spiegelbrille beobachten konnte. Irgendwie kam es Colin so vor, als ob der Gesprächspartner versuchte, den Mann mit der Narbe von etwas zu überzeugen, denn er redete argumentierend auf diesen ein. Die Überzeugungskraft schien allerdings nicht besonders groß zu sein, denn schließlich legte der Colin noch Unbekannte einen Scheck auf den Tisch. Er konnte die Zahl 1.000.000 lesen. Die Angelegenheit mutete sehr wichtig an, wenn es schon um solche Summen ging. Allerdings konnte sich Colin auch in der Anzahl der Nullen getäuscht haben. So einfach waren diese nicht auf die Schnelle zu entziffern. Der Mann mit der Narbe lehnte aber selbst diesen Scheck ab. Die Diskussion schien beendet, denn sein Gegenüber schüttelte resignierend den Kopf und der Osteuropäer verließ den Coffeeshop.
Nach einer Weile stand auch der Unbekannte auf und verschwand. Colin hielt es für besser ihn zu verfolgen, um herauszufinden, was er mit der ganzen Geschichte zu tun hatte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, den Osteuropäer davon kommen zu lassen, aber nun war es zu spät diesen Fehler zu korrigieren. Wenigstens die Identität des Gesprächspartners wollte er herausfinden.
Der Mann schlenderte in Richtung Hafencity. Er schien nicht mit einem Verfolger zu rechnen, denn er drehte sich auf dem ganzen Weg kein einziges Mal um. Anfänglich war es für Colin nicht schwer dranzubleiben, doch mittlerweile wurden die Straßen von Sydney zusehends voller. Das Nachtleben hatte begonnen und die Menschen drängelten sich auf den Bürgersteigen. Immer wieder kamen ihm Paare oder kleinere Menschengruppen in die Quere, die sich gar nicht um die anderen Passanten kümmerten und die gesamte Breite des Gehwegs einnahmen. Colin schaffte es dennoch dem Mann auf den Fersen zu bleiben und sah, wie dieser eine Bar betrat. Durch das Gewühl von Menschen vor dem Eingang, die rauchten, sich unterhielten oder nach Anderen Ausschau hielten, drängelte er sich ebenfalls in die Bar. Drinnen blieb er einen Moment stehen, um sich zu orientieren.
Nicht weit vom Eingang befand sich eine Tanzfläche, auf der einige Frauen und Männer zu rhythmischen Klängen tanzten. Der restliche Raum, den man vom Eingang aus überblicken konnte, war durch die indirekte Beleuchtung elegant und einladend gehalten, wobei das Inventar die Eleganz noch verstärkte. Colin warf einen Blick Richtung Bar, um den Mann aus dem Coffeeshop ausfindig zu machen. Und tatsächlich entdeckte er ihn am Tresen, wie er gerade etwas bestellte. Colin schlenderte zum anderen Ende der Bar und setzte sich auf einen Barhocker, von dem aus er den ganzen Raum im Blick hatte. Er bestellte eine Margarita, natürlich klassisch, mit Limettensaft; nicht eine der modernen Varianten mit Erdbeersirup oder etwas Ähnlichem. Der Mann hatte eine Flasche Bier bestellt und trank diese bereits.
Colin wusste gar nicht, worauf er eigentlich wartete. Dass der Mörder vom Flughafen hier auftauchen würde? Oder dass noch jemand Anderes mit diesem Typen, den er verfolgt hatte, in Kontakt treten würde? Er konnte es beim besten Willen nicht sagen. Er nippte an seinem Drink. Irgendetwas musste er über diesen Kerl doch herausfinden können. Wenn der sich allerdings wirklich mit jemandem treffen würde, war es besser, vorerst abzuwarten.
Und das tat Colin. Eine ganze Weile saß er da, trank seine Margarita, beobachtete den Eingang und den Mann, wippte mit dem Bein zur Musik und bestellte eine zweite Margarita. Aber es passierte nichts.
Colin wandte sich zum Barkeeper, um ein paar Informationen über den Mann, den er nun seit geraumer Zeit beobachtete, zu erfragen.
-„Sagen Sie mal, den Mann am anderen Ende des Tresens - kennen Sie den?“
Der Barkeeper schüttelte den Kopf, während er ein Glas abtrocknete.
-„Von den Gästen hier kenne ich normalerweise keinen genauer. Das ist ein reines Kommen und Gehen jeden Abend. Kein Stammpublikum. Wen genau meinen Sie denn überhaupt?“
Colin wies mit dem Kopf nach links. Als der Platz des Mannes gerade wieder in sein Blickfeld rückte, erschrak er. Der Mann war verschwunden.
-„Das… das kann doch nicht sein“, stammelte er. Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter und eine eindringliche, sonore Stimme sagte: „Suchen Sie jemanden?“ Colin fuhr herum. Die Stimme gehörte einem ihm unbekannten Mann mittleren Alters.
-„Entschuldigung, aber ich hatte so das Gefühl, dass Sie jemanden aus den Augen verloren haben.“
-„Nein“, sagte Colin etwas nervös, „alles in bester Ordnung.“
-„Sind Sie Engländer?“, fragte der Mann.
Colin wurde langsam nervös. Worauf wollte der Mann hinaus? Das konnte doch kein simpler Smalltalk sein.
-„Nein, Deutscher. Wie kommen Sie darauf?“
-„Ach, es hat mich einfach interessiert.“ Er lächelte. Nicht einmal ein unsympathisches Lächeln. „Deutscher, sagten Sie? Ach, so ist das. Ja ja, die Deutschen. Seit dem Zweiten Weltkrieg werden sie unterschätzt. Der BND ist sicher nicht so ein unbedeutender Nachrichtendienst, als der er sich selbst darstellt.“
Nun war es also raus. Der Mann näherte sich dem Thema. Er sprach von Geheimdiensten. Aber was genau er wollte, war immer noch nicht richtig klar geworden.
-„Als Deutscher haben Sie einen erstaunlich englischen Akzent. Ich schätze, Ihr Aufenthalt in Cambridge und Oxford hat maßgeblich dazu beigetragen. Wo wir schon mal dabei sind, was genau hat Sie dazu gebracht, den Mann zu verfolgen, der gerade noch dort drüben an der Bar saß? War irgendetwas in dem Coffeeshop? Wenn Joachim Bergmann nicht in dem Taxi gesessen hätte, aus dem Sie vorhin ausstiegen, wären Sie nun vermutlich in einer deutlich prekäreren Lage.“
Rumms. Der Groschen fiel allmählich. Nichts war diesem Mann verborgen geblieben, es war kein Zufall, dass sie miteinander sprachen. Der Mann war hinter ihm gewesen, während er den anderen Kerl verfolgt hatte. Wie versteinert saß er da. War das hier schon eine der Trainingsaufgaben des ESS? Möglich. Aber doch eher unwahrscheinlich.
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