Meine dagegen empfand ich eher nachteilig wirkend gegenüber Frauen. Vor kurzen hatte ich in einem aus Jux gedrehten Videoclip so richtig bewusst meine Stimme selbst gehört, dies hatte mich richtig geschockt. Daher hielt ich die Telefonate wider Willen sehr knapp, wollte meine Chancen, diese Frau zumindest kennen zu lernen, nicht gleich zunichtemachen.
Am dritten Tag kam ich so nebenbei auf die geringe örtliche Entfernung die uns trennte, zu sprechen und sagte dabei, dass es schon komisch sei, dass wir uns nie über den Weg gelaufen wären.
"Nein, das stimmt so nicht." schrieb sie zurück. Jetzt war es an mir, erstmal verwundert zu sein.
"Wie meinst du das Christine, daran würde ich mich doch erinnern."
Prompt schrieb sie retour: "Ich habe Dich sogar mehrmals in den letzten zwei Monaten gesehen Peter. Du bist in einer Eisdiele gesessen und hast ständig mit dem Smartphone geschrieben und dabei meist gelächelt, wenn Du anscheinend eine Nachricht bekamst. Einmal saß ich sogar am Nachbartisch und Du hast mich und Deine Umgebung überhaupt nicht wahrgenommen. Damals hatte ich versucht, Dir einen netten Blick zu schicken, aber irgendwie bekam ich das Gefühl, der ist in einer glücklichen Beziehung, darum kriegt er nichts mit."
Ja, es stimmte, damals bekam ich nur wenig von dem, was um mich herum passierte mit. Dies war durch die "noch fröhliche" Suche auf dem Partnerportal bedingt, wo ich eifrig nach der "Richtigen" suchte. Ja, wie konnte ich denn so blind gewesen sein? Da sitzt vielleicht diese, jene "Richtige" Frau neben mir und schickt mir ein Lächeln. Was mache ich? Schaue auf dieses Smartphone und hoffe eine solche Frau zu finden. Was war ich doch für ein Esel gewesen.
Verstehen sie mich richtig, das Smartphone ist wirklich eine tolle Sache, aber manchmal hindert es uns daran, das Wesentliche im Leben zu sehen, unsere Umgebung.
Im Nachhinein gesehen ist es vielleicht der Grund, warum ich ihr Lächeln auch heute noch nicht immer richtig einordnen kann und wahrscheinlich werde ich auch weiterhin immer wieder mal wegen dieser damaligen "Blindheit" von ihr geneckt werden.
Psychologen würden das wahrscheinlich mit einem schlechten Gewissen gegenüber ihr verbinden, zum Teil vielleicht richtig. Aber es würde ihrem Lächeln nur bedingt gerecht, dieser Magie, die es bei mir nach über 20 Jahren noch immer auslöst.
Sie sagt noch heute manchmal mit einem Lächeln: "Streng Dich nur richtig an bei mir Schatz, Du hast uns deswegen 2 Monate Gemeinsamkeit "geklaut", da hast Du noch einiges gut zu machen."
Egal, ich nutzte diesen „Fauxpas“ dazu, ihr zu sagen, es wäre doch schade noch mehr Zeit mit Schreiben zu vergeuden, wenn ich schon so viel Zeit verloren hätte, um sie näher kennen zu lernen. "Hättest Du Zeit und Lust, mich übermorgen nachmittags zu treffen in dieser Eisdiele? Ich werde Dich diesmal garantiert nicht übersehen und das Smartphone bleibt in der Hosentasche, versprochen."
"Ja, sagen wir um 14 Uhr? Früher kann ich nicht. Soll ich Dir sicherheitshalber nochmals sagen, wie ich aussehe, damit Du nicht die falsche Frau umarmst?"
Diese Art kannte ich bereits von früheren Schreiben, es war schon fast ein Ritual, darauf albern zu antworten: "Es wäre sicher nicht verkehrt, Du hast ja schon festgestellt, dass ich unter "Blindheit geschlagen" leide."
"Nein, dieses Mal musst Du eben Deine Augen mal richtig aufmachen. Und als kleine Strafe schreibe ich Dir jetzt nicht mehr. Also bis übermorgen zum Eis essen. Übrigens, ich bevorzuge den Ananasbecher dort, nur so zur Info."
Damit war für sie das Gespräch beendet und ich wusste, sie würde auch bis dahin nicht mehr schreiben oder auf Anrufe reagieren.
Die Stunden bis dahin wurden zu "Himmel und Hölle" zugleich. Einerseits freute ich mich sie endlich zu sehen, andererseits hatte ich Angst davor. Wie sollte ich reagieren, wenn sie auf mich zukam? Sollte ich Christine wirklich umarmen, wie sie angedeutet hatte, oder aber eher zurückhaltend sein?
In Gedanken spielte ich die verschiedensten Szenarien in meinem Kopf durch. Sollte ich schon einen Ananasbecher bestellen bevor sie kam, denn warum hätte sie das sonst erwähnt?
Manchmal hatte ich das Gefühl, die Zeit verstreiche überhaupt nicht, Stunden später kam es mir wieder vor, sie vergehe wie im Flug und ich wäre nur der Fluggast dabei.
Was sollte ich anziehen, so wie immer leicht lässig, oder aber eher cool und leicht elegant? Sollte ich ein Parfüm benutzen und wenn ja, welches?
Die zwei Nächte bis zum Date waren lange und mit unzähligen hin und her wälzen im Bett verbunden, die obligatorische Schokolade bei Schlafstörungen half auch nicht.
Der Tag dazwischen in der Arbeit brachte auch nicht die gewünschte Ablenkung. “Ist was mit Dir?“ fragten meine Kollegen. „Nein alles OK, bin nur ein wenig müde.“ Was ja nicht gelogen war nach zwei Stunden Schlaf.
Aber in Wirklichkeit musste ich ständig an das Date denken. Im Geiste hatte ich schon gefühlte 100 x alle möglichen Abläufe durchgespielt, davon war die Hälfte schlecht verlaufen. Meinem Selbstbewusstsein waren diese 50 % nicht unbedingt zuträglich.
Ein paar Stunden vor dem Treffen wurde ich richtig nervös. Ein sonniger Tag dieser 25. Mai, eigentlich wunderbar für diesen Anlass.
Was ziehe ich an, meine Lieblingsjeans war dummerweise in der Wäsche, also was für eine Hose stattdessen? Hemd oder Shirt, Lackschuhe oder Slipper oder ganz was anderes?
Mein Gott, rasiert hatte ich mich auch noch nicht. Kurze Zeit später war auch dies geschafft, sogar ohne Verletzung. Plötzlich wusste ich genau, was ich anziehen würde, die Jeans für besondere Anlässe und ein Shirt darüber, dazu Lackschuhe. Also nichts wie rein in die Klamotten und ab, es war ja schon nach 13 Uhr, ich wollte ja unbedingt vor ihr da sein.
Eine 1/4 Stunde vor der Zeit war ich da. Meine Beine waren schwammig, sie zitterten leicht. Trotz allem blieb ich vor der Eisdiele stehen, ich wollte sehen wenn sie kam.
Und sie kam. Selbstbewusst und mit einem unsagbar einladenden Lächeln schritt dieser Engel auf mich zu. Alle durchgespielten Begrüssungsszenarien waren wie ausgelöscht.
Was passierte mit mir? Ich ging ihr entgegen und als wir voreinander standen, nahm ich sie ohne "Hallo" in meine Arme und küsste sie. Mittendrin dachte ich mir, jetzt bekommst du gleich eine Ohrfeige. Stattdessen sagte sie "Hallo, kannst du das bitte wiederholen und ein wenig länger?" Ich küsste sie nochmals, dieses Mal innig und vertraut, als hätten wir uns schon x-mal so geküsst.
Alles um uns herum bekamen wir nur noch schemenhaft mit, es war, als würden wir alleine hier sein.
Endlich, endlich hielt ich sie in meinen Armen und spürte dabei, dass auch sie gerade so dachte und fühlte.
Wir brauchten keine Worte, um uns zu verstehen. Jeder schien in diesem Moment ein offenes Buch für den anderen zu sein.
Es wurde ein wunderschöner Nachmittag. Wir fuhren an einen See, gingen spazieren ohne viele Worte wechselnd, nur die Magie dieser Zweisamkeit genießend. Wir blieben immer wieder stehen, umarmten und küssten uns mit steigender Begierde.
So nebenbei sagte sie: „Weißt Du eigentlich, das ich Deine Stimme als sehr angenehm empfinde? Sie ist einer der Gründe, warum ich Dich auch treffen wollte. Eine Stimme kann viel über den Menschen verraten.“ Dieses Kompliment verwirrte mich zwar im ersten Moment etwas, war ich über mich ganz anderer Meinung gewesen, doch ich vergaß dabei nicht, auch ihr zu sagen wie ich ihre Stimme empfand. Ein erfreutes Lächeln war die Antwort darauf.
Am Abend gingen wir in einen gut besuchten Biergarten, alle Welt sollte sehen wie glücklich wir waren. Hunger hatten wir wenig, stattdessen hielten wir ständig Händchen und küssten uns. Ja, auch in diesem Alter kann man noch wahnsinnig verliebt sein, liebe Leser.
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