Mr. Simmons zeigte auf die zwei Männer, die neben ihm saßen.
“Sie beide nehmen den weißen Rover und fahren vorher zum Parkplatz der Firma. Sie verhalten sich erstmal unauffällig und halten Augen und Ohren offen. Wir werden die ganze Zeit Kontakt halten.“ Die beiden Männer nickten.
„Sie sagte, es fängt um acht Uhr an. Sie fahren etwa eine halbe Stunde vorher los.“ Er sah Gus an und der nickte. Bis dahin waren es noch zwei Stunden.
5.
Bridget trat in ihr Zimmer, legte ihre Tasche auf die Kommode neben der Tür und ging ins Bad. In dem großen Badezimmer, das fast wie ein Wohnzimmer möbliert war, gab es eine riesige Palme. Bridget griff unter eines der Blätter und machte ein Handy weg, das dort mit einem Klebestreifen festgeklebt war. Es war ebenso grün, wie das Blatt unter dem es hing, so dass es fast unsichtbar war. Für Gespräche mit Juliet benutzte sie dieses einfache prepaid Handy, dessen SIM-Karte sie alle paar Wochen durch eine neue ersetzte. Alles nur, damit sie ein vertrautes Gespräch führen konnte, ohne dabei abgehört zu werden.
Sie ließ Wasser in die Wanne laufen, um etwaige Mikrofone im Badezimmer zu stören und ging durch eine Tür auf einen kleinen Balkon. Sie wählte Juliets Nummer. Es klingelte zwei Mal und Juliet war dran.
„Kannst Du sprechen?“ fragte Bridget nach einer kurzen Begrüßung.
Juliet antwortete: „Ja, alles klar. Raus mit der Sprache. Was gibt es?“
Bridget lächelte „Er hat mich eingeladen.“
„Und?“
„Und ich habe zugesagt. Er hat diesmal nicht locker gelassen.“
„Weiß Dein Wachhund davon?“
„ Wo denkst du hin? Natürlich nicht. Ich habe ihm gesagt, es gäbe eine kleine Feier wegen meines letzten Tages. Nach einer kurzen Diskussion hat er versprochen mich hinfahren zu lassen und erst wieder abzuholen, wenn ich es will.“
Juliet war nicht überzeugt. „Und Du glaubst das? Hört sich gar nicht nach Simmons an. Pass auf Dich auf, Bridget.“
„Keine Angst, das mache ich schon. Ich bin sowieso hin- und hergerissen.“
„Warum? Das ist doch schön, dass sich Dein Traumprinz doch noch mal durchgerungen hat, Dich einzuladen.“
Bridget seufzte. „Ja, schon, aber ich weiß nicht, ob es richtig war, anzunehmen. Ob es richtig ist, mit ihm essen zu gehen.“
„Warum?“ fragte Juliet unbefangen.
„Warum, warum? Du kannst fragen. Warum wohl?“ Bridget blickte auf den Boden und erkannte ihre Lage, mal wieder.
Juliet holte tief Luft: „Jetzt hör mir mal gut zu. Seit Du da drüben bist, schwärmst Du mir mehr oder weniger von diesem Nick vor. Er lädt Dich ein, aber Du sagst nie zu. Gehst ihm, wenn möglich, sogar aus dem Weg. Und mir schmachtest Du von ihm vor. Jetzt fasse Dir ein Herz und gehe frohen Mutes zu dieser Verabredung. Genieße sie, aber pass auf, was um Dich herum vorgeht. Das Wohlwollen von Simmons gefällt mir nicht.“
„Bei Dir hört sich das alles so einfach an.“
„Das ist es auch.“
Bridget wurde ärgerlich: „Nein, Juliet, das ist es nicht.“ Der letzte Satz klang resigniert: „Nicht bei mir.“
Juliet konnte Bridget förmlich vor sich sehen. Sie hätte sie jetzt am liebsten in die Arme genommen. In solchen Momenten tat sie ihr leid. „Also gut. Du bist ein braves Mädchen, immer gewesen und hast immer gemacht, was man von Dir verlangt hat.“
Bridget schnaubte, doch Juliet fuhr fort: „Gut, bis auf ein paar Ausnahmen, aber doch im Großen und Ganzen. Nun lebe. Nimm Dir etwas Spaß und wenn es nur für heute ist. Du bist jung und hast auch ein Recht darauf. Die Zeit vergeht schnell genug. Wie gesagt: genieße es. Vielleicht hast Du ja Glück und er ist ein Langweiler.“
„Glück?“ Bridget musste lachen. „Wie meinst Du das?“
„Na dann besteht ja keine Gefahr, dass Du Dich in ihn verliebst. Ergo: alles bleibt beim Alten.“
„Und wenn er kein Langweiler ist?“ Bridget fragte es ängstlich.
Juliets Stimme wurde höher. „Na umso besser.“ Ihre Stimme wurde wieder tiefer: “Darum kümmern wir uns dann. Jetzt mach Dich erst mal schön. Was ziehst Du an?“
Darüber hatte Bridget ja noch gar nicht nachgedacht. Sie unterdrückte ein leises Gefühl der Panik. „Ich, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wo es hin geht. Ich hätte vielleicht nach dem Dresscode fragen sollen.“
Juliet lachte: „Du bist wirklich von Deinen vielen offiziellen Anlässen verdorben. Wird höchste Zeit, dass Du mal wieder unter normale Menschen kommst. Wie wäre es mit einem kleinen Schwarzen? Damit kann man eigentlich nichts falsch machen.“
Bridget lächelte erleichtert: „Ja, das stimmt. Müsste ich eigentlich dabei haben. Mach‘s gut, Süße. Ich muss mich umziehen.“
Juliet lächelte: „Mach Du es auch gut.“ Sie legten beide auf. Juliet steckte das Handy ein und sagte vor sich hin: „Und lebe endlich. Bevor es zu spät ist.“
6.
Bridget ging zurück ins Bad. Die Wanne war fast voll und drohte überzulaufen.
„Ach herrje. Dich habe ich ja ganz vergessen.“ Schnell machte sie den Wasserhahn zu. „Wenn jetzt schon mal Wasser drin ist.“
Sie begann, sich die Jeans auszuziehen, die weiße Hemdbluse und ihre Unterwäsche, ließ etwas Wasser ablaufen und stieg hinein. Das warme Wasser entspannte sie. Sie genoss die Wärme und das weiche Plätschern um sie herum. Sie wusch sich die Haare, seifte ihren Körper und duschte alles ab. Sie schwankte zwischen den Gefühlen der Vorfreude, der Unsicherheit, Glück und, wie immer ein bisschen dabei, Resignation. Das Gefühl war immer da, auch die Angst, vor der Freude. Sie ärgerte sich, auch wie immer, dass das so war. Sie konnte nichts genießen oder einfach geschehen lassen und annehmen, ohne daran zu denken, was es für Konsequenzen haben könnte. Aber diesmal wollte sie auf Juliet hören und keine schlechten Gedanken zulassen.
Sie hätte ihr von ihm vorgeschwärmt, hatte Juliet gesagt. Bridget musste bei dem Gedanken lächeln. Davon wusste sie ja gar nichts. Hatte ihr Unterbewusstsein ihr einen Streich gespielt? Hatte sie doch über Nick geredet, ohne es selbst zu merken. Muss wohl so gewesen sein. Sonst hätte es Juliet ja nicht sagen können.
Oje, das würde wohl doch kein einfaches Essen heute werden. Aber, wie hatte sie gesagt, vielleicht ist er ja ein Langweiler? Dann würde es sich wirklich bald erledigt haben. Was sie bis jetzt von ihm kennengelernt hatte, war aber alles andere als langweilig. Was, wenn sie ihn mögen würde, oder sogar mehr? Sie schalt sich selbst eine Närrin und befahl sich, jetzt damit aufzuhören.
„Jetzt warte es doch erst mal ab.“ sagte sie zu sich selbst, stieg aus der Wanne und begann sich abzutrocknen. Sie schminkte sich sorgfältig, föhnte ihre braunen Haare, wobei sie ihre wenigen Naturlocken ermunterte, sich zu kringeln, steckte sie lässig hoch und zog sich sorgfältig an. Tatsächlich fand sich ein schwarzes Etuikleid unter ihrer Garderobe. Sie wählte schwarze, mit Spitzen besetzte Unterwäsche, schwarze halterlose Strümpfe und dazu schwarze Samtpumps. Abgerundet wurde das ganze durch ein vierreihiges Perlenhalsband. Sie schaute in den Spiegel und war sehr zufrieden mit dem, was sie da sah. Jetzt noch ein leichtes Jäckchen, oder ein Cape, dann war die Garderobe perfekt. Die Nächte empfand sie immer als kühl, auch im Sommer. Das war eine ihrer Besonderheiten. Sie brauchte immer etwas um die Schultern. Das gab ihr Geborgenheit. Sie fand ein Cape und warf es sich über.
Sie nahm ihr Handy und ein paar andere Utensilien aus ihrer Tasche, gab sie in eine kleine, schwarze Abendhandtasche und ging aus dem Zimmer. Unten wartete schon Gus mit dem Wagen. Sie lächelte ihn freundlich an, als er ihr die Tür aufhielt: „Danke, Gus.“
„Miss.“ Antwortete er knapp, stieg in den Wagen und fuhr los.
Bridget war die ganze Fahrt über freudig aufgeregt. Sie würde heute einen schönen Abend erleben und sie würde ihn sich nicht verderben lassen. Sie war fest entschlossen.
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