Juliet, ihre beste Freundin seit Kindertagen. Es war klar, dass sie jetzt anrief. Sie hatte ein Gespür dafür, wenn es Bridget nicht gut ging.
„Mir geht’s gut und Dir?“ fragte Juliet.
„Ich weiß es nicht.“
„Du weißt es nicht? Wie geht das?“
„Ich kann jetzt nicht sprechen. Ich rufe Dich nachher zurück.“ Bridget fürchtete, vom Fahrer belauscht zu werden. Sie hatte gelernt, vorsichtig zu sein.
Juliet verstand sogleich. „In Ordnung. Mach das. Ich bin sehr gespannt.“
„Bis dann.“
Sie legten beide auf. Juliet war nicht nur ihre beste Freundin. Sie war wie eine Schwester, ja mehr noch, falls so etwas möglich war. Ihr konnte sie vertrauen. Sie wussten alles voneinander. Sie würde sie fragen. Juliet würde wissen, was zu tun war. Sie wusste immer Rat, wenn ihre Freundin Probleme hatte. Sie war nicht ganz so behütet aufgewachsen wie Bridget und hatte schon mehr Erfahrung. Etwas beruhigt lehnte sie sich gegen die Rückenlehne und atmete tief durch. Der Wagen beschleunigte und fuhr auf den Highway. Nach ein paar Kilometern verließ er ihn und schwenkte in Richtung Vororte ab. Sie fuhren durch Wohngebiete und dann kam er in Richtung Meer. Die Grundstücke wurden größer, die Villen prächtiger. Dann kamen sie in eine Gegend, in der die Häuser nicht mehr von der Straße aus zu sehen waren. Es waren hohe Zäune oder Mauern um die Anwesen gezogen und dahinter standen hohe Bäume und Hecken. Bei einem dieser Anwesen bog der Wagen von der Straße ab. Das Tor ging wie von Geisterhand auf und der Wagen fuhr langsam hindurch. Das Tor schloss sich ebenso lautlos wieder. Der Wagen rollte die Auffahrt hinauf und hielt vor dem Haus. Der Fahrer stieg aus und hielt Bridget die Autotür auf.
Sie stieg aus, sah den Fahrer kurz an und sagte „Vielen Dank, Gus.“ Sie ging in Richtung Haustür, die von einem älteren, grauhaarigen Herrn im schwarzen Anzug aufgehalten wurde.
„Guten Tag Miss.“ Er sah sie ernst an.
„Guten Tag Mr. Simmons. War es nicht leichtsinnig, mich nur von Gus abholen zu lassen?“
Ihm entging der leicht ironische Unterton in der Frage nicht. „Ich hatte gehofft, dass es Ihnen auffallen würde. Aber in Anbetracht dessen, dass dies vorläufig Ihr letzter Tag in der Firma war, konnte ich das Risiko wohl eingehen.“
Sie gingen zusammen durch die große Eingangshalle. Mitten in der Halle blieb Bridget stehen und drehte sich zu Mr. Simmons um. Sie nahm allen Mut zusammen und sagte: „Ich brauche den Fahrer nachher. Er muss mich gegen halb acht noch einmal zur Firma fahren.“
Sofort wurde Mr. Simmons aufmerksam. Er streckte sich, sein Körper verriet eine Anspannung, die Bridget sofort auffiel.
„Warum?“ fragte er. „Ich dachte, die Arbeit ist vorerst getan. Laut Vertrag werden Sie erst wieder zum Filmschnitt gebraucht.“
Bridget stand jetzt ebenso unter Spannung. Sollte sie die Wahrheit sagen und riskieren, dass man sie nicht gehen ließ, oder sollte sie sich etwas einfallen lassen? Sie entschied sich für ein bisschen von Beidem. „Eben weil es mein letzter Tag war, hat man mich zu einer kleinen Party eingeladen. Sie findet um acht Uhr statt. Ich habe zugesagt.“
Bei Mr. Simmons schwoll eine Ader am Hals zusehends an. „Warum haben Sie das getan, ohne es vorher mit mir abzustimmen? Sie wissen ganz genau, dass so etwas geplant werden muss.“
Bridget sah Hilfe suchend zur Decke, dann sah sie ihr gegenüber wieder an und sagte: „Mr. Simmons, was hätte ich sagen sollen, als ich eingeladen wurde? Moment bitte, ich muss erst meinen Sicherheitschef fragen, ob ich kommen darf? Wie hätte das ausgesehen? Hätte das nicht erst recht Verdacht erregt? Und das wollen wir doch gerade nicht. Ich werde also hingehen, ein bisschen bleiben und dann wieder gehen. Gus kann mich dann wieder abholen.“
Simmons behagte das Ganze nicht. Man sah es ihm an. Seine Kiefer arbeiteten und die Ader am Hals trat immer mehr hervor.
„Sie wissen, was ich meine. Wie sollen wir für Ihre Sicherheit sorgen, wenn Sie mich vor vollendete Tatsachen stellen? Wie soll ich so schnell Sicherheitspersonal in die Firma bringen?“
Bridget wurde es mulmig. Personal in die Firma? Sie musste schon den Gedanken im Keim ersticken. Sie musste versuchen ihn zu beruhigen. „Das wird nicht nötig sein. Die Veranstaltung ist spontan. Keiner wusste vorher davon, also gibt es auch kein Sicherheitsrisiko. Bitte, Mr. Simmons, lassen Sie mich gehen. Ich verspreche auch, sehr vorsichtig zu sein.“
Sie redete jetzt sehr beruhigend auf ihn ein, obwohl es ihre ganze Beherrschung kostete: „Ich kann mich doch nicht immer vor den Veranstaltungen drücken. Das habe ich seit ich hier bin schon die ganze Zeit über getan. Wissen Sie, wie man mich hinter vorgehaltener Hand nennt? Die eiserne Jungfrau. Und das, weil ich jeder Einladung aus dem Weg gegangen bin. Es ist nicht nett zu wissen, dass so über einen geredet wird. Außerdem hat es hier wirklich sehr interessante Leute gegeben.“ Sie senkte den Kopf und sagte leiser: „ Es wäre sehr schön gewesen, den einen oder anderen näher kennenzulernen.“
Mr. Simmons sog hörbar die Luft durch die Nase ein und ließ sie ebenso wieder entweichen. „Also gut, aber wir werden auf dem Parkplatz bleiben und auf Sie warten.“
Bridget wollte schon aufatmen, aber das mit dem Parkplatz gefiel ihr nicht. Man würde sehen, wie sie mit Nick wegfahren würde. Sie musste versuchen, das zu verhindern.
„Was soll das heißen? Sie wollen mich hinbringen und dann auf dem Parkplatz warten? Was, wenn das jemand sieht? Man wird glauben, ich habe einen Babysitter.“
„So ähnlich ist es ja auch. Es heißt nur anders: Sicherheit.“
„Das ist nicht witzig, Mr. Simmons. Und das wissen Sie.“
„Es soll auch nicht witzig sein. Ich bin für Ihre Sicherheit verantwortlich, Miss. Und das nehme ich, wie Sie wissen, sehr ernst.“
Bridget schnaubte: „Ja, das weiß ich und ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür. Aber manchmal nehmen Sie das zu ernst. Was soll denn schon passieren?“
Simmons sah sie an, hob die Arme und ließ sie fallen: „Also gut, Vorschlag: Gus bringt Sie hin und wartet auf einem benachbarten Parkplatz. Wenn Sie nach Hause wollen, melden Sie sich und er ist schneller bei Ihnen. Ist das akzeptabel?“
Bridget glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Das war ja traumhaft. Fast zu schön, um wahr zu sein. War das auch wirklich wahr? In ihr regte sich ein leises Misstrauen. Es war immer verdächtig, wenn Simmons so freundlich war. Egal. Jetzt hieß es, sich vorzubereiten. Sie lächelte Simmons an: „Einverstanden. Danke Mr. Simmons. Ich gehe nach oben und mache mich fertig.“
Sie warf ihm eine Kusshand zu und eilte beschwingt die große geschwungene Treppe nach oben zu ihrem Zimmer.
4.
Simmons drehte sich um und ging den Flur entlang, an der Küche vorbei, in ein geräumiges Büro. Dort saßen vier Sicherheitsbeamte, alle in schwarzen Anzügen, weißen Hemden und Krawatten, ebenso Gus, der Fahrer. Sie hatten Kaffeetassen vor sich und unterhielten sich. Als Simmons das Büro betrat, verstummten sie und richteten ihre Blicke auf ihn. Er ging um den Schreibtisch herum und setzte sich.
„Meine Herren, Planänderung. Sie ist heute Abend eingeladen. Man gibt wohl ihr zu Ehren eine kleine Abschiedsparty. Ich habe mit ihr abgesprochen, dass Sie sie hinbringen.“ Er blickte auf Gus, der kurz nickte. „Und dann warten Sie auf einem benachbarten Parkplatz.“
„Ist das Ihr Ernst? Sie lassen sie alleine hingehen?“ fragte Gus. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es Mr. Simmons zuließ, keine Kontrolle über seinen Schützling zu haben. Schon, dass er sie heute alleine abholen konnte, hatte ihn erstaunt. Sonst waren immer mindestens ein, meistens zwei Sicherheitsleute dabei. Manchmal sogar ein zweites Fahrzeug.
„Natürlich nicht.“
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