20.
Bridget und Simmons betraten den Bereich der ersten Klasse des Flugzeuges als Letzte. Die anderen Passagiere saßen schon alle auf ihren Sitzen. Dies war aus Sicherheitsgründen immer so. Die Flugzeugtüren schlossen sich unmittelbar hinter ihnen. Die Sitzplätze der ersten Klasse waren nur etwa knapp zur Hälfte besetzt. Ein gutaussehender Steward führte sie zu ihren Plätzen. Simmons saß schräg hinter Bridget. So konnte er sie besser im Auge behalten. Er freute sich auf den Flug. Im Flugzeug konnte ja nichts passieren. Sie konnte schlecht unterwegs aussteigen.
Er flog diesmal allein mit ihr. Die amerikanischen Sicherheitsleute waren nur für den Aufenthalt in den Staaten angeheuert worden. In London würde man sie dann von den eigenen Leuten abholen lassen.
Jetzt freute er sich erst mal auf eine Mütze voll Schlaf. Die konnte er gut gebrauchen. Er machte es sich bequem und noch bevor das Flugzeug abhob, war er eingeschlafen.
Bridget setzte sich bequem hin und betrachtete die Kabine. Das war es also. Ihr Abenteuer war zu Ende. Ihr stiegen beinahe die Tränen in die Augen, aber sie kämpfte sie nieder. Sie wollte nicht in der Öffentlichkeit weinen.
Sie sah nach hinten, Simmons hatte die Augen geschlossen. Schlief er, oder wollte er nur, dass sie das dachte? Aber was hätte sie hier tun können? Sie hatte kein Handy und abhauen konnte sie auch nicht. Gefangen im Käfig, dachte sie. Das Motto meines Lebens. Sie sah sich in der Kabine um und betrachtete die anderen Passagiere, beziehungsweise, was man von ihnen sah. Kaum halbe Köpfe, die über die Rückenlehnen ragten. Als das Flugzeug seine Reisehöhe erreichte, kamen die Stewardessen und fragten, ob sie etwas anbieten durften. Bridget bestellte sich nur ein Wasser und schaltete lustlos den Bordcomputer vor sich an. Was sollte sie sonst die nächsten Stunden tun? Grübeln? Nachdenken, wie es weitergehen würde? Sie hätte doch nur schlechte Gedanken gehabt und dadurch auch noch miese Laune bekommen. Ihre Stimmung und das selige Gefühl in der Magengegend wollte sie sich aber um keinen Preis verderben lassen. Da ließ sie sich lieber von einem Film ablenken. Sie wählte einen Film über Robin Hood. Als er anfing, sah sie, dass er von Nicks Produktionsfirma hergestellt worden war. War das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Omen? Egal, sie schaute ihn sich an.
Während der Film lief, ging plötzlich ein Mann an ihr vorbei. Sie sah es nur aus den Augenwinkeln. In diesem Moment fiel ihr ein Stück Papier in den Schoß. Sie wollte schon protestieren, bewarf sie da etwa jemand mit Müll? Aber der Mann war schon wieder zu seinem Sitz zurückgegangen.
Sie betrachtete das Papier und stellte fest, dass es ein zusammengefalteter Zettel war. Sie entfaltete ihn und las: in zehn Minuten WC vorne links. Bridgets Herz klopfte bis zum Hals: Nick! Durfte das wahr sein? Er war hier im Flugzeug. Das Glück schwappte über sie.
Sie drehte sich zu Simmons um. Der schlief selig und hatte nichts mitbekommen. Die Stewardess hatte ihn mit einer Decke zugedeckt. Sie sah auf die Uhr. Die Zeiger bewegten sich viel zu langsam. Die zehn Minuten dauerten ewig. Das konnte auch Robin Hood nicht ändern. Kurz bevor die Zeit um war, erhob sich ein Mann weiter vorne von seinem Platz und ging zum WC.
Bridget sah auf die Uhr. Endlich, es war soweit. Sie erhob sich und ging den Gang entlang, öffnete die Tür der Toilette und ihr Herz hüpfte vor Freude. Schnell zog sie die Tür zu und fiel geradewegs in Nicks Arme. Er saß auf der geschlossenen Toilette und zog sie auf sich. Sie küssten sich, lachten, hielten sich eng umschlungen und küssten sich wieder.
Als sie wieder zu Atem kamen keuchte Bridget: „Du bist verrückt.“
„Ja, mein Schatz, nach Dir.“
„Und was jetzt?“
Nick streckte sich: „Ich habe einen Plan, aber Du musst mir dabei helfen.“
Bridget war selig, das zu hören. Sie hatte Recht behalten: Mit ihm war alles möglich, vielleicht sogar das Unmögliche. „Lass hören.“
„Wie geht das Aussteigen bei Dir vonstatten?“
„Normalerweise fährt eine Limousine auf das Rollfeld und wir steigen als Erste aus.“
Nick dachte nach; „Das ist schlecht. Zu wenig Zeit.“
„Ich könnte etwas Zeit herausschlagen, indem ich sage, sie müssten nochmals anhalten, mir ist schlecht und ich müsste dringend zur Toilette.“
„Kriegst Du das hin?“
Bridget nickte: „Ja, ich glaube schon. Und dann?“
„Agatha hat mir einen Mietwagen besorgt. Mit dem könnten wir dann das Flughafengelände verlassen. Glaubst Du, Du schaffst es bis zum Mietwagenschalter?“
„Welchen?“
Nick zog sein Handy aus der Jackentasche und tippte ein paar Mal darauf herum.
„Car rent. Ist am westlichen Ausgang.“
Bridget lächelte ihn an: „Ich werde es jedenfalls probieren.“
„Ok, ich warte dort auf Dich. Ich kenne mich aber in diesem Teil der Welt nicht aus. Weißt Du, wohin wir fahren können? Wir bräuchten zuerst einmal einen sicheren Unterschlupf.“
Bridget dachte kurz nach, dann fiel ihr etwas ein. Sie hatte den perfekten Ort dafür. Etwas weit entfernt, aber machbar.
„Da weiß ich was. Ist ein Stück zu fahren, aber ich glaube, sicher.“
Sie küssten sich lange und zärtlich. Bridget ließ sich fallen und genoss das warme Gefühl, das sich in ihr breit machte. Wie wunderbar er sich anfühlte. Heute Morgen noch hatte sie befürchtet, dass sie sich niemals wieder sehen würden. Und jetzt war er hier. Sie wollte nicht weiter denken. Ließ es einfach geschehen. Als sie sich voneinander lösten, sahen sie sich in die Augen.
Sie flüsterte: „Wir brauchen aber noch einen Plan B. Was, wenn es nicht klappt?“
Nick dachte kurz nach. Dann sah er sie fast schelmisch lächelnd an: „Ganz einfach, dann warte ich in den nächsten Tagen um zehn Uhr morgens am westlichen Beichtstuhl in der Westminster Abbey.“
Bridget lachte: „ Oh, Nick. Mit Dir hört sich das alles so einfach an. Ich muss jetzt wohl zurück? Simmons hat zwar den Anschein erweckt zu schlafen, aber ich traue ihm nicht.“
Sie küssten sich immer wieder.
„Ja, musst Du wohl.“
Bridget stand auf. Er hielt sie an der Hand: „Noch eins.“
Sie machte wieder einen Schritt zurück: „Ja?“
„Wie heißt Du?“ Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt.
Das versuchte Lächeln misslang ihr: „Du weißt es?“
Nick wurde ernst: „Ich weiß nur, dass Du nicht Bridget Malloy bist. Es gibt keine Bridget Malloy mit dem Lebenslauf, den Du uns vorgelegt hast.“
Was jetzt? Sie war drauf und dran mit diesem wunderbaren Mann durchzubrennen. Jetzt musste Ehrlichkeit sein, zumindest ein kleines bisschen: „Bridget stimmt. Malloy ist ein abgewandelter Name. Er musste herhalten, damit ich dieses Projekt machen konnte. Bitte, Nick, das ist alles kompliziert. Ich werde es Dir erklären, wenn wir in Sicherheit sind. Ich verspreche es.“
„Ein abgewandelter Name?“ fragte er ungläubig.
„Ja, bitte, ich erkläre es Dir später. Vertrau mir einfach.“
Nick schüttelte den Kopf: „Ich muss total verrückt sein. Aber gut. Ich vertraue Dir.“
„Danke. Ich liebe Dich.“ Sie küssten sich noch einmal, dann schlüpfte Bridget aus der Tür.
Nick sah in den Spiegel und sagte zu sich selbst: „Ich muss wirklich total verrückt sein.“
21.
Das Flugzeug setzte nach ruhigem Flug pünktlich in London Heathrow auf. An der parking position fuhr eine schwarze Limousine vor. Bridget und Simmons, der gut geschlafen hatte, deshalb aber nicht besserer Laune war, wurden als erstes von Bord gebeten. Sie stiegen die Gangway hinab und schon sprang ein Sicherheitsbeamter aus dem Wagen, der die Wagentür aufriss. Bridget und Simmons nahmen auf der Rückbank Platz. Sogleich setzte sich der Wagen in Bewegung. Sie stöhnte leise.
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