„In Ordnung!“
Er tippte Ennius mit der vitis auf die Brust.
„Das Kettenhemd und der Gürtel könnten besser gereinigt werden. Optio, schreibe auf: Ennius 1. Contubernium: Alle Metallgegenstände haben bis morgen zu glänzen!“
Ennius schaute ihn ungehalten an.
„Fragen, Immunis?“, bellte Lucius.
Ennius starrte geradeaus.
„Nein, Centurio!“
„Sehr gut. Name?“
Lucius winkte den zweiten Mann des Contuberniums nach vorne.
„Immunis Bruttius, 1. Contubernium!“
Bei Bruttius sah die Sache schon anders aus. Das Kettenhemd hatte einige schadhafte Ringe. Bei zwei Schnallen war das Leder durchgescheuert, der Tragriemen vom pugio schien nur noch von der letzten Faser gehalten zu werden.
„ Gladius !“, schnauzte Lucius den Immunis an, der hastig das pilum in den Boden rammte und sein gladius zog. Lucius begutachtete es kurz und fragte dann mit ruhiger Stimme: „Was ist das?“
„Mein gladius , Centurio!“, sagte Bruttius erstaunt.
„Bist du sicher?“
Lucius fuhr mit dem Daumen die Klinge entlang.
„Die Klinge ist stumpf. Hat ein gladius eine stumpfe Klinge?“
Bruttius sah ihn unsicher an. Er fuhr nervös mit der Zunge über seine Lippen.
„Willst du mich küssen? Oder mir ein eindeutiges Angebot machen?“, polterte Lucius los.
„Nein, Centurio!“
„Dann behalte deine Zunge im Mund, da wo sie hingehört!“
Bruttius schloss den Mund.
„Hat ein gladius eine stumpfe Klinge?“, wiederholte Lucius seine Frage.
„Nein!“, sagte Bruttius tonlos.
„Ich kann dich nicht hören!“
„NEIN, CENTURIO!“, schrie Bruttius.
„Also. Ich wiederhole meine Frage. Was ist das dann hier?“
Bruttius blieb die Antwort schuldig, und Lucius untersuchte das Bündel.
„Optio. Legionär Bruttius hat in den nächsten drei Wochen jeden zweiten Wachdienst, damit er lernt, sorgfältig mit seiner Ausrüstung umzugehen.“
„Er ist Immunis!“, ließ sich Fulcinus, der Signifer, vernehmen.
„Jetzt nicht mehr!“, bemerkte Lucius, und winkte den nächsten Legionär nach vorne.
Die Inspektion zeigte bereits Wirkung, stellte Lucius zufrieden fest. Die Legionäre machten langsam einen etwas verunsicherten Eindruck.
„Vortreten! Name?“
„Immunis Siccius, 2. Contubernium.“
Mal sehen, wo hier der Hund begraben lag. Siccius hatte ein schadhaftes Kettenhemd, obendrein fehlte noch die Tragestange mit dem Marschgepäck. Er hatte den Befehl, die vollständige Ausrüstung mitzubringen, einfach ignoriert.
„Legionär Siccius ist für die nächsten drei Wochen auf Gerste gesetzt und sein Sold wird um ein Drittel gekürzt. Damit er das Befolgen von Befehlen lernt. Außerdem übernimmt er jeden zweiten Wachdienst.“
Unruhe breitete sich in der Centurie aus.
„Nächster!“
Lucius winkte den nächsten Legionär des 2. Contuberniums nach vorne. Auch bei diesem fehlte das Marschgepäck, die Waffen waren vollkommen verwahrlost. Eine echte Schande. Neben der Soldkürzung und dem zusätzlichen Wachdienst durfte er sich auch besonders intensiv um die Latrine kümmern, entschied Lucius.
„Nächster!“
Auch die nächsten sechs Legionäre hatten samt und sonders das Marschgepäck nicht dabei, und darüber hinaus noch ungepflegte Waffen. Daher durften auch sie sich allesamt in den nächsten drei Wochen um die Latrinen kümmern und mit einer Soldkürzung leben.
„Name?“
„Legionär Andarius, 2. Contubernium!“, sagte der ältere Legionär, der an letzter Stelle stand. Merkwürdig, dass ein so alter Legionär nicht mindestens Immunis war. Noch überraschender war, dass bei ihm die komplette Ausrüstung vorhanden und in gutem Zustand war. Die Waffen waren gepflegt, das Kochgeschirr sauber.
„Zufriedenstellend“, lobte Lucius. „Legionär Siccius?“
„Jawohl, Centurio!“
„Komm her und nimm den Platz hier hinten ein!“
Mit verkniffenem Gesicht kam Siccius und stellte sich auf Andarius‘ Platz.
„Immunis Andarius, du übernimmst dieses Contubernium. Geh nach vorne auf deinen Platz!“
Lucius beglückwünschte sich zu dieser guten Idee. Jetzt konnten alle sehen, dass gutes Verhalten sofort belohnt wurde.
„Bis die Ausrüstung beim ganzen Contubernium in Ordnung ist, bekommen alle nur Gerste“, wies Lucius Caedicius an.
Sie setzten die Inspektion fort, und am Ende war Caedicius‘ Wachstafel über und über mit Strafen gefüllt. Das 5. Contubernium war ähnlich verwahrlost wie das 2. und bekam daher wechselnden Latrinendienst mit dem zweiten aufgebrummt. Das 7. Contubernium landete geschlossen auf Gerste, das 9. Contubernium durfte sich mit zusätzlichem Marschdrill anfreunden. Zufrieden beendete Lucius die Inspektion und ließ die Männer wegtreten.
„Auf ein Wort, Centurio.“
Fulcinus, der Signifer, blieb vor Lucius stehen.
„Ich weiß nicht, ob das so klug war!“, sagte er und nickte zum 2. Contubernium hin. „Andarius ist ein Spätberufener. Das gibt böses Blut.“
Spätberufene waren Männer, die sich erst nach vielen Jahren, manchmal sogar erst mit Ende zwanzig zur Legion meldeten. Die Blicke, die die Männer des 2. Contuberniums Andarius zuwarfen, waren alles andere als freundlich. Lucius beschlichen Zweifel. Hatte er einen Fehler gemacht? Würde Andarius im Contubernium zum Außenseiter werden und am Ende gar Prügel beziehen? Auf dem Schlachtfeld konnte er ohne den Schutz seiner Männer schnell tot sein. Ein Rückzieher kam aber jetzt nicht mehr infrage, wenn Lucius seine Autorität nicht gefährden wollte. Hoffentlich wird das gutgehen, dachte er bei sich.
Laut knurrte er ungehalten: „Ach was! Abmarsch vor das Lager!“
Die Centurie marschierte nach Norden auf den verlandeten Flussarm zu. Während des Marsches befahl Lucius Schwenks, Rückzüge und Laufschritt. Auch die testudo, die Schildkrötenformation, ließ er üben. Er beobachtete mit Argusaugen die Geschwindigkeit und Präzision, mit der eine Formation eingenommen wurde.
Als die Männer in der Pause zusammensackten, als ob sie einen Gewaltmarsch hinter sich hätten, setzte Lucius diesen sofort ganz oben auf seine Liste. Für seinen Plan musste die Centurie in bester Verfassung sein.
Am nächsten Morgen stand wieder eine Inspektion an. Diesmal stattete Lucius den Baracken einen Besuch ab. Zu allem hatte er Fragen, denn alles war wichtig. Die Sicherheit der Feuerstellen? Schließlich sollte keiner das Lager abfackeln. Die Sauberkeit? Es würden sich noch früh genug Krankheiten einschleichen. Die Vorräte? Die Männer mussten gut und ausreichend essen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Bevor der Feldzug beginnt, wird so mancher Schweiß fließen, dachte Lucius grimmig.
Marcus Cornelius Plautus Justinianus grüßt seinen Bruder den Centurio Lucius Justinius Marcellus.
In ganz Rom gibt es derzeit nur ein Gesprächsthema: Die erzwungene Scheidung von Tiberius und Vipsania Agrippina. Jetzt, wo Agrippa tot ist, brauchte Julia einen neuen Ehemann, und dieser ist niemand anderes als ihr Stiefbruder. Tiberius ist nach Claudius Marcellus und Marcus Agrippa ihr dritter Mann. Obwohl der Klatsch sagt, dass Julia früher einmal in Tiberius verliebt war, hat sie sich, so heißt es, mit Händen und Füßen gegen diese Hochzeit gewehrt. Auch Tiberius wollte diese Hochzeit nicht, er war mit Vipsania glücklich. Augustus hat sich aber weder davon, noch von dem eigenen Dreikindgesetz beeindrucken lassen.
Die Omen waren entsprechend schlecht – Donner während der Hochzeitzeremonie, ein zweiköpfiges Kalb wurde geboren, vor dem Tempel der Bellona soll es Blut geregnet haben und ein schwarzer Hund ist in den Tempel des Mars ultor eingedrungen. Augustus hat trotzdem auf die Hochzeit bestanden, und Tiberius ist nach der Zeremonie Hals über Kopf zu seinen Legionen nach Pannonien abgereist. Was soll aus einer Ehe entstehen, die so anfängt?
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