Sein Blick verfinsterte sich.
„Ich kenne ein paar achtbare Römer. Die wären bestimmt daran interessiert, eine Witwe zu heiraten, die bewiesen hat, dass sie fruchtbar ist. Novius kennt auch ein paar Bauern, die Witwer sind und eine neue Frau für den Hof und die Kinder suchen.“
Lucius schwieg. Nur nichts Falsches sagen.
„Du hast sie gerettet, dafür danke ich dir. Auch, dass du sie sicher hierher gebracht hast“, begann Haterius von Neuem. „Auch für deine Gastfreundschaft danke ich dir. Appius Maestus werde ich schreiben.“
Lucius neigte sein Haupt und nahm den Dank schweigend entgegen. Haterius schwankte davon, ohne bezahlt zu haben.
Lucius starrte auf seinen fast vollen Weinbecher. Sollte er Tertia vielleicht fragen, ob sie bei ihm bleiben wollte, wie Faustus es vorgeschlagen hatte, als seine concubina , seine Lebensgefährtin? Er grübelte. Morgen würde er endlich wieder eine Centurie übernehmen. Die 2. Principescenturie der 3. Kohorte der XVIII Legion. Auf dieses Kommando freute er sich. Seit die Ala Pomponiani zu Beginn des Winters über die civitas verteilt worden war, um Futter für die Pferde zu sparen, hatte er kein Kommando gehabt. Vier Monate Urlaub klang in vielen Ohren wie ein Venuswurf und er hatte sie genossen, aber ohne Kommando keine Aufgabe, ohne Aufgabe keine Beförderung, kein Ruhm, keine Beute, keine Möglichkeit, den anderen Centurionen zu beweisen, dass er ein guter Centurio war, trotz seines jungen Alters.
Seine Gedanken kehrten zu Tertia zurück. In ein paar Monaten war er mit der neuen Centurie weit weg, jenseits des Rhenus. Wenn er ein Kommando im Osten oder in Africa hätte, wo die Legionen wenig außerhalb der Stellungen unterwegs waren, dann sähe die Lage anders aus. Er konnte sie nicht mitnehmen, und ließe er sie hier als seine concubina , würden ihre Brüder sie vermutlich töten. Da war es doch besser, Tertia bliebe eine ferne, schöne Erinnerung. Traurig kramte er einige Münzen hervor und legte sie auf den Tisch.
Faustus zerrte die Truhe durch die Tür, während Lucius den Altar der Hausgötter aufbaute und ein kurzes Gebet sprach. Dann öffnete er die Läden, um Luft und Licht hineinzulassen. Der Raum wurde kaum heller, das war bei dem trüben Februarwetter auch nicht zu erwarten. Überall auf den Möbeln zeichnete sich der Staub der letzten Monate ab.
„Wir müssen erstmal gründlich sauber machen“, sagte Lucius und sah sich um.
„Ja, das müssen wir wohl, dominus “, sagte Faustus und grinste.
Lucius ignorierte die Spitze. Sollte der Sklave ruhig seinen Spaß haben.
Es gab nur eine Schlafkammer. Faustus musste also in der Küche schlafen. Lucius ging durch den Wohnraum und betrat sein Dienstzimmer. Die karge Einrichtung bestand aus einem Tisch, einem Stuhl und einem Hocker. In einem weiteren Raum stand nichts außer einer leeren Truhe, sicher als Aufbewahrungsort für die Unterlagen der Centurie.
„Nun Centurio, hast du deinen Urlaub genossen?“, hörte Lucius eine vertraute Stimme. „Ich auf jeden Fall.“
Sein Optio Publius Caedicius betrat das Dienstzimmer und sah sich um.
„Sehr übersichtlich.“
„Das wird schon. Ich kann über meinen Urlaub nicht klagen“, sagte Lucius. „Wo hast du deinen verbracht?“
„Ich bin gerade aus Aquitanien zurückgekehrt.“
„Warum bist du bei Schnee, Eis und Regen nach Aquitanien gereist?“, fragte Lucius. „Du stammst doch gar nicht aus der Gegend.“
„Dort lebt meine Unsichtbarwerdendeessenkochendewaschfraubettgespielin!“, sagte Caedicius, wischte den Staub vom Hocker und setzte sich.
„Was? Wer lebt da?“
„Meine Unsichtbarwerdendeessenkochendewaschfraubettgespielin!“, wiederholte Caedicius geduldig. „So bezeichnen wir bei der Legion die Wunschgefährtin. Sie soll waschen und Essen kochen können, mit uns das Bett teilen, und wenn wir aufbrechen, unsichtbar werden.“
„Den Begriff habe ich noch nie gehört“, stellte Lucius kopfschüttelnd fest.
„Ein Wunder, wenn an man deine langjährige Erfahrung in der Legion denkt. Drei Jahre, nicht wahr?“, sagte Caedicius.
Lucius ließ sich nicht provozieren. „Vier Jahre bitteschön. Vier Jahre als miles gloriosus .“
„Vier Jahre. Verzeih‘, also 22 Jahre alt, vier Jahre unter den Adlern. Da hast du mit Sicherheit schon Unmengen an concubinae gehabt“, sagte Caedicius.
„Wohl nicht so viele wie du. Wie viele hattest du denn bisher?“
„Zwei.“ Caedicius überlegte kurz. „Drei eigentlich. Eine ist nach einem Jahr bei der Geburt des ersten Kindes gestorben. Die anderen beiden waren Witwen, hatten Kinder und bekamen von mir auch noch ein paar.“
„Wo sind sie jetzt?“
„Die zweite starb auch im Kindbett. Zwei ihrer Söhne, naja, unserer Söhne, sind mittlerweile auch bei den Adlern. In Hispanien.“
Er hatte einen nachdenklichen Blick. „Die letzte, Flora habe ich sie genannt, lebt in Aquitanien.“
„Bei ihr bist du also gewesen. Wie geht es ihr?“
„Gut“, war die knappe Antwort.
„Wann zieht sie zum Rhenus? Wir haben doch schon eine Reihe concubinae hier.“
„Gar nicht“, sagte Caedicius kurz. „Sie wird mir nicht folgen. Wir gehen getrennte Wege.“
Lucius musste an Tertia denken. Caedicius wechselte schnell das Thema.
„Wie wirst du die Centurie angehen? Du wirst doch sicher wieder Scherereien mit ihnen haben, weil du so jung bist.“
„Natürlich.“
Lucius nickte. Darüber hatte er sich in den letzten Wochen mehrfach Gedanken gemacht, und er wollte einige Dinge ausprobieren. Aber das würde er dem Optio nicht auf die Nase binden. Er wollte es ohne fremde Hilfe schaffen. Er grinste schief.
„Wie ich die Centurie angehen werde? Mit den Mitteln des miles gloriosus natürlich.“
Eines war klar, es würde keine schmissige Ansprache geben. Die letzte war ein Desaster gewesen und hatte ihm den verhassten Spitznamen miles gloriosus eingebracht. Nein, heute würde es nicht darum gehen, die Männer zu gewinnen oder zu überzeugen. Es war ganz einfach: Er war ihr Centurio und sie hatten diesem Rang Achtung und Respekt entgegenzubringen, egal was sie von seiner Person hielten.
„ Militis . Ich bin Centurio Lucius Justinius Marcellus!“
Lucius stand breitbeinig vor der Centurie und klopfte mit der vitis in seine Handfläche.
„Das ist Publius Caedicius, mein Optio!“
Er machte eine Pause, in der er die Männer musterte. Sie machten keinen sonderlich disziplinierten Eindruck. Es war eben die XVIII Legion.
„Wie ihr wisst, steht uns in diesem Jahr ein kleiner Ausflug über den Rhenus bevor. Außerdem steht in zwei Wochen die Equirria an, und wir wollen Mars doch nicht mit schlechten Waffen entehren. Ich erwarte, dass alles im besten Zustand ist. Daher werden wir jetzt eine kleine Inspektion vornehmen, um zu sehen, wie es um die 2. Principescenturie der 3. Kohorte steht.“
„Erste Reihe vortreten!“
Caedicius wedelte mit der Wachstafel und die Legionäre machten einen Schritt vorwärts. Gemeinsam mit Fulcinus, dem Signifer, marschierten die Inspekteure auf den ersten Legionär zu.
„Name?“, schnarrte Lucius.
„Immunis Ennius, 1. Contubernium!“, war die hastige Antwort.
Lucius überflog mit raschen Blicken die Ausrüstung. Alles war da, alles war in Ordnung, nur das Kettenhemd war ein wenig stumpf. Auch der cingulum , der Militärgürtel, konnte eine Reinigung vertragen.
„Füße hoch!“
Ennius hob gehorsam erst den einen und dann den anderen Fuß, damit Lucius die Sohlen begutachten konnte, die ausreichend mit Nägeln beschlagen waren. Zufriedenstellend. Nun war das Bündel dran. Kochgeschirr, Trinkflasche und Getreidebeutel waren in ordentlichem Zustand. Ein gutes Omen?
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