»Können Sie sich wenigstens noch an den Fahrer erinnern?«
Die beiden Ranger nickten und David meinte: »Ich denke schon.«
In diesem Moment mischte sich Enrique Gómez, der die gesamte Zeit geschwiegen hatte, in die Diskussion ein. Er entnahm einem Ordner ein Phantombild und schob es zu Perez und Marti hinüber. »Sah der Mann vielleicht so aus?«
Die beiden sahen sich die Aufnahme eine Weile an, bis schließlich David meinte: »Eine gewisse Ähnlichkeit ist auf jeden Fall vorhanden oder siehst du das anders?« Er sah seinen Kollegen fragend von der Seite an.
Pablo schüttelte den Kopf. »Das Bild kommt dem Original schon ziemlich nahe.«
»Okay, was meinen Sie damit?«
»Sein Gesicht war nicht so schmal. Außerdem trug er einen 3-Tage-Bart und sah ein wenig ungepflegt aus.«
»Also stimmten Person und Phantombild überein?«
»Im Großen und Ganzen ja. Die Augenbrauen waren noch etwas voller, aber ansonsten ist die Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen.«
»Kommen wir mal zum Fahrzeugtyp.«
Pablo Perez antwortete sofort: »Das war ein Golf mit dunkelblauer Lackierung.«
»Kennen Sie zufällig das Autokennzeichen?«
»Leider nicht«, er schüttelte bedauernd den Kopf und fragte Marti: »Oder hast du dir das Kennzeichen gemerkt, David?«
»Bedauerlicherweise nicht. Aber vielleicht können die Kollegen, die am südlichen Ausgang für die Sperrung zuständig waren, mehr dazu sagen?«
»Danke für den Hinweis. Die werden wir ebenfalls noch befragen.« Die Kriminalistin sah ihn lächelnd an.
Enrique Gómez mischte sich erneut ein und fragte die Ranger neugierig: »Haben Sie Ihre Kollegen darüber informiert, dass ein VW auf dem Weg zu ihnen war?«
Pablo Perez erwiderte sofort: »Selbstverständlich, wir mussten den Wagen doch im Auge behalten.«
»Gab es auch eine Rückmeldung, nachdem das Fahrzeug den gesperrten Bereich wieder verlassen hatte?«
»Ja, das war«, er hielt kurz inne, »gegen 12.55 Uhr.«
»Das heißt, der Fahrer war circa 50 Minuten innerhalb des Parks unterwegs.«
»Wenn Sie das sagen, wird es wohl stimmen«, frotzelte David Marti.
»Ja, ich habe nur eins und eins zusammengezählt, Schulstoff der 1. Klasse«, konterte Luisa Navarro schmunzelnd. »Benötigt man durchschnittlich immer so lange, um die Caldera zu durchqueren?«
»Es geht wesentlich schneller. Der Herr hat sich wohl Zeit gelassen.«
»Kam Ihnen das nicht merkwürdig vor, denn sein Verhalten deutete doch eher darauf hin, dass er es sehr eilig hatte.«
David sah sie mit nachdenklicher Miene an, ehe er murmelte: »Sie haben recht, das hat mich auch gewundert, wie viel Zeit er letztlich brauchte, um den Park zu durchfahren. Ich habe angenommen, dass er mit Höchstgeschwindigkeit da durchbrettert.«
»Nehmen wir mal an, er wäre, ohne irgendwo anzuhalten, mit hoher Geschwindigkeit gefahren. Wie lange hätte er für die Fahrt benötigt, um die südliche Sperre zu erreichen.«
Die beiden überlegten kurz, bis Pablo Perez meinte: »Circa 25 Minuten.«
»Er hat sich also sehr viel Zeit gelassen.«
»Das stimmt, das reichte zwar nicht aus, um den Teide zu besteigen, aber um sich Sehenswürdigkeiten, die in der Nähe der Straße lagen, anzusehen.« Er lachte über seinen eigenen Scherz.
»Sie stimmen mir dahingehend zu, dass es möglich war, innerhalb dieses Zeitrahmens, eine Leiche zur Zapatilla de la Reina zu transportieren.«
Beide Ranger nickten. »Auf jeden Fall.«
»Okay, gibt es sonst noch etwas, was Ihnen aufgefallen beziehungsweise merkwürdig war?«
Pablo und David schüttelten gleichzeitig den Kopf. »Ansonsten gab es keine weiteren Probleme und Zwischenfälle.«
Luisa Navarro klappe ihr Notizbuch zu und steckte es weg. Anschließend meinte sie freundlich lächelnd: »Wir bedanken uns bei Ihnen für die interessanten Aussagen. Sie werden uns auf jeden Fall ein Stück weiterbringen.«
»Geht es um den Mörder, der bereits zwei Deutsche umgebracht hat?«, fragte David unvermittelt.
»Das dürfen wir Ihnen leider nicht sagen. Aber woher haben Sie diese Information?«
Der junge Ranger lächelte. »Teneriffa ist eine kleine Insel, da verbreiten sich Neuigkeiten rasend schnell, auch wenn die Medien darüber bisher kaum berichtet haben.«
»Es gibt derzeit eine Nachrichtensperre, an die wir uns halten müssen.« Die Kriminalistin und ihr Kollege erhoben sich von ihren Stühlen. »Nochmals vielen Dank für die Hilfe und sollte Ihnen doch noch etwas einfallen, dann rufen sie mich bitte an.« Sie überreichte den drei Männern ihre Visitenkarte.
unterhalb der Zapatilla de la Reina
Hauptkommissar Carlos Sanchez und Marta Moreno Lopez standen direkt neben der Leiche und unterhielten sich leise.
Der Kriminalist fragte die Rechtsmedizinerin gerade: »Kannst du den Todeszeitraum näher eingrenzen?«
Sie nickte leicht mit dem Kopf. »Die Leichenstarre ist, wie man an den ausgestreckten Armen deutlich sieht, derzeit voll ausgeprägt. Ich habe darüber hinaus auch die Körperkerntemperatur ermittelt und lege mich auf einen Todeszeitpunkt zwischen 8.30-10.00 Uhr fest.«
»Es handelt sich hier aber nicht um den eigentlichen Tatort?«
»Nein, dafür ist die Blutmenge, die vor Ort aus der Wunde gesickert ist, viel zu gering. Bei der erlittenen Stichverletzung hat das Opfer eine Menge Blut verloren. Nur wurden weder unter dem Körper, noch in der näheren Umgebung Blutspuren gefunden.«
»Das heißt, der Täter hat die Leiche hierher transportiert und abgelegt.«
Sie blickte ihn mit nachdenklicher Miene an, ehe sie mit leiser Stimme antwortete: »Ja, das vermute ich ebenfalls.«
»Die Spurensicherung hat Radspuren gefunden, die von einer Sackkarre stammen könnten.«
»Damit sagst du mir nichts Neues, mein Lieber. Auf jeden Fall erleichtert so ein Hilfsmittel den Transport einer 80 kg schweren Leiche ungemein.«
»Der Daumenabdruck auf der Stirn bringt uns derzeit auch nicht weiter oder?«
Die Rechtsmedizinerin lächelte. »Es handelt sich wieder um den gleichen Fingerabdruck, den wir bereits an den anderen beiden Opfern festgestellt haben. Nur leider ist er, trotz ständiger Aktualisierungen, immer noch nicht mit einem konkreten Namen in unserem System verbunden und das ist echt frustrierend.«
»Gibt es etwas Neues zur Tatwaffe?«
»Den Spuren und Merkmalen nach zu urteilen, wurde erneut dieselbe Stichwaffe eingesetzt.«
»Laut der deutschen Kollegen vom BKA soll es sich dabei um ein Seitengewehr des AK-47 handeln. Siehst du das ähnlich?«
Die erfahrene Rechtsmedizinerin überlegte eine Weile, während sie sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht strich. Schließlich murmelte sie: »Schwer zu sagen. Ich möchte mich derzeit noch nicht festlegen.«
Carlos sah seine Kollegin etwas verwundert an. »Bist du etwa verunsichert? So kenne ich dich gar nicht.«
Sie schüttelte sofort lachend den Kopf. »Hast du eine Ahnung, wie viele Stichwaffen es von diesem Messertyp gibt?«
»Nein, nicht wirklich«, gab er zerknirscht zu.
Sie tätschelte zärtlich seine Wange und flüsterte: »Aber zu deiner Beruhigung, das russische Bajonett gehört mit zu meinen Favoriten.« Dann trat sie schmunzelnd einen Schritt zurück und hinterließ einen Hauch ›Coco Mademoiselle‹ von Chanel. Der Duft des Parfüms war genauso sinnlich und betörend, wie die Frau, die ihm direkt gegenüberstand und aufmerksam beobachtete. Am liebsten hätte er sie jetzt umarmt und geküsst. Aber er traute sich nicht, denn er befürchtete, eine schallende Ohrfeige von einer wütenden Rechtsmedizinerin zu bekommen und das auch noch ausgerechnet neben einer Leiche. Das wäre mehr als peinlich und garantiert nicht der Weisheit letzter Schluss. Er merkte, dass er langsam im Gesicht rot wurde, während er gleichzeitig sein Gehirn hektisch nach Fragen durchforstete, um den Gesprächsfluss aufrechtzuerhalten.
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