Ich wollte zurückgehen, da überraschten mich drei Gestalten.
»Was suchen Sie hier?!«, fragte der Wichtigere von ihnen mit finsterer Mine.
Es war Capitán Sabál von der Guardia Civil , der paramilitärischen Polizei, der mit zwei seiner Untergebenen mir gegenüberstand. Der mittelgroße und untersetzte Hauptmann stand in einer dunkelgrünen Uniform breitbeinig und mit verschränkten Armen vor mir. Mit einem kräftigen Oberlippenbart und einem Tricornio , dem Dreieckshut, strahlte er eine gewisse Bedrohung aus.
» ¡Buenas tardes! «, begrüßte ich ihn.
»Ich habe Sie was gefragt!«, gab er laut und mit einschüchternder Mimik zurück. Dann stemmte er die Hände in die Hüften.
Ich kannte ihn und wusste, wie grob er mit Menschen umgehen konnte. Andererseits war er gänzlich kooperativ und folgsam, wenn er von höherer Stelle seine Anweisungen bekam.
»Ich gehe spazieren«, antwortete ich.
»Bei dem Wetter hier in den Acantilados ?«, brummte er voller misstrauen. »Wollen Sie mich ...?«
Plötzlich stockte er und sah mich genauer an.
»Ich kenne Sie doch. Sie sind der deutsche Tourist, der letztes Jahr die Toten in der Höhle gefunden hat.«
»Sie haben Recht.«
Ihm schien etwas zu dämmern.
»Dann haben Sie heute Morgen die Leiche in den Klippen gefunden«, sagte er zu meiner Verwunderung.
Überrascht sah ich ihn an. Wie konnte er diese Information so schnell bekommen haben? Waren die Policía Nacional und die Guardia Civil so gut vernetzt? Ich wusste von dem Kompetenzgerangel wegen der unterschiedlichen Befugnisse und Aufgaben beider Polizei-Organen.
»Das stimmt ebenfalls«, sagte ich.
»Haben Sie wieder Fotos gemacht?«, fragte er grimmig. »So wie letztes Jahr?«
Ich verneinte die Frage. Schließlich hatte ich bisher nichts Nennenswertes auf den Bildern entdeckt. Mit einem Knurren nahm er es hin.
»Auf jeden Fall brauchen wir Ihre Aussage«, sagte er und winkte einen seiner Untergebenen zu sich.
Ein schlanker Polizist fragte mich nach meinem Pass, dann nahm er die Daten auf. Trotz der Tatsache, dass ich bereits bei der Policía National ausgesagt hatte, musste ich vor der Guardia Civil ebenso meine Erlebnisse zu Protokoll geben. Ich kannte dieses doppelte Vorgehen. Anschließend beschrieb ich ihm, wie ich die Tote gefunden hatte. Er schrieb alles sorgsam auf und sagte mir schließlich, ich solle erreichbar bleiben. Capitán Sabál unterhielt sich währenddessen lautstark und mit großer Gestik mit dem anderen Polizisten.
» ¡Estos turistas! « (Diese Touristen!), fluchte er.
Offenbar hatte er noch immer etwas gegen Reisende.
Es war bereits dunkel geworden und es regnete erneut, als ich nachdenklich ins Hotel zurückging. Im grellen Licht der Straßenlaternen wurde deutlich, wie der Regen durch den Wind in die Schräglage geweht wurde. Feucht erreichte ich meine Unterkunft. In der Halle begrüßte mich der Concierge aufs Freundlichste, und nach ein paar Worten über das verregnete Novemberwetter ging ich aufs Zimmer, um die Kleidung zu wechseln.
Ich ging in die Hotelbar, um mich etwas aufzuwärmen. Mit einem behaglichen Wollpullover bekleidet genoss ich den Duft eines Café con leche. Ich klappte mein MacBook auf, das ich mitgenommen hatte, und war auf die Auflösung der Fotos gespannt. Während der Rechner hochfuhr, dachte ich an die Ereignisse des Tages. Es war recht viel für einen Tag gewesen. Unerwartet rief mich Hellen an.
»Hallo Diego«, meldete sie sich.
»Hellen, wie geht es dir?«
»Sehr gut. Ich habe sehr nette Gäste und viele Interessenten. Mittlerweile habe ich vier weitere Fotoaufträge vereinbart«, gab sie hocherfreut von sich.
»Gratuliere.«
»Ich vermisse dich«, sagte sie liebevoll.
»Ich dich auch, aber nur noch bis morgen, dann hole ich dich in Santander ab.«
»Ich freue mich. Und was machst du? Langweilst du dich ohne mich?«
Zunächst zögerte ich. Schließlich wollte ich ihr schonend beibringen, dass ich erneut eine Leiche gefunden hatte.
»Nein, das kann ich nicht sagen«, fing ich langsam an.
»Und deine Schulfreunde? Hast du sie schon getroffen?«
»Ja. Mateo hat mich gleich am ersten Tag zu sich nach Hause eingeladen, Ángel bin ich zufällig auf der Straße begegnet und mit Fernando habe ich schon mehrmals gesprochen.«
»Ich hoffe privat«, sagte sie mit einem leichten Lachen.
»Zuerst ja, aber dann ...«
»Diego! Was soll das heißen?«
»Nun ja, ...«
»Willst du mir sagen, dass du schon wieder ...«
»Ich werde es dir erklären. Es war der reinste Zufall. Bei einem Spaziergang zur Ermita ...«
So erzählte ich ihr, wie ich, gemeinsam mit Lola, die Tote in den Klippen gefunden hatte und wie ich meine Zeugenaussage bei der Policía Nacional zu Protokoll gegeben hatte. Weitere Details ersparte ich ihr.
»Muss ich langsam auf Lola eifersüchtig sein?«, fragte sie.
»Aber nein. Sie ist mir zufällig über den Weg gelaufen, und das im wahrsten Sinne des Wortes, sie war gerade beim Joggen.«
»Das kann doch alles kein Zufall sein. Ich meine, dass du schon wieder eine Leiche gefunden hast. Ich hoffe nur, dass du dich diesmal aus der Sache heraus hältst. Mateo hat uns zur Hochzeit seiner Tochter eingeladen und nicht um einen Kriminalfall zu lösen«, sagte sie schnell urteilend.
»Keine Sorge, wie es scheint, handelt es sich um einen Unfall«, erklärte ich zu ihrer Beruhigung.
Plötzlich ging ein weiterer Anruf ein. ›Fernando de Vega‹ las ich auf dem Display meines iPhones. Es war mittlerweile nach acht und ich fragte mich, was nun so wichtig sein konnte.
»Ich hoffe nur, dass du Recht hast«, sagte sie.
»Womit?«
»Na, mit dem Unfall. Diego, ich muss jetzt wieder zurück zu den Gästen.«
»Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg. Wir sehen uns morgen.«
»Ich freue mich«, entgegnete sie und legte auf.
Ich schaltete auf den Anruf des Comisario um.
»Fernando?«, fragte ich.
»Diego, hat dich Alonso schon angerufen?«, fragte er ohne Umschweife.«
»Nein, warum sollte er?«
» Joder , weil die Leiche von ‘ner französischen Touristin ist.«
»Aha, somit wäre eine Frage geklärt«, folgerte ich. »Aber, was hat Alonso damit zu tun?«
» ¡Cojones! Verdammt viel! Die Tote ist die Tochter von einem seiner Geschäftsparter«, gab er zurück.
»Ich verstehe. Und warum will er mich deswegen sprechen? Es war doch ein Unfall und das, was ich gesehen habe, übrigens gemeinsam mit Lola, steht in meiner Zeugenaussage.«
»Das weiß ich auch. Er glaubt aber nicht an einen Unfall und ich jetzt auch nicht mehr.«
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